Interview:Die Gefahr eines Doppellebens

Sein Leben lang hat Rudolph Moshammer verheimlicht, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. Alexander Miklosy, Mitglied der Rosa Liste, befürchtet, dass durch die Umstände von Moshammers Tod Schwule jetzt wieder pauschal in die Schmuddelecke gestellt werden.

Von Monka Maier-Albang

SZ: Wie reagiert Münchens Schwulenszene auf den Mord?

Miklosy: Genauso unterschiedlich wie die Gesamtgesellschaft - es gibt hämische Kommentare, aber auch mitleidvolle Reaktionen.

SZ: Hämische Bemerkungen? Lästern Schwule über andere Schwule?

Miklosy: Die Stricherszene kann für jemanden, der offen sein schwules Leben lebt, eine völlig fremde Welt sein. Da belächelt man dann schon mal die, die ihr schwules Leben sehr versteckt führen. So wie das Herr Moshammer getan hat. Er gehörte zu der Art von Schwulen, die nie in den Szene-Treffs ausgehen, sich nicht beim Christopher-Street-Day, beim Bräurosl-Sonntag oder beim Hans-Sachs-Straßen-Fest sehen lassen.

SZ: Trotzdem wusste man in der Szene Bescheid?

Miklosy: Man hat es eher kolportiert als gewusst. Es war bekannt, dass er mit seinem Rolls Royce nachts herumgefahren ist. Und zu welchem Zweck, konnte man sich an zwei Fingern abzählen. Er selbst hat es aber nie bestätigt und ich würde einen Teufel tun, so jemanden gegen seinen Wunsch zu outen.

SZ: Auch Gesellschaftsreporter kannten Moshammers Neigung. Trotzdem wurde nie darüber berichtet.

Miklosy: Was ich für einen respektierlichen Umgang mit einer Persönlichkeit halte.

SZ: Lebt ein Schwuler, der nicht offen mit seiner Homosexualität umgeht, gefährlicher als andere Schwule?

Miklosy: Diejenigen, die versteckt leben, gehen natürlich ein höheres Risiko ein, wenn sie einen Partner suchen. Wie soll so jemand eine Nähe zu Männern ausleben, ohne sich Strichern zuzuwenden?

SZ: Hätte nicht gerade ein Society-Mensch wie Rudolph Moshammer sein Schwul-Sein gut in seine Selbst-Inszenierung mit einbauen können?

Miklosy: Ich denke, das Outing wäre für ihn ein Klacks gewesen. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man das erst merkt, wenn man es hinter sich hat.

SZ: Sie befürchten, dass Schwule nun wieder automatisch in eine Schmuddelecke gesteckt werden. Weil Schwule ständig ihren Partner wechseln?

Miklosy: Dass Schwule häufiger ihren Partner wechseln als Heterosexuelle ist nicht bewiesen. Im Gegenteil. Bei einer Umfrage unter Münchner Lesben und Schwulen, die die städtische Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen 2004 veröffentlicht hat, kam heraus, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt. Ich zum Beispiel lebe in einer 20-jährigen Partnerschaft und kenne vor allem Menschen, die in langjähriger Partnerschaft leben und nicht wie ein Schmetterling von einer Blume zur anderen fliegen.

SZ: Woher kommt also das schwule Schmuddelimage?

Miklosy: Zum Teil ist es geschichtlich bedingt. In allen Großstädten siedelten sich die Schwulen-Lokale dort an, wo Prostituion war. Die Münchner Schwulenszene etwa ließ sich in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Müllerstraße im Glockenbachviertel nieder. Im Nuttenviertel, wie man damals sagte. Noch immer assoziiert die Gesellschaft Schwule mit Prostitution und damit wiederum Drogen, Gewalt, Kriminalität.

SZ: Und ein offen schwul lebender Mann kann ausschließen, dass er in einer Szene-Kneipe an den Falschen gerät?

Miklosy: Im Lokal wird man ja miteinander gesehen, da gibt es eine gesellschaftliche Kontrolle. In einer Klappe, einer öffentliche Toilette also, wo anonymer Sex gesucht wird, ist das nicht der Fall. Obendrein ist die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Gleichgesinnten findet, in einem Schwulen-Lokal viel größer. Denn von den Strichern ist weniger als die Hälfte tatsächlich schwul.

SZ: Die anderen tun es fürs schnelle Geld?

Miklosy: Des Geldes wegen tun es alle Stricher. Die einen etwas freudvoller, die anderen total freudlos.

SZ: Der Mann, der Rudolph Moshammer nach Hause begleitete, ist Iraker. Für einen Menschen aus diesem Kulturkreis ist gleichgeschlechtlicher Sex doch eigentlich undenkbar.

Miklosy: Zumindest öffentlich. Nach meiner Erfahrung ist der Prozentsatz von Schwulen in muslimischen Gesellschaften ähnlich hoch wie in allen anderen - etwa fünf bis zehn Prozent. Aber die Veranlagung wird noch mehr unterdrückt. Wobei der Täter angibt, er sei nicht schwul und ihn habe nur das Geld gelockt.

SZ: Im Strichermilieu trifft man eher auf Männer aus Osteuropa?

Miklosy: Da hat sich eine Art Tourismus aus Osteuropa in die Europäische Union entwickelt. Die meisten Stricher sind illegal hier. Asylbewerber sind selten in der Szene, die bemühen sich eher, ja nichts zu tun, das ihren Aufenthaltsstatus gefährden könnte.

SZ: Übersteigen 2000 Euro Liebeslohn nicht das, was in der Szene üblich ist?

Miklosy: Solche Summen bekommt ein Stricher nicht mal für eine ganze Nacht. Es geht höchstens um dreistellige Beträge.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: