Innenstadt:Diese Geschäfte sind aus der Stadt verschwunden

Der eine macht zu, der nächste auf: München wandelt sich so stark, dass man sich kaum mehr erinnert, wo früher welcher Laden war.

Von SZ-Autoren

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Quelle: Alessandra Schellnegger

Innenstädte langweilen manchmal furchtbar. In so manchen Städten sagt einem nur das Straßenschild, wo man gerade flaniert. Blickt man um sich, könnte man gerade in der Münchner Kaufingerstraße stehen, aber genauso gut in der Mönckebergstraße in Hamburg oder auf der Zeil in Frankfurt am Main. Die zwei üblichen Filialen des großen schwedischen Modekonzerns strahlen einem entgegen, selbstverständlich auch eine Filiale des spanischen Konkurrenten, die Parfümeriekette aus Düsseldorf und die Handyshops mit dem pinken Logo.

Immer mehr solcher Filialisten ziehen in München in die ersten Reihen ein, dabei ist doch gerade diese Stadt so stolz auf ihre Geschäfte, die seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten verkaufen. Das Kaufhaus Ludwig Beck am Marienplatz etwa wirbt mit der Marke "seit 1861", das Schreibwarengeschäft Kaut-Bullinger in der Rosenstraße rühmt sich mit der Jahreszahl 1794, auch das Spanische Fruchthaus im Ruffinihaus am Rindermarkt gehört zur Riege der Alteingesessenen. Diese Läden sind es, an die sich Besucher erinnern, doch die es auch immer schwerer haben, sich gegen die großen internationalen Ketten zu behaupten. In der Sendlinger Straße sind in den vergangenen zehn Jahren in 62 Läden andere Mieter eingezogen, also in fast drei Viertel aller Geschäfte dort. Die Filialisten machen heute einen Anteil von 78 Prozent aus, vor zehn Jahren besetzten sie immerhin erst etwa die Hälfte. Auch in der Residenzstraße haben sich in den vergangenen zehn Jahren 16 Läden verändert, in der Theatinerstraße waren es ebenso viele. Die Zentren der deutschen Großstädte werden sich immer ähnlicher.

Ist der Schriftzug über der Tür erst einmal ausgetauscht, erinnert man sich manchmal kaum mehr daran, welcher Laden vormals an gleicher Stelle residierte, auch wenn er viele Jahre bestand. Auch wenn man erst einmal bedauerte, dass wieder eines der alten Geschäfte schließt, sind die Läden dann doch schnell vergessen. Zeit also für einen Spaziergang durch die Innenstadt, zu den Läden, die verschwunden sind. Von denen sich die meisten in keiner anderen Großstadt fanden, nicht in der Mönckebergstraße und auch nicht auf der Zeil.

Pia Ratzesberger

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WOM, Kaufingerstraße 15

WOM-Filiale muss schließen, 2004

Quelle: Rumpf

Das Paradies für Musikfreaks sah von außen aus wie ein Bürohaus, aus dem unten links eine große Ecke herausgeschnitten war. In der Kaufingerstraße 15 fehlte ein Teil des Erdgeschosses, dafür führte dort eine lange Treppe nach unten in Münchens fantastischen Keller der Musik. Das Kürzel WOM stand für World of Music, es war nicht ein, sondern der Münchner Plattenladen. ("Platten", liebe Hipster-Kinder, sind im Prinzip dasselbe, was ihr heute auch wieder kauft. Allerdings ohne das Herumgetue mit 180 Gramm Vinyl zu Fantasiepreisen.) Das Besondere am WOM, der in München den größten Laden seiner nationalen Kette hatte, war, dass es dort einfach alles gab. In diesem riesigen, stickigen, immer zu warmen Keller fand der Popmusikfreund genau, was er suchte. Er war gut sortiert, vollständig, es gab kompetente Berater. Und man konnte sich jede Platte vor dem Kauf anhören - eine grandiose Errungenschaft, die auch nur zu schätzen weiß, wer Musik schon vor iTunes gekauft hat. Im Jahr 2004 verschwanden der WOM und das ganze Haus, mit ihm der Modeladen K&L Ruppert, auch so ein versunkener magischer Fußgängerzonenname. Benetton residiert nun hier in einem Neubau, K&L Ruppert ist in Riem, WOM existiert noch als Versandhandel. Die hohle Ecke mit der Treppe fehlt.

