Insolvenz der Münchner "Abendzeitung":"Bitterer Augenblick"

Zeitungskiosk in München, 1950

Ein Bild aus besseren Zeiten: Ein Zeitungsverkäufer verkauft 1950 einem Kunden die Abendzeitung

(Foto: SZ Photo)

Die Münchner "Abendzeitung" muss Insolvenz anmelden. Verleger Johannes Friedmann macht im SZ-Gespräch "sinkende Anzeigenerlöse, sinkende Leserzahlen, immense Druckkosten" für die schlechte Situation verantwortlich.

Von Claudia Fromme

Die Münchner Abendzeitung hat Insolvenz angemeldet. 66 Jahre nach Gründung der liberalen Boulevardzeitung hat der Geschäftsführer am Mittwochmorgen beim Amtsgericht München einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Eigentümer der Abendzeitung, die Münchner Verlegerfamilie Friedmann, sah sich nicht mehr in der Lage, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, teilte der Verlag am Nachmittag mit. Seit 2001 hätten sich die Verluste auf etwa 70 Millionen Euro summiert, das Jahr 2013 endete mit einem Minus von etwa zehn Millionen.

Nachdem die Aussichten für 2014 keine Besserung versprachen, sah sich die Familie Friedmann, die auch 18,75 Prozent am Süddeutschen Verlag (Süddeutsche Zeitung) hält, außerstande, weiter in den Verlag zu investieren.

Verkaufserlöse dienten dem Verlustausgleich

Alles Geld aus Verkäufen, etwa des alten Verlagshauses in der Münchner Innenstadt oder der Nürnberger Ausgabe der AZ, habe dem Verlustausgleich gedient, sagte Johannes Friedmann der SZ. Darüber hinaus habe die Familie Friedmann viele Millionen in den Verlag eingelegt, um die Verluste aufzufangen. Er habe sich mit seiner Mutter Anneliese und seiner Schwester Anemone, die gemeinsam den Verlag besitzen, ausführlich und in Abwägung aller Folgen beraten. In Anbetracht der Aussichten habe man beschlossen, keine weiteren Mittel zur Verfügung zu stellen. Als er am Mittwochnachmittag die Entscheidung in der Redaktion bekanntgab, sprach er von einem "bitteren Augenblick für sich und seine Familie".

Als Gründe für die schlechte Situation der Abendzeitung nannte Friedmann der SZ drei Aspekte: "sinkende Anzeigenerlöse, sinkende Leserzahlen, immense Druckkosten". Seit Jahren habe man sich nach Partnern umgesehen, doch aus kartellrechtlichen Gründen seien viele Interessenten nicht in Frage gekommen. Man hoffe natürlich, sagt Friedmann, dass die Insolvenz nicht das Ende der Abendzeitung bedeutet, selbstverständlich "würde meine Familie jede Lösung bevorzugen, bei der die Abendzeitung weiter existieren könnte". Das weitere Erscheinen der AZ sei aber zunächst gesichert, teilte der Verlag am Mittwoch mit.

300.000 verkaufte Exemplare zu Spitzenzeiten

Die Abendzeitung ist eine der traditionsreichsten Boulevardzeitungen Deutschlands. Erstmals erschien sie am 16. Juni 1948 in einer Auflage von 50.000 Stück. Damals hatte Werner Friedmann, der Mann der jetzigen Verlegerin Anneliese Friedmann und Vater von Johannes Friedmann, von den amerikanischen Besatzungsmächten eine Lizenz bekommen.

Zu Spitzenzeiten verkaufte das Blatt 300.000 Exemplare, heute sind es nur noch 105.000. In den vergangenen Jahren wurde mehrfach gekürzt und Personal abgebaut. Im Jahr 2010 musste Chefredakteur Arno Makowsky einem Viertel seiner Redaktion kündigen, die fortan mit 40 Redakteuren weitermachte und in den vergangenen Monaten durchaus Erfolge auch mit ihrem Internetauftritt verzeichnen konnte.

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