Innenansicht:Söders Kunst für Betuchte

Meisterwerke als Staffage für Firmenfeiern: Was der Finanzminister in der Residenz plant, ist moderner Absolutismus mit Werken aus den Zeiten des frühen Absolutismus

Von Martin Bernstein

Dieser Rubens! Was für prachtvolle Schinken! Viel zu schade, um nur von ein paar stillen Kunstgenießern bestaunt zu werden - die Alte Pinakothek ließe sich doch gewinnbringend umwidmen zum Veranstaltungsort barocker Events. Und das Lenbachhaus erst: Eine Villa wie geschaffen für Veranstaltungen potenter Kundschaft - das einfache Volk hat schon genug blaue Pferde gesehen. Eine absurde Vorstellung? Ja. In der Münchner Residenz wird sie gerade Realität.

Dort eröffnet Finanzminister Markus Söder an diesem Mittwoch neue Säle mit den bedeutendsten Bildwerken der Zeit um 1600. Den bedeutendsten nicht etwa im Münchner Maßstab, sondern weltweit. Und dann lässt er die Säle zwei Monate später wieder zusperren. "Die Bronzesäle werden künftig als repräsentative Veranstaltungsräume zur Verfügung stehen", heißt es in der Einladung. "Auch können sie mehrmals im Jahr besichtigt werden." Na, das ist aber mal ein netter Zug: Dürfen Kunstfreunde aus aller Welt sogar mehrmals im Jahr in die Sammlung schauen! Zu viel der Gnade! Ein jährlicher Öffnungstag am 5. Januar, an Markus Söders Geburtstag, wäre doch Gunstbezeugung genug.

Aus finanzministerieller Sicht ist das Ganze vermutlich sogar irgendwie logisch: Im Vierschäftesaal und den angeschlossenen Räumen stehen künftig Millionenwerte herum. Die müssen doch genutzt werden. Zwischen 500 und 21 000 Euro kostet derzeit die Miete von Räumen und Sälen in der Residenz. Man darf gespannt sein, wie hoch der Wert der Bronzesäle taxiert wird. Oder sollen sie gar nicht vermietet, sondern nur von der Staatsregierung genutzt werden? Söder wird das sicher am Mittwoch erklären. Und dabei bestimmt auch etwas über sein Kunstverständnis sagen. Meisterwerke der Kunstgeschichte als edler Rahmen für "repräsentative Veranstaltungen"? Schnittchen und Schampus zwischen Hubert Gerhards Perseus und Hans Krumppers Tugendallegorien? Pomp und Smalltalk für wenige statt Kultur für alle? Und als demokratisches Feigenblatt vorher noch schnell zwei kostenlose Besichtigungsmonate. Moderner Absolutismus mit Meisterwerken aus den Zeiten des frühen Absolutismus - wenn das mal nicht konsequent ist.

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