Integrationskurse:Viele Lehrer für immer weniger Flüchtlinge

Integrationskurse: In den Integrationskursen geht es um die deutsche Sprache, aber auch um Geschichte und Rechtsordnung.

In den Integrationskursen geht es um die deutsche Sprache, aber auch um Geschichte und Rechtsordnung.

(Foto: Robert Haas)
  • Noch vor wenigen Jahren wurden in München händeringend Lehrer für Integrationskurse gesucht.
  • Inzwischen leben immer weniger Flüchtlinge in den Unterkünften der Stadt, darum ist auch der Bedarf an Lehrkräften zurückgegangen.
  • Wie es mit den Kursleitern weitergeht, ist ungewiss.

Von Nadja Tausche

Wenn Madeleine Willing einem Bewerber eine Absage erteilt, kommt schon mal eine erstaunte Reaktion zurück. Lehrer von Integrationskursen? Der Bedarf sei doch riesig, bekommt die Fachgebietsleiterin der Deutsch-Integrationskurse an der Münchner Volkshochschule dann zu hören. Aber Willing sagt, sie habe momentan mehr Bewerber, als sie Lehrer von Integrationskursen braucht. Auch die Initiativgruppe Interkulturelle Begegnung und Bildung bietet in München Integrationskurse für Migranten an. Auch Christine Schuster, Projektleiterin der Sprach- und Integrationskurse, sagt: "Wir können nicht alle Bewerber bedienen."

In Integrationskursen lernen Migranten deutsch. 700 Unterrichtsstunden dauert ein solcher Kurs, 600 Stunden für den Sprachkurs und 100 zusätzliche für den Orientierungskurs mit Themen wie deutsche Geschichte, Rechtsordnung, Gleichberechtigung. Unterrichten darf, wer Deutsch als Zweit- oder als Fremdsprache studiert oder eine entsprechende Zusatzqualifizierung abgeschlossen hat.

Zugelassen werden Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive, dazu zählt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Menschen aus Eritrea, Irak, Iran, Syrien oder Somalia. Auch wer eine Duldung oder eine bereits ausgestellte Aufenthaltserlaubnis hat, darf teilnehmen. Viele Teilnehmer der Kurse kommen auch vom Balkan oder aus Süd- und Osteuropa, sagt Schuster.

Noch vor kurzem wurden Integrationslehrer händeringend gesucht.

Spätsommer 2015. All die Geflüchteten sind behelfsmäßig untergebracht, dürfen aber nicht arbeiten, sitzen rum. Die Menschen brauchten eine Routine, etwas zu tun, und zwar schnell, sagt Sadija Klepo. Sie ist Geschäftsführerin und Gründerin des Vereins Hilfe von Mensch zu Mensch und hat damals improvisiert.

Am Anfang wurde viel improvisiert

Der Verein hat zwei Traglufthallen im Landkreis München betreut, innerhalb weniger Tage hat Klepo für die Menschen dort Deutschkurse geschaffen. "Wir haben zwischen 100 und 150 Leute auf Kurse aufgeteilt", sagt Klepo. Das sei unglaublich wichtig gewesen: "Wenn sie die Sprache beherrschen, ist das die Grundlage", sagt Klepo.

Für die Lehrerinnen dieser Kurse hieß die Situation aber teilweise: Überforderung. Die Dozentinnen, die bei ihr arbeiten, haben langjährige Erfahrung, sagt Klepo. Aber auf einen Schlag seien komplett andere Menschen zu den Deutschkursen gekommen als davor. Manche der neuen Schüler konnten die lateinische Schrift nicht lesen, für die Dozentinnen eine ungewohnte Lage. "Es war eine chaotische Situation damals", sagt Klepo. "Jeder Lehrer musste sich selbst helfen."

