Immobilienmarkt in München:Mieterhöhung - auf fast das Doppelte

Immobilienmarkt in München: Insgesamt 16 Parteien leben in dem Altbau aus dem Jahr 1897. Die Mieterhöhungen können sich viele überhaupt nicht leisten.

Insgesamt 16 Parteien leben in dem Altbau aus dem Jahr 1897. Die Mieterhöhungen können sich viele überhaupt nicht leisten.

Der Mietwahnsinn in München geht weiter: In einem heruntergekommenen Wohnhaus in der Isarvorstadt haben die Bewohner deftige Mieterhöhungen erhalten. Eine 80-Jährige soll nun statt 672 Euro 1118 Euro zahlen. Der Hausbesitzer kann die Aufregung nicht verstehen.

Von Ellen Draxel

Gisela Schauer wohnt in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Reifenstuelstraße. Seit 25 Jahren. Eigentlich wollte die Schneidermeisterin hier ihren Lebensabend verbringen. Doch nun hat die 80-Jährige Angst. Angst, die Miete nicht mehr bezahlen zu können. Wie ihr ergeht es fast allen im Haus. Über Weihnachten erreichte die Bewohner eine Modernisierungsankündigung, die den meisten seitdem schlaflose Nächte bereitet. Angekündigt ist eine extreme Mieterhöhung. "Ich zahle momentan 672 Euro kalt", sagt Schauer. Die neue Forderung über 1118 Euro kann sie nicht begleichen, "ich habe nur knapp 1200 Euro Rente".

16 Parteien leben in dem Altbau von 1897. Menschen, die wenig verdienen, die mit einer geringen Rente trotz der hohen Münchner Lebenshaltungskosten auskommen müssen. Bislang konnten sie es sich leisten, in der Innenstadt zu bleiben, weil das Gebäude jahrzehntelang nicht modernisiert wurde und sich die Mieten deshalb nur marginal erhöhten. Weil sie, wenn es etwas zu reparieren gab, viel selbst machten.

Max Egerer beispielsweise hat in seine Wohnung ein Bad eingebaut, eine Toilette installiert und sich neue Fenster und eine neue Heizung geleistet. "Wir wehren uns mit Händen und Füßen gegen diese Mieterhöhung", sagt er. Mit seiner Familie lebt der 74-Jährige seit 40 Jahren hier, es gibt aber auch Nachbarn, die das Haus seit ihrer Kindheit bewohnen und mittlerweile über 80 sind. "Solche Menschen kann man nicht mehr verpflanzen", findet Jutta Döring. Sie koordiniert die Interessen von 14 Mietparteien.

Geschickt hat die Modernisierungsankündigung der neue Eigentümer des Hauses, Ingo Gerschlauer. Im Januar 2012 hat der Makler das Gebäude erworben und kurz danach eine Mieterhöhung von 20 Prozent eingefordert. "Das Haus ist in einem furchtbaren Zustand, erst vor kurzem hat es durch das Dach geregnet." Gerschlauer will den Bau in drei Etappen sanieren und modernisieren und die Kosten mit einem Anteil von jeweils elf Prozent auf die jährlichen Mieten umlegen.

Laut Paragraf 559 des BGB darf er das. In einem ersten Bauabschnitt von April bis August ist die energetische Sanierung geplant: die Dämmung, der Einbau neuer Fenster und der Austausch sämtlicher Wohnungs- und Hauseingangstüren. Später sollen eine Zentralheizung, ein Aufzug, Gegensprechanlagen und Brandmelder eingebaut werden. Vorgesehen ist außerdem der Ausbau des Dachgeschosses. Doch viele Hausbewohner können nicht mal den ersten Schritt finanzieren.

Der Mieterverein befürchtet eine gezielte Mietervertreibung; Gerschlauer hat den Bewohnern angeboten, zu denselben Mietkosten, die sie jetzt für ihre großen Wohnungen zahlen, in kleinere Wohnungen umzuziehen. "Er will die großen Wohnungen teilen und nur Ein- oder Zwei-Zimmer-Appartements oder Maisonette-Wohnungen schaffen", sagt Egerer. Bei dem 74-Jährigen soll ein Zimmer wegfallen, auch bei Gisela Schauer "möchte er aus dieser großen Wohnung zwei machen", erzählt sie.

"Das macht die alten Menschen völlig fertig"

"Gerschlauer schweben Wohnungsteilungen vor, die kann er dann teurer vermieten", vermutet Günther Rieger vom Mieterverein. Der Mietspiegel bei kleineren Wohnungen sei deutlich höher. Einen Antrag zum Umbau hat der Eigentümer bereits eingereicht. Für den Bezirksausschuss Isarvorstadt deuten sowohl die geplanten Maisonette-Wohnungen als auch die beantragte Größe der Balkone auf eine Luxussanierung hin. Auf jeden Fall aber der vorgesehene Ausbau des Dachgeschosses - das derzeitige Appartement umfasst 50 Quadratmeter, entstehen soll eine 210 Quadratmeter große Wohnung.

Gerschlauer dagegen versteht die Unterteilung der Wohnungen als Chance. "Aus Rücksicht auf die Mieter, die sich die größeren Wohnungen nicht leisten können, habe ich extra neue Pläne eingereicht." So könnten alle Bewohner im Haus eine bezahlbare Wohnung beziehen. Derzeit bezahlten drei Viertel der Mieter einen Quadratmeterpreis zwischen 3,50 und fünf Euro. "Später würden die Leute dann in einem sanierten Haus wohnen, immer noch supergünstig." In den Bauabschnitten zwei und drei komme "nicht mehr so furchtbar viel" an Kosten dazu, weil die Stadt für die energetische Sanierung, sofern sie konsequent umgesetzt wird, einen Zuschuss von 150. 000 Euro gewähre.

Von Vertreibung oder gar Luxussanierung zu sprechen, zumal in einem Erhaltungssatzungsgebiet, sei "absoluter Blödsinn", meint Gerschlauer. "Ich möchte die Wohnungen nicht verkaufen, ich will, dass die Leute in dem Haus bleiben können."

Die Mieter aber fühlen sich unter Druck gesetzt. "Er ist dauernd da, will, dass die Leute in Pensionen oder Container umziehen, solange er umbaut", sagt Egerer. "Das macht die alten Menschen völlig fertig", meint Döring. "Die stehen das nervlich nicht mehr durch." Mindestens 70 Prozent der Bewohner, schätzt Döring, sind Härtefälle. Sie müssen nach Ansicht des Mietervereins und der Anwaltskanzlei Paproth Metzler und Partner, die einen Teil der Mieter vertritt, die Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht dulden.

Die Juristen haben folglich der Mieterhöhung widersprochen. "Ich habe mir wirklich im Interesse meiner Mieter den Kopf zerbrochen und Mehrkosten in Kauf genommen", entgegnet Gerschlauer. Doch seine Bemühungen um einvernehmliche Lösungen seien von den Anwälten "boykottiert oder verzögert" worden. Die Fronten sind verhärtet. "Das wird auf einen langen Prozess rauslaufen", sagt Gerschlauer.

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