Informationspolitik:Vollendete Tatsachen

Lesezeit: 2 min

Überall in der Region entstehen Quartiere für Flüchtlinge - nicht immer werden die Anwohner frühzeitig einbezogen

Abgestimmt

Nur keinen Bürger überrumpeln, hatte sich der parteifreie Taufkirchner Rathauschef Ullrich Sander vorgenommen. Er ließ sich daher mit der Entscheidung über einen geeigneten Standort für eine Asylbewerberunterkunft Zeit. Zwei Bürger-Informationsveranstaltungen und eine Bürgerbefragung später war der Gemeinderat allerdings auch nicht viel weiter gekommen. Denn von den etwa 19 000 Einwohnern beteiligten sich nur 179 an der Abstimmung über sieben mögliche Standorte. Repräsentativ war dies nicht, zumal sich offenbar nur Bürger beteiligten, die in der Nachbarschaft der vorgeschlagenen Grundstücke wohnen. Noch dazu musst der Bürgermeister wenig überrascht feststellen: "Die Leute haben sich alle für Standorte ausgesprochen, die möglichst weit weg von ihrer Wohnung sind." Der Gemeinderat hat sich dann auf ein Areal auf den "Kegelfeldern" verständigt, die Verhandlungen mit den Eigentümern sind aber gescheitert.

Mitsprache unerwünscht

Wie Porzellan ohne Not zerschlagen werden kann, zeigt die Diskussion über eine Unterkunft für 200 Flüchtlinge an der Thalhoferstraße am Harthof im Münchner Norden. Selbst die unmittelbaren Nachbarn der geplanten dreigeschossigen Containerbauten erfuhren erst einmal nicht, warum auf dem städtischen Grundstück vor ihrer Haustür vermessen wurde. Dass eine echte Mitsprache sowieso nicht vorgesehen sei, bestätigte dann die Vorstellung der Pläne im Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart vor wenigen Tagen durch Behördenvertreter. Vom Vorbringen konkreter Vorschläge ließen sich die Nachbarn dennoch nicht abhalten - zum Beispiel hatten sie die Anregung, den Hauptzugang zu den Riegelbauten von der engen Thalhofer- in die Rathenaustraße zu verlegen.

Perfekt organisiert

Am Montag um 12.04 Uhr erhielt der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) die E-Mail der Regierung von Oberbayern. Noch am selben Tag sollte der Landkreis die Dreifachturnhalle des Vaterstettener Humboldt-Gymnasiums als Notunterkunft für 200 Flüchtlinge bereitstellen. Augenblicklich wurde das in Trockenübungen erprobte Krisenmanagement in Gang gesetzt, um alle zu informieren: Schule, Elternbeirat, Vereine, Nachbarn, die Kreisklinik, die Gemeinde, Helferkreise, Sicherheitsdienst, THW und Rotes Kreuz. Um 22 Uhr standen in der Halle 200 Betten, das Essen war organisiert, Sozialpädagogen und Sicherheitsdienst gebucht. Selbst die Bürger konnten direkt informiert werden, weil der Landrat dazu die zufällig stattfindende Bürgerversammlung nutzte. Warum alles so unaufgeregt klappen konnte? "Transparenz ist das wichtigste", sagt Niedergesäß. Bereits im November hatte er eine Bürgerversammlung einberufen, um die Vaterstettener zu informieren, dass die Turnhalle Teil des Winternotfallplans ist.

Gespalten

Gegen die Notunterkunft für 200 Menschen im ehemaligen Siemens-Bürokomplex an der Richard-Strauss-Straße haben die Bogenhauser nichts. Dass die Stadt an der Max-Proebstl-Straße in Daglfing, wo schon 130 Flüchtlinge leben, zusätzlich Container mit 300 Plätzen aufstellt, akzeptieren die Nachbarn ebenfalls. Widerstand formiert sich aber gegen den Standort am Schimmelweg in Daglfing. 2016 sollen 200 Flüchtlinge in eine Fertigbau-Unterkunft einziehen - "einfach eine Zumutung", sagte eine Anwohnerin im Bezirksausschuss (BA). Unterschriften wurden gesammelt, ein Alternativ-Standort nahe der Autobahn A 94 ins Gespräch gebracht. Jetzt fordern Nachbarn, die Zahl der Plätze zu reduzieren. 50 bis 60 Flüchtlinge könne man im Viertel integrieren.

Überrumpelt

Der Schock der Anwohner war Anfang Oktober 2014 groß. 68 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren in einem zum Hotel umgebauten Bürobau Am Söldnermoos in Hallbergmoos eingezogen. Und keiner in der Gemeinde war vorab informiert worden - auch das Rathaus nicht. Dementsprechend emotional ging es in der nächsten Gemeinderatssitzung zu. Von der Situation waren damals alle überrascht: Das Münchner Jugendamt wusste zu dem Zeitpunkt weder ein noch aus, so viele Flüchtlinge kamen neu an. Dass alles tatsächlich als Hauruck-Aktion abgelaufen sei, gab das Jugendamt in der Sitzung zu. "Das Hotel in Hallbergmoos war für uns ein Glücksfall". Ausführlich wurden also erst drei Wochen nach Einzug die Bürger über den Sachstand informiert. Inzwischen hat sich die Lage entspannt, obwohl dort inzwischen mehr als 100 Flüchtlinge leben.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: