Intendant Lilienthal verlässt Münchner Kammerspiele 2020:Während die Traditionalisten jubeln trauern die Moderne-Fans

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Manche SZ-Leser halten die Berufung für ein Missverständnis, einige sähen solche Arbeit lieber an einer anderen Bühne

"Ende einer Beziehung" vom 20. März, "Die schäumende Lust an der Uneigentlichkeit" und "Der Unvollendete" vom 21. März sowie "Kammerspiel-Ensemble unterstützt Lilienthal" vom 23. März:

Desinteressiert?

Matthias Lilienthal in München ist kein Unvollendeter, er lässt das machen, was ihm ästhetisch und intellektuell zusagt. Das Problem mit dem Großteil der in den Kammern 1 bis 3 gezeigten Arbeiten ist deren ästhetische Belanglosigkeit und intellektuelle Dürftigkeit. Der Zuschauer ist permanent unterfordert, auch von den schauspielerischen Leistungen. Eingeschlossen beispielsweise Stemanns/von Blombergs "Kaufmann von Venedig" oder das läppische "Frühlingserwachen" von Sheshepop, aber selbst Marthalers uninspirierter "Tiefer Schweb" zählt leider dazu - ausdrücklich ausgenommen seien die Arbeiten von Ersan Mondtag. Wenn sich Lilienthal wirklich für den Ort, an den er sich als Intendant engagieren ließ, interessiert hätte, hätte er sich neu aufgestellt und mit einem erstklassigen Ensemble im Schauspielhaus (also der Kammer 1) modernes Schauspiel machen lassen und im "Werkraum"/"Spielhaus" - also den Kammern 2 und 3 - das, wofür er in Berlin mit seinen HAU-Bühnen stand. Lilienthal ist nicht unvollendet, sondern wohl unbelehrbar, und wer an Schauspieltheater keinen Spaß hat, sollte halt kein Schauspielhaus übernehmen. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass in München so etwas wie das Stuttgarter "Theaterhaus" oder eben auch das Berliner HAU fehlen. Dr. Hartwin Gromes, Ostfildern

Spinöse Fantasien

Anscheinend hat die Stadtspitze, voran Oberbürgermeister Reiter, keine Ahnung von Theater. Wie kann man an ein Theater wie die Münchner Kammerspiele - das geprägt war von einem Fritz Kortner, Helmut Käutner, August Everding und Dieter Dorn - einen Intendanten setzen, der nur von Performances Ahnung hat, aber nicht vom Theater. Das war noch Theater, was diese Herren machten. Aber Herr Lilienthal ist doch besser in einem Privattheater untergebracht, wo er seinen spinösen Fantasien freien Raum lassen kann. Soll doch Herr Reiter eine Privatbühne gründen, dann kann er Herrn Lilienthal behalten. Wir Münchner sind froh, dass der Herr Intendant geht. Hans Krieg, München

Ein großer Irrtum

Aufruf an die Münchner Theaterbegeisterten: Öffnet die Kühlschränke, holt Champagner oder Sekt heraus und lasst es krachen! Lilienthal verlässt die Stadt, die Chance bietet sich, die Kammerspiele wieder zu einem Theater zu machen, mit Stücken, mit Schauspielern, mit Regisseuren, die ihr Handwerk verstehen, und Dramaturgen, die den Text der Stücke ernst nehmen. Wunderbare Zeiten brechen an. Die Kammerspiele werden wieder so heißen und nicht Abstell-"Kammer 1", und müssen sich keinen Spott mehr gefallen lassen wie "Kummerspiele" oder "Jammerspiele". Es kann herrlich werden.

Man sollte im Münchner Stadtrat für zweierlei sorgen: Zum einen, dass der Vertrag mit Lilienthal so schnell wie möglich gelöst wird (also schon vor 2020), denn warum sollen wir uns das noch länger antun lassen. Und dann zum anderen, dass die Suche nach einem neuen Intendanten nicht mehr vom Kulturreferenten Küppers geleitet wird. Eine Kommission wäre eine Lösung, mit Profis und mit Theatergängern, den Zuschauern. Denn wie sagt der Lilienthal so schön: "Ich empfinde ein großes Verantwortungsgefühl für meine Mitarbeiter." Das ist schön, wäre aber noch besser, wenn das Publikum, sozusagen die Kunden, auch in seinem Denken und Reden vorkommen würden. Tun sie aber nicht. Und der Kulturreferent disqualifiziert sich nicht wegen dem Vorschlag Lilienthals vor einigen Jahren, das kann schon mal passieren. Sondern deswegen, weil er die Entscheidung des Intendanten bedauert und betont, dass er selbst eigentlich eine Vertragsverlängerung sinnvoll gefunden hätte, "um die ganze Bandbreite einer wirkungsvollen Intendanz unter Beweis zu stellen". Na Bravo, dieser Mann hat nichts verstanden.

Also, Stadträte und Oberbürgermeister, ein wenig Mut und wir können einen großen Irrtum hoffentlich bald vergessen. Und wir freuen uns, wieder in die geliebten Kammerspiele gehen zu können. Florian Fischer, München

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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