Frank Müller

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Eiselt Pelze, Theatinerstraße

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Quelle: Stephan Rumpf

Mit einem Nerz oder einem Persianer erkaufte man sich in den 50er Jahren noch Eleganz. Mondän wollte man wirken, wohlhabend, die neidischen Blicke der anderen spüren. Wer einen neuen Mantel erstehen wollte, konnte schon damals in die Theatinerstraße 7 gehen, zu Eiselt Pelze. Eiselt kleidete die Münchner über Jahrzehnte in Pelz ein, reparierte brüchige Felle, reinigte abgetragene Mäntel. Das Geschäft war schon da, als man den Pelz noch bewunderte, es war da, als ihm Verachtung entgegenschlug, und es war immer noch da, als man den Pelz auf den Straßen immer seltener sah. Im März dieses Jahres hat Albin Eiselt das Geschäft aufgegeben; der Pachtvertrag ist nicht verlängert worden, die spanische Modekette Mango plante sich in den Räumen zu vergrößern. Eiselt aber, zu dem Zeitpunkt 69Jahre, wollte sich ohnehin nicht an einen langen Vertrag binden, auch wenn er gerne noch ein wenig verkauft hätte und hinten in der Werkstatt genäht und geschnitten. Mehr als 100 Jahre hatte sich seine Familie dem Pelz verschrieben, er war die dritte Generation. Der Großvater von Albin Eiselt öffnete das erste Geschäft im Jahr 1906, damals hatte er womöglich noch mehr Konkurrenten. Mittlerweile nämlich finden sich kaum noch Kürschnereien in der Münchner Innenstadt.

Pia Ratzesberger

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Ethnographica Pfadenhauer, Hackenstraße

Karl Pfadenhauer, 2001

Quelle: RUMPF, STEPHAN

Den Sprung ins 21. Jahrhundert hat der kleine Laden mit den Zeugnissen fremder Kulturen ferner Kontinente noch geschafft, dann aber verliert sich seine Spur. Die Adresse von Ethnographica Pfadenhauer, Hackenstraße 4, findet sich noch in Verzeichnissen im Internet, doch auf Google Streetview von 2008 ist er nicht mehr zu sehen. Einige wenige Exponate eines Internetshops für afrikanische Kunst verweisen noch auf die Herkunft aus diesem Laden, der einst eine Tür zu einer anderen Welt eröffnete. Zugegeben, ein bisschen unheimlich wirkte der kleine Ausstellungsraum schon. Irgendwo aus dem Halbdunkel im hinteren Teil kam ein weißhaariger, bärtiger älterer Mann: Karl Pfadenhauer schaltete die Beleuchtung ein, damit der Besucher die etwa 500 alten Masken und Figuren von 150Ethnien aus Afrika und Ozeanien genauer betrachten konnte. Pfadenhauer war unaufdringlich und ließ auch jene staunen und schauen, die gar nichts kaufen wollten. Wer fragte, bekam detaillierte Auskünfte zu Herkunft und Verwendung, denn Pfadenhauer hat mehr als 40 Jahre lang die Welt bereist und sich mit der kultischen Bedeutung der Sammlerobjekte beschäftigt: "Die Evolution von Magie und Religion" heißt ein Buch, das er im Selbstverlag herausgebracht hat. Mehr ist nicht geblieben.

Sven Loerzer

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Confiserie Rottenhöfer, Residenzstraße

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Quelle: Stephan Rumpf

Es gibt diese Caféhäuser fern aller Moden nur noch selten. Die mit Porzellankännchen und Florentinern. Mit Plundergebäck und verspiegelten Sitzecken, in denen man sich auch in München ein wenig fühlt wie in der österreichischen Hauptstadt. Eines dieser Caféhäuser war die Confiserie Rottenhöfer in der Residenzstraße. Ein Herr namens Carl Rottenhöfer hatte die schon im Jahr 1825 gegründet, zunächst als kleines Geschäft. Nach dem Umzug in die Residenzstraße dreizehn Jahre später aber stieg die Confiserie bald zum königlich bayerischen Hoflieferanten auf und fabrizierte schon damals eigene Schokolade. Die Pralinen des Hauses waren bis zuletzt als mit die besten der Stadt bekannt. Die Besitzer hatten in den mehr als 180 Jahren immer wieder gewechselt, zwischenzeitlich gehörte das Café auch einmal dem Erfinder des Kaffee Hag, Ludwig Roselius aus Bremen. Das letzte Konditorenpaar, das die Confiserie von den eigenen Eltern übernommen hatte, musste das Geschäft vor drei Jahren aufgeben, aus gesundheitlichen Gründen. Ein Nachfolger fand sich nicht, zudem sei es auch schwer gewesen, allein das zu erwirtschaften, was die Miete in der Lage koste, hieß es damals. Wer sich heute nach Wiener Flair sehnt, muss ein paar Straßen weiter gehen, ins Café Luitpold.

