Interview:"Ein guter Platz ist der halbe Erfolg"

Josef Brustmann erzählt von seinen Discoerfahrungen in Wolfratshausen und der Wirkung der Loisachhalle. Das Flussfestival: "Der Hammer".

Von Stephanie Schwaderer

Als kleiner Bub in Waldram hat Josef Brustmann eifrig alle Instrumente gelernt, die ihm in die Hände kamen - weil er so schnell wie möglich mit seinen sieben älteren Geschwistern in Wirtshäusern auftreten wollte. Nun ist er 62 und füllt alleine ganze Säle. Der preisgekrönte Musikkabarettist hat drei Kinder, fünf Enkel und lebt in Icking.

1977 waren Sie 22. Wo haben Sie damals Ihre Abende verbracht?

Das kulturelle Angebot in Wolfratshausen war nicht gerade üppig. An erster Stelle stand das Pfarrheim, da hab ich mit meinen Geschwistern hin und wieder aufgespielt. Die Leute gingen dort zum Tanzen hin - Volkstanz ist ja nicht das schlechteste Vergnügen. Und sonst gab es noch das Kino. Und eine Disco am Untermarkt, verdammt, wie hieß die . . . New Sound!

Was haben Sie angezogen, wenn Sie in die Disco gingen?

Jeans ging immer. Damals hat man sich nicht so aufgestylt. Aber ich musste es immer heimlich machen. Meine Eltern waren streng gläubig, Disco war Sünde.

Sie haben am Untermarkt gesündigt?

Ja, das musste sein! Schon mit 15 hatte ich ein Liederbuch entdeckt, es hieß "Der schräge Turm" - im Gegensatz zum "Turm", aus dem die Ministranten sangen. Der "schräge Turm" enthielt Protestlieder von Wolf Biermann, Franz Josef Degenhardt und all den anderen. Diese Lieder habe ich gesungen - ganz leise, heimlich, in meinem Zimmer, aber so intensiv, dass ich sie heute noch auswendig kann.

Ist man als Wolfratshauser auch in Tölz ausgegangen?

Nein, Tölz hat für uns überhaupt keine Rolle gespielt. Wir hatten ja kein Auto. Aber in Icking, wo ich aufs Gymnasium ging, habe ich die Klassik entdeckt. Mein Cellolehrer, Rainer Graßmäder, hat dort monatlich Klassik-Abende mit prominenten Gästen organisiert. Ich durfte die Noten umblättern.

Pfarrheim, New Sound und Schulaula - das war in den Siebzigerjahren also das kulturelle Bermuda-Dreieck für einen jungen Waldramer?

1. Flussfestival Wolfratshausen 2013

Das Flussfestival mit der Bühne über der Loisach und dem Blick auf die Stadt hat ein ganz besonderes Flair. Josef Brustmann freut sich schon auf seinen Auftritt dort mit Ardhi Engel in diesem Jahr.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Bis 1980 die Loisachhalle kam, das war schon etwas! Plötzlich so ein großes Haus in der Stadt, das mit Leben erfüllt sein wollte. Der Peter Struzyna, damals Kulturreferent der Stadt, hat das hervorragend gemacht. Das war so einer mit Herzblut, eine Pumpe. Einer, mit dem man immer schnell auf einen Kaffee gehen konnte. Und das Haus war voll: beim Bauerntheater, beim Blues, bei der Klassik. Zum Hoagascht kamen damals 600 Gäste, bis aus Österreich.

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Auftritt in der Loisachhalle?

Ja, wir haben zur Eröffnung mit der Tanzlmusi gespielt. Und bei der Wiedereröffnung knapp 30 Jahre später hab ich Kabarett gemacht. An diesen Tag erinnere ich mich noch genau: Zehn Jahre lang hatte die Halle brachgelegen; ich stehe am Eingang, und ein Mann kommt vorbei, schiebt sein Fahrrad, zwei Aldi-Tüten am Lenker. Ich spreche ihn an: "Schön, dass die Loisachhalle jetzt wieder aufmacht, gell?" Und er antwortet: "War die zu?"

