Interview:"Ein solches Bad ist keine Gaudi"

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Martin Halle ist Arzt und Leitender Ärztlicher Direktor am Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München. (Foto: Foto Sessner GmbH)

Der Sportmediziner Martin Halle rät zu einer gründlichen Vorbereitung

Interview von Günther Knoll

Baden im eiskalten Wasser - bringt das der Gesundheit wirklich etwas? Der Medizinprofessor Martin Halle von der Technischen Universität München ist Kardiologe und Sportmediziner. Er kann erklären, was im menschlichen Körper genau abläuft bei dieser Art von Schock, und wie der Reiz des kalten Wassers die Konstitution beeinflusst.

SZ: Herr Halle, was soll eigentlich daran gesund sein, im Winter draußen ein eiskaltes Bad zu nehmen?

Martin Halle: Das kalte Wasser führt auf der einen Seite zu einer Kontraktion der Blutgefäße, die sich dann anschließend im Warmen wieder ausdehnen. Das ist eine Art Training für den Körper und sicher gesund, weil er dann die Kälte besser aushält. Ob das eiskalte Baden aber auf der anderen Seite auch die Infektabwehr begünstigt, wie behauptet wird, das ist fraglich. Wissenschaftlich ist das jedenfalls nicht erwiesen.

Was läuft da genau im Körper ab, wenn er einem solchen Bad ausgesetzt wird?

Es ist eine Extrembelastung für den ganzen Körper, das kalte Wasser regt auf jeden Fall den Blutdruck an. Diesen Effekt erzeugt man aber auch schon, wenn man das Wasser nur über die Unterarme laufen lässt oder sich das Gesicht damit wäscht. Der Körper wird damit einer Stresssituation ausgesetzt, der Spiegel der Stresshormone steigt, der Pulsschlag erhöht sich deutlich und bestimmte Entzündungsstoffe werden freigesetzt. Das führt dann wahrscheinlich insgesamt auch zu dem wohligen Gefühl, das man im ganzen Körper spürt.

Wie erklärt sich dann der Gänsehaut-Effekt, der bei eine solchen Kältereiz sichtbar eintritt?

Das ist eine ganz natürliche Schutzreaktion des Körpers, die noch aus Urzeiten stammt. Die Körperhaare stellen sich auf, um so einen Schutzmantel gegen die Kälte zu bilden. Als die Vorfahren der heutigen Menschen noch am ganzen Körper behaart waren, half das, weil sich dadurch eine warme Luftschicht zwischen den Haaren bildete. Diese Reaktion ist bis heute die gleiche geblieben: Die Haarbalgmuskeln ziehen sich zusammen, das wird dann an den Erhebungen auf der Hautoberfläche deutlich sichtbar.

Was ist zu unbedingt beachten, wenn man einen solchen Sprung ins kalte Wasser wagen will?

Ein solches Bad ist keine Gaudi. Das sollte man immer bedenken, wenn man so etwas vorhat. Denn die Herzkranzgefäße werden stark zusammengezogen, wenn sie dem plötzlichen Kältereiz ausgesetzt sind. Man sollte ein solches Bad deshalb nur wagen, wenn man wirklich ganz gesund ist.

Gibt es denn für das Eisschwimmen auch eine spezielle Vorbereitung?

Man sollte sich am besten darauf vorbereiten, indem man seinen Körper daran gewöhnt, eine höhere Toleranz gegen die Kälte zu entwickeln. Ein solches Training machen wir zum Beispiel auch bei Extrembergsteigern, die manchmal Temperaturen von minus 20 Grad und noch niedrigeren ausgesetzt sind. Durch tägliche kalte Güsse tritt zum Beispiel ein gewisser Gewöhnungseffekt gegen die Kälte ein. Und es ist sicher auch eine Frage der körperlichen Grundkonstitution. Wenn die bei jemandem schwach ist, wird's wohl nichts mit einem längeren Aufenthalt im eiskalten Wasser. Wenn man dagegen ein bisschen Speck auf den Rippen hat, kann das nicht schaden. Man kühlt dann natürlich auch nicht so schnell aus.

In welchen Fällen rät der Mediziner vom Eisschwimmen ab?

Man sollte auf keinen Fall erhöhten Blutdruck haben. Und eine Verengung der Herzkranzgefäße ist sehr gefährlich. Als Mediziner muss man generell allen, die älter als 45 Jahre sind, davon abraten, ins kalte Wasser zu gehen, ohne sich vorher gründlich untersuchen zu lassen. Von diesem Alter an steigt die Gefahr nämlich deutlich an. Auf keinen Fall sollte Alkohol im Spiel sein. Der führt nämlich zu einer Ausweitung der Gefäße und der Körper kühlt dann nur noch schneller aus. Da fehlt dann die natürliche Gegenreaktion auf den Kältereiz, und der Wärmeverlust wird nur noch höher.

Haben Sie selbst es schon einmal ausprobiert?

Als ich mich auf mein Examen vorbereitet habe, war ich in einem Haus in Finnland. Das war im Mai, und der benachbarte See trug noch eine Eisschicht. Die haben wir dann aufgehackt und sind aus der Sauna ins kalte Wasser gesprungen. Ich empfand das wirklich als Vergnügen. Das ist etwas, das einen dann auch richtig wach werden lässt.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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