Pia Ratzesberger

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Eder Moden, Viktualienmarkt

Modehaus Eder in München schließt, 2009

Quelle: Alessandra Schellnegger

Schon als Kind habe er die Logos auf die Strumpfpackungen geklebt, sagte Mattias Eder einmal. Der letzte Chef von Eder Moden war aufgewachsen mit dem Geschäft, das er später einmal führte. Eder Moden, das stand für Tradition, für Beratung, wie man sie bei den großen Ketten mit ihren so oft wechselnden Kollektionen kaum noch erfuhr. Eder Moden, das stand deshalb auch: für Stammkundschaft, die diese Beratung zu schätzen wusste. Früher sollen in dem Laden am Viktualienmarkt sogar die Damen des königlichen Hauses ein und aus gegangen sein. Joseph Max Eder und Anna Grabmair hatten das Geschäft im Oktober des Jahres 1887 gegründet, eine Woche zuvor hatten sie sich verlobt. Das Startkapital: 1000 Goldmark. Der Name: "Kurz-, Weiß- und Wollwarengeschäft", auch damals schon am Alten Peter. Der Laden wurde von einer Generation an die nächste weitergegeben, befand sich stets in Familienbesitz, in den 50er Jahren vergrößerte man sich mit einem weiteren Geschäft in der Theatinerstraße. Das musste 2002 schließen, auch wegen des Baus der Fünf Höfe, sieben Jahre später machte das Haupthaus am Viktualienmarkt zu. Als Grund nannte Mattias Eder die schlechte Wirtschaftslage, aber auch die fehlenden Erben.

Pia Ratzesberger

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Stempel Berger, Marienplatz

"Stempel Berger" in München geschlossen, 2012

Quelle: Stephan Rumpf

Der Laden wirkte zuletzt wie ein Museum seiner selbst - und auch der Stadt. Über 93 Jahre hinweg hatte "Stempel Berger" im Münchner Rathaus Tür- und Straßenschilder sowie Stempel gefertigt und verkauft. Auf knapp 24 Quadratmetern lagerten hier noch geradezu historische Stempelvorlagen etwa von Sigla-Sicherheitsglas, von bayerischen Wappen für Behörden, von Äskulap-Stäben für Apotheken oder von Münchner Kindln in allen Formen und Größen. Dazu hatte sich die Original-Einrichtung aus der Zeit der Geschäftsgründung erhalten: eine hölzerne, maßgefertigte Theke, rote Sessel, mit altrosa Tuch bespannte Trennwände. Der Laden im Rathaus ging auf Josef Berger zurück. Als er das Geschäft 1919 eröffnete, war die Monarchie gerade erst abgeschafft worden. Am Ende führte noch Edeltraud Schmidt den Laden. Doch als sie 2012 mit 84 Jahren starb, nach 65 Jahren hinter dem Tresen, da gab es keinen Nachfolger in ihrer Familie, der das Geschäft fortführen wollte. Und damit war die Geschichte des Ladens am Ende. Dabei hätte es den nötigen guten Willen zumindest in Schmidts Familie durchaus gegeben: Ihre Cousine Helga Kronthaler wollte zwar selbst nicht einspringen, hatte aber zwei Nachmieter aufgetrieben, die das Geschäft weiterführen wollten. Die Stadt aber blockte ab. Im Mietvertrag war geregelt gewesen, dass der Mieter Laden und Inventar zwar vererben, aber nicht einfach an einen Dritten weitergeben konnte. Die Stadt bestimmt, an wen sie die Räume im Rathaus vermietet. Und das Kommunalreferat hielt ein Stempel-Geschäft ohnehin nicht mehr für zeitgemäß. Ende Oktober 2012 schloss der Laden. Mittlerweile befindet sich dort eine Vorverkaufsstelle von München-Ticket.

