Münchner Innenstadt:Polizei will gegen Bettlerbanden vorgehen

Betteln in der Vorweihnachtszeit

Sie kommen eigens zum Geldsammeln in die Stadt: Die Zahl der Bettler in München ist laut KVR deutlich angestiegen.

(Foto: dpa)

Im Frühsommer waren es 40, inzwischen sind es 100: Bettler, die eigens zum Geldsammeln in die Innenstadt von München kommen. Oft werden sie von Hintermännern zu ihrem Job gezwungen. Polizei und Ordnungsamt wollen nun einschreiten.

Von Dominik Hutter

Sie sind in der Innenstadt nicht mehr zu übersehen: Bettler, die sich mit flehender Miene auf ihren Krückstock stützen oder offen ihre Behinderungen zur Schau stellen. Und die zu Gruppen gehören, die eigens zum Geldsammeln nach München gekarrt wurden. Rund 40 gehörten noch im Frühsommer zum Straßenbild, schätzt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle - inzwischen sei ihre Zahl auf 100 angestiegen.

Aus Sicht der Ordnungsbehörde wird es Zeit einzugreifen: Gewerbsmäßiges oder auch aggressives Betteln soll innerhalb des Altstadtrings sowie im südlichen Bahnhofsviertel verboten sein. Wer hingegen passiv am Straßenrand sitzt, darf auch weiterhin seinen Kaffeebecher zum Sammeln aufstellen. Vorausgesetzt, er bettelt nur für sich selbst.

Von Hintermännern zum Betteln gezwungen

Diese Abgrenzung dürfte vor allem für die Polizei nicht ganz einfach vorzunehmen sein. "Wir können oft nicht nachweisen, dass eine Organisation dahinter steht", berichtet Polizeisprecher Wolfgang Behr. Denn verwertbare Aussagen gibt es von den Bettlern selbst nur ganz selten. Obwohl sie, wie die Polizei mutmaßt, sehr oft von Hintermännern zu ihrem unangenehmen Job gezwungen werden.

Das erbettelte Geld werde später ganz oder teilweise von anderen einkassiert - sei es, weil den Betroffenen der Ausweis abgenommen wurde oder weil sie irgendwelche echten oder vermeintlichen Schulden abstottern sollen. Um diese Hintermänner geht es dem Kreisverwaltungsreferat vor allem, berichtet Blume-Beyerle. Was da vor aller Augen am Straßenrand passiert, sei oftmals Nötigung und möglicherweise sogar schon Menschenhandel.

Nach Informationen der Polizei stammen die gewerbsmäßigen Bettler zumeist aus den armen Staaten Osteuropas und werden von Schleppern nach München gebracht - gerne mit falschen Versprechungen, auf eine Arbeitsstelle in der Gastronomie etwa. Oft stammen ganze Gruppen aus ein- und demselben Dorf in der Slowakei oder Rumänien. Nachts werden die Bettler immer wieder beim wilden Campieren irgendwo im Stadtgebiet aufgegriffen, berichtet Behr.

Dass Blume-Beyerle nun aktiv wird, liegt an dem enormen Wachstum der Bettel-Branche - und daran, dass sich immer mehr Münchner belästigt fühlen. Viele Bettler stellen sich Passanten in den Weg, zupfen aggressiv am Ärmel oder nehmen eine sehr fordernde Haltung ein. Blume-Beyerle will deshalb gezielt nur die aggressiven Geldeinsammler und eben die gewerbsmäßig organisierten Gruppen aus der Innenstadt verbannen. Wer einfach mit dem Hut am Straßenrand seinen Lebensunterhalt aufbessert, soll dies auch weiterhin tun dürfen - mit Ausnahme der Fußgängerzone, wo ohnehin per Satzung ein komplettes Bettelverbot herrscht.

Das Instrument, mit dem der Kreisverwaltungsreferent die Bettler vertreiben will, nennt sich Allgemeinverfügung - eine Anordnung, die der Sicherheitschef im Interesse der öffentlichen Ordnung auch ohne Beschluss des Stadtrats erlassen kann. Details will Blume-Beyerle am kommenden Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Polizeivizepräsident Robert Kopp vorstellen. Denn juristisch ist die Sache knifflig: Streng genommen sind aggressives und gewerbsmäßiges Betteln auch jetzt schon nicht erlaubt. Die neue Regelung soll es der Polizei erleichtern, Platzverweise auszusprechen und im Ernstfall auch durchzusetzen. Die Allgemeinverfügung tritt noch im August oder Anfang September in Kraft, der Text muss erst im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Sozialpolitisch ist der Bettel-Bann heikel, das weiß auch Blume-Beyerle. Denn natürlich trifft die Regelung nicht nur die Schlepper, sondern auch die zumeist sehr armen Eingeschleusten. Zudem ist, da macht sich der Ordnungschef keine Illusionen, vor allem eine Verdrängung in andere Stadtviertel oder Städte zu erwarten, das Problem werde also nicht wirklich gelöst. Bislang allerdings habe es keinen Widerstand gegeben.

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