In Familienbesitz:Der Mix der Bücherstadt

Wirtschaftsgeschichte-9

In den Fünfzigern wirbt Hanser mit Klassiker-Editionen.

(Foto: Hase/dpa)

Mehrgleisigkeit verhilft dem Hanser Verlag zum Erfolg

Piper, Langen, Oldenbourg, C.H.Beck, Hugendubel: Als der 27-jährige Carl Hanser 1928 seinen Verlag gründet - mitten hinein in die Bücherkrise der späten Zwanzigerjahre - ist München längst eine Stadt der Verlage, eine Bücherstadt - und die Stadt der aufkommenden Nazi-Bewegung. Doch Hanser findet Wege, sich durchzusetzen: gegen die Widrigkeiten der Gründungsjahre, gegen NS-Gleichschaltung, gegen die großen Verlagsgruppen auf dem internationalen Büchermarkt zwischen 1945 und heute. 1928 bringt der Carl Hanser Verlag, München, Karlstraße 49, seinen ersten Roman auf den Markt: "Die Liebe des Nikolai Pereslegin" von Fedor Stupin, 320 Seiten. Doch die eigentliche Strategie des gelernten Buchhändlers heißt Mehrgleisigkeit. Neben Belletristik setzt Hanser auf eine Sachzeitschrift mit festem Abonnentenkreis. An einem Blatt für Betriebstechnik erwirbt er Anteile und übernimmt die zugehörige Verlagsgesellschaft nach wenigen Jahren komplett. Doch die Konkurrenz ist enorm: Mehr als 170 Verlage, Riesen ihrer Zeit und Zwerge, tummeln sich in der Stadt. Hinter Berlin und Leipzig ist München auf Platz drei der deutschen Buchstädte vorgerückt. "Einen weiteren Verlag zu gründen, bedurfte einer gehörige Portion Optimismus", schreibt Reinhard Wittmann in seiner Verlagsgeschichte zum 75. Firmenjubiläum im Jahr 2003.

Als die Nazis die Macht ergreifen, stellt Hanser sein wenige Werke umfassendes Belletristik-Sortiment ein. Hanser kann so heute auch im Gegensatz zu anderen Münchner Verlagen nicht der Vorwurf gemacht werden, NS-Propaganda verlegt zu haben. Gleichwohl sichert der Verlag während des Krieges sein Überleben dadurch, Zeitschriften und Bücher herauszugeben, die sich ausschließlich mit Metallverarbeitung beschäftigen, bedeutsam für die Rüstungsindustrie. Nach dem Krieg knüpft Hanser an den ursprünglichen Mix an: Fachliteratur neben Belletristik.

Der seit 1940 in Bogenhausen ansässige Verlag hat 1960 erstmals einen Literatur- Nobelpreisträger im Programm, den Franzosen Saint-John Perse. Es folgen 15 weitere. Auch der Fachverlag wächst. 1985 stirbt Carl Hanser. Der Verlag ist bis heute in Familienbesitz. Dies unterscheidet ihn von fast allen anderen in der Bücherstadt München der Gegenwart.

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