Jakob Wetzel

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Lewandowski Korsetten, Sendlinger Straße

Dessousladen in München, 2015

Quelle: Stephan Rumpf

Geblieben ist nur das alte Schild: "Lewandowski Korsetten" steht darauf und darüber in Rot "seit 1885". Eine Dame mit kurzem lockigen Haar in sehr kurzem blauen Unterrock ist darauf zu sehen. Unter dem Schild ging es durch eine Tür ins kleine Reich von Adelinde Dilz. Fast 62 Jahre lang stand sie hinter der hölzernen Verkaufstheke, die gleichzeitig als Vitrine mit Unterwäsche diente. Hinter ihr stapelten sich durchsichtige Schachteln mit Damen-Strings und Slips und beige Kartons mit BHs aller Größen. Adelinde Dilz wusste, was Frauen - und auch Männer - wollten. Als in der Sendlinger Straße noch Prostituierte nach Freiern Ausschau hielten, kamen die Damen gerne mal in dem kleinen Dessousladen vorbei. Auch in der Schwulenszene war das Geschäft, das einst Dessous-Hoflieferant war, eine gute Adresse. Doch seit Juni 2015 ist der Laden am Sendlinger Tor verschwunden, Adelinde Dilz hörte mit 75 Jahren auf. Einen Nachfolger hätte sie durchaus gehabt, doch das benachbarte Café habe sich vergrößern wollen, was wohl auch dem Eigentümer ganz recht gewesen sei, sagte sie damals der SZ: "Alles verändert sich hier." Nur eines ist geblieben: Das kleine Schild mit der spärlich bekleideten Dame. Mittlerweile ist es schon eine Art Denkmal der alten Sendlinger Straße.

Thomas Anlauf

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Modehaus Maendler, Theatinerstraße

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Quelle: Robert Haas

Der Name mag verstaubt klingen, doch das Modehaus Maendler hatte sich in all den Jahren eigentlich immer gut an seine Zeit angepasst, viel mehr als andere. Es begann mit Josef Maendler, schon im Jahr 1811, er handelte mit Borten und Fransen. Den Laden in der Theatinerstraße gab es damals noch nicht, dort zog das Modehaus Maendler erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein und verlieh dem Gebäude von da an den Spitznamen "Maendler-Eck". Maendler versuchte stets modern zu sein, holte sich später die Kollektionen namhafter Designer und Modefirmen ins Haus, Alexander McQueen und Chloé, gründete einen Online-Shop und schickte Stammkunden ein Hausmagazin, auch baute er die Räume um, heller und weißer sollten sie sein. Doch trotz all der Mühe musste auch dieses Münchner Geschäft, das die Innenstadt so lange prägte, vor vier Jahren weichen. Maendler zog aus, die spanische Modekette Mango zog ein. Der Vermieter des Hauses, der Wittelsbacher Ausgleichsfonds, hatte Michael und Nicole Maendler den Mietvertrag nicht verlängert, zu deren großem Unmut, hatten sie doch so viel getan, um das Modehaus attraktiv zu halten. Nicole Maendler sagte damals, München habe mehr und mehr das Gesicht einer Kleinstadt. Es sehe aus, wie überall sonst eben auch.

Pia Ratzesberger

10 / 10

Kartoffelladen Greif, Schwanthalerstraße

Nürnberg: Kartoffel zum Verkauf auf dem Hauptmarkt

Quelle: Johannes Simon

Die alteingesessenen Geschäfte verschwinden nicht nur in der Innenstadt und auch nicht nur wegen der hohen Mieten. Manchmal ist der Grund schlicht: Ich habe keine Lust mehr, ich höre auf. Karl Greif zum Beispiel, der Kartoffelhändler aus dem Westend, manchen als "Kartoffel-König" bekannt, schloss seinen Verkauf vor zwei Jahren. Damals war er 84 Jahre alt, hatte fast 60 Jahre lang Kartoffeln und Gemüse in seinem Hinterhof in der Schwanthalerstraße verkauft. Am liebsten war ihm die Siglinde. Eine Salatkartoffel, festkochend. Von Montag bis zum Samstag kamen die Kunden in seinen Hof, um fünf Uhr war Karl Greif an diesen Tagen aufgestanden, war zum Großmarkt gefahren, damit er pünktlich um acht Uhr den Laden öffnen konnte. Das Geschäft hatte er von seiner Mutter übernommen, die zu Beginn ausschließlich Kartoffeln verkaufte, erst mit einem Pferdekarren, später mit einem Wagen. Der Sohn Karl war nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948, mit in den Verkauf eingestiegen; erst in den 60er Jahren aber erweiterten sie das Sortiment, boten auch Gemüse an. Die karge Nachkriegszeit war vorbei, die Menschen gaben mehr Geld aus. Nummer Eins blieben dennoch die Kartoffeln. Seine Frau Mathilde sagte einmal: "Ich wusste schon, dass ich die Kartoffeln mit heirate."

Pia Ratzesberger

© sz.de/kbl
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