Internet-Drogenhandel:Cannabis - die unterschätzte Droge

Marihuana ist vor allem bei Jugendlichen sehr in Mode. Dabei ist die Pflanze alles andere als harmlos: Sie enthält mehr THC denn je und verursacht schwere Gesundheitsschäden.

Susi Wimmer

Der Drogenhandel hat eine neue Plattform gefunden: Über Internet bestellen immer mehr Jugendliche die komplette Cannabis-Aufzuchtstation für Zuhause. Die Post liefert dann vom Hanfsamen bis zur Pflegeanleitung das Zubehör aus den Niederlanden frei Haus. Für die Polizei "eine äußerst gefährliche Entwicklung", wie Torsten Wittke vom Drogendezernat sagt.

Internet-Drogenhandel: Cannabis-Konsumenten bestellen Hanfsamen jetzt über das Internet.

Cannabis-Konsumenten bestellen Hanfsamen jetzt über das Internet.

(Foto: Foto: ddp)

Denn Cannabis ist vor allem bei der Jugend zur Modedroge Nummer eins avanciert. Und zwar in so hochpotenten Formen gezüchtet, dass der Konsum enorme Gesundheitsschäden verursacht.

"Das ist doch bloß Gras." Diesen Satz kann Wittke schon nicht mehr hören. Was in der Flower-Power-Zeit mit einem THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol ist der Hauptwirkstoff von Cannabis) von acht bis zehn Prozent eingesogen wurde, erreicht heute den dreifachen Wert, "teilweise sogar noch mehr".

Schwere Folgeschäden des Cannabis-Konsums

Wissenschaftliche Studien belegen, dass Konsumenten mit deutlichen kognitiven Funktionseinbußen rechnen müssten. "Die Leute lesen beispielsweise einen halbseitigen Text und können ihn dann nicht wiedergeben", erzählt Wittke.

Beim Lesen finden sie den Zeilensprung nicht mehr, Konzentration und Aufmerksamkeit leiden enorm. Für Jugendliche der Beginn einer fatalen "Karriere": Sie laufen Gefahr, den Schulabschluss nicht zu schaffen oder verlieren ihren Ausbildungsplatz.

5750 Drogenverstöße listet die Polizeistatistik im Jahr 2005 in der Stadt München auf - davon 3600 in Verbindung mit Cannabis. Tendenz: steigend. "Aber das ist nur das Hellfeld", meint Torsten Wittke. Richtig alarmierend findet der Dezernatsleiter die "unkritische Haltung" und "das fehlende Gefahrenbewusstsein" bei Konsumenten wie auch Eltern.

Die Konsumenten werden immer jünger

Immer jünger werden die Kandidaten, die über das Nikotin in die Sucht einsteigen, schnell beim Alkohol und beim Kampftrinken angelangt sind, mal einen Joint auf der Party rauchen und dann nicht mehr ohne Cannabis können.

"Diese Droge ist gesellschaftsfähig", sagt auch Bernd Hackl, Dezernatsleiter beim Landeskriminalamt (LKA). Bayernweit nimmt Cannabis mit 68,5 Prozent den Löwenanteil bei den Drogendelikten ein. Hauptsächlich 16- bis 21-Jährige habe man als Tatverdächtige ermittelt, was Hackl und sein Stellvertreter Mario Huber besonders kritisch sehen: "Je jünger man anfängt, desto größer sind die Schäden und das Suchtpotential", sagt Huber.

Angefangen von Angstzuständen über Depressionen bis hin zu Sprachstörungen und Antriebslosigkeit, ja bei entsprechender Veranlagung sogar Schizophrenie können auftreten. Da gebe es 13-Jährige, die bereits regelmäßig Cannabis konsumieren, erzählt Huber.

Und: "Der Massenkonsum von Cannabis bereitet uns beim Rauschgiftdezernat wirklich die meisten Sorgen." Eine Legalisierung der Droge käme laut Mario Huber "einer totalen Kapitulation" gleich.

Verdeckte Szene in München

Die Griffnähe zum Hanf - da sind sich LKA und Polizei einig - sei "überall gegeben", ob in der Disco oder auf dem Schulhof. "Den schwarzen Mann, der am Schuleingang den Stoff verkauft, den gibt es nicht", sagt Huber. Vielmehr werde unter den Jugendlichen gehandelt.

Genau das sei für die Polizei auch problematisch, wie Wittke ergänzt: In München gebe es nur eine verdeckte Szene, sehr konspirativ, "da läuft alles über die Handynummer des Dealers". Da sei man auf Hinweise angewiesen. "Und die kommen auch", sagt Torsten Wittke - bei verdächtigen Päckchen sogar von der Post AG.

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