Für die Deutschlehrer war die Situation aber nicht nur schwierig, es waren auch schlicht zu wenige da. Um schnell möglichst vielen Menschen Zugang zu dem Beruf zu ermöglichen, hat das BAMF deshalb im Oktober 2015 eine Ausnahmeregelung für die Kursleiter geschaffen. "Personen, die für eine Zulassung als Integrationskurslehrkraft zunächst eine Zusatzqualifizierung nachweisen mussten, durften auch ohne Absolvieren dieser Zusatzqualifizierung im Integrationskurs unterrichten", heißt es von Seiten des Ministeriums.

Mehr Qualifikation und mehr Geld

Die Regelung galt zunächst bis Ende 2016, wer bis dahin als Integrationslehrer tätig wurde, konnte bis Ende 2017 verlängern. Um den Job zusätzlich attraktiver zu machen, hat das BAMF im Juli 2016 die Bezahlung für Integrationslehrer von 23 auf 35 Euro pro Unterrichtseinheit angehoben. Die Chance, eine solche Zusatzqualifizierung zu absolvieren, haben damals viele Menschen genutzt, sagt Willing von der Volkshochschule. So haben etwa Germanisten oder Sprachlehrer anderer Sprachen entschieden, Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten.

"Die Attraktivität ist nicht nur durch die gelockerten Zulassungen entstanden, sondern auch durch die höhere Bezahlung", sagt Klepo von Hilfe von Mensch zu Mensch. Dazu kam der soziale Aspekt, die Menschen kamen in Deutschland an, ohne alles, teilweise traumatisiert, es musste einfach dringend jemand die Geflüchteten unterrichten.

März 2018. Die Situation hat sich umgekehrt, das BAMF sieht die Zahl der zugelassenen Lehrkräfte für Integrationskurse mit Ausnahme einiger regionaler Engpässe als "an sich ausreichend". Dazu kommt noch eine andere Entwicklung. Ivana Miletic bemerkt sie in den Integrationskursen, die sie bei der Organisation Hilfe von Mensch zu Mensch unterrichtet: Die Zahl der Kursteilnehmer sinkt.

2015 habe es eine Flut an Schülern gegeben, sie habe manchmal 30 Anmeldungen für einen Integrationskurs gehabt. "Jetzt ist es eher andersherum", sagt Miletic. Es mangele an Teilnehmern. Vor Kurzem musste sie einen Kurs verschieben, sie hatte nur vier Anmeldungen, sagt Miletic. Bis jetzt sei aber nur die Anzahl an Teilnehmern gesunken, nicht die Anzahl an Kursen. So ist es auch an der Volkshochschule, sagt Willing: Das Kursangebot an der Volkshochschule sei seit 2015 um 30 Prozent gestiegen, auch heute sei es noch auf diesem hohen Niveau.

Tatsächlich ist die Zahl der in München untergebrachten Flüchtlinge gesunken. Während Ende Dezember 2015 Angaben der Stadt München zufolge noch knapp 14 000 Geflüchtete in Unterkünften im Stadtgebiet lebten, lag die Zahl im Juni 2017 nur noch bei etwa 8000 Menschen. Vergleiche mit absoluten Zahlen von Flüchtlingen liegen der Stadt zwar derzeit nicht vor, die Zahlen seien aber als Zeichen der gesunkenen Flüchtlingszahlen zu verstehen, so die Stadt München.

Nun werden Lehrer für Alphabetisierungskurse gesucht

Mehr Lehrer, weniger Flüchtlinge - wie es für die Integrationslehrer weitergeht, ist offen. Die Lehrer seien Freiberufler und haben meist noch andere Auftraggeber, sagt Schuster: Wenn in einem Bereich die Nachfrage zurückgehe, suchen sie sich ein anderes Beschäftigungsfeld. Und zumindest in den Alphabetisierungskursen, in denen Migranten vor dem Integrationskurs die lateinische Schrift lernen, ist der Bedarf an Lehrern weiterhin groß.

Integrationslehrer dürfen deshalb vom BAMF aus ohne extra Qualifizierung unterrichten. Wie sich der Bedarf hier entwickelt, lässt sich aber genauso wenig sagen wie bei den Integrationskursen. Denn: "Das kann man leider nicht steuern", sagt Integrationslehrerin Miletic.

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