Was läuft schief in Wolfratshausen?

Meiner Ansicht nach mangelt es am Über- und am Unterbau. Dadurch, dass die Stadt all ihre Ämter verloren hat, fehlen die Beamten. Es gibt auch kein Gymnasium und die zugehörigen Lehrer. Die intellektuelle Schicht ist dünn. Und Gleiches gilt für die Schicht der Bauern und Handwerker - Leute mit Saft und Kraft. Die Flößer sind schon lange weg.

Aber der Slogan lautet "Wolfratshausen, die Flößerstadt".

Interview: Josef Brustmann hat sich als Musikkabarettist mit dem "Bairisch Diatonischen Jodel-Wahnsinn" und der "Monaco Bagage" einen Namen gemacht. Mittlerweile tritt er erfolgreich solo und mit verschiedenen Projekten auf.

Josef Brustmann hat sich als Musikkabarettist mit dem "Bairisch Diatonischen Jodel-Wahnsinn" und der "Monaco Bagage" einen Namen gemacht. Mittlerweile tritt er erfolgreich solo und mit verschiedenen Projekten auf.

(Foto: Manfred Neubauer)

Wenn man ehrlich ist: Wolfratshausen, die Gewerbegebietsstadt.

An die alten Zeiten konnte die Loisachhalle nie mehr anknüpfen. Warum?

Das hat sicher viele Gründe. Eine entscheidende Frage ist immer: Wie viel Geld ist da? Und wie kulturfreundlich ist ein Stadtrat? Eine schwarze Null in der Kultur ist völlig unrealistisch, wenn man etwas Schönes haben will. Außerdem ist die Halle durch den Umbau nicht attraktiver geworden. Im Foyer fühle ich mich immer wie in einer Bank. Auch im Saal fehlt es an Wärme. Und akustisch hat sich auch nichts verbessert. Alles nach dem Umbau war ein bisserl draufgesetzt: Eine "Flößerei", die man aus Niederbayern importiert, ein Wirt, den man aus München holt. Nichts gegen den Beppi Bachmaier (Wirt des Fraunhofer-Theaters in München; er war zusammen mit Philipp Paradiso 2009 der erste Pächter der Loisachhalle und des Gasthauses Flößerei, Anmerkung der Redaktion), ich schätze ihn. Aber es war nichts Gewachsenes. Das hat einfach nicht richtig funktioniert.

Sie kommen viel herum. Was funktioniert?

Alles, was ein bisserl kleiner ist, wo man auch mal einen Vorhang einziehen kann, wenn nur 30 Leute da sind. Und alles, wo Herzblut und eine Idee dahinter sind. In Leonberg öffnet die Stadt für eine Kunstnacht alte Gewölbekeller; in Nidda hab ich gerade gespielt, da lädt die Stadt alle zwei Jahre 20 Bildhauer ein zu einem Symposium in einen schönen Park. Die besten Arbeiten werden angekauft. In Burghausen hatte ein Bürgermeister einmal die spinnerte Idee, Jazzmusiker einzuladen. Nun fährt seit Jahrzehnten die Welt dorthin.

Welches Potenzial hat Wolfratshausen?

München ist nah, München hat 63 Kinos, eine Oper, unzählige Theater und Kleinkunstbühnen. Das saugt Publikum ab. Die Leute sind verwöhnt. Sie wollen was Besonderes. Ein guter Platz ist der halbe Erfolg. Und Wolfratshausen hat schöne Plätze. Die Bergwaldbühne war immer fantastisch - wenn das Wetter mitgespielt hat. Und die alte Floßlände ist auch ein solcher Platz. Das Flussfestival, wo ich heuer mit Ardhi Engel spielen werde, ist der Hammer!

Auf welches Programm würden Sie setzen?

Nicht auf eingekaufte Sachen, die überall laufen. Ich würde das fördern, was auf dem Land wächst. Das gibt Humus.

Und die Loisachhalle?

Abreißen (lacht).

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