Immobilienmarkt in München:Wo goldene Wasserhähne locken

Thierschstraße

Wer im Dachgeschoss dieses Hauses im Lehel wohnen will, muss knapp 19.000 Euro pro Quadratmeter zahlen.

(Foto: Jakob Berr)

Eine Wohnung für 18.000 Euro pro Quadratmeter? Mit einer historisierenden, edlen Badewanne? Kein Problem. Der Immobilienmarkt in München schlägt inzwischen aberwitzige Kapriolen. Vor allem in der Innenstadt.

Von Katja Riedel

Das Interieur mutet herrschaftlich an: Aufs Schönste poliert sind die denkmalgeschützten Dielen des Treppenhauses, und die historisierende, edle Badewanne des Luxusbadezimmers verbindet das Hier und Jetzt mit der Gründerzeit. Die Thierschstraße 4, ganz nah am Isartor gelegen und Baujahr 1894, ist auf dem Markt. Für rund 10.000 Euro den Quadratmeter ist die bezugsfertige Beletage zu haben, und wer im Dachgeschoss eine Wohnung erwerben möchte, muss für einen Quadratmeter noch mehr hinblättern: stolze 18.750 Euro. Macht knapp 2,25 Millionen Euro für 120 Quadratmeter.

Solch ein Preis ist selbst in München alles andere als alltäglich, sagt Stephan Kippes, der für das Marktforschungsinstitut des IVD halbjährlich den Münchner Immobilien- und Mietmarkt analysiert. "Es passieren schon ungewöhnliche Dinge, aber nicht jeden Tag", sagt Kippes. Ausreißer nach oben gibt es jedoch immer häufiger, besonders im Luxussegment. Noch vor zwei Jahren stand der Turm "The Seven", das umgebaute Heizkraftwerk im Gärtnerplatzviertel, mit mehr als 20.000 Euro pro Quadratmeter noch recht allein da - nun versuchen sich auch andere an dieser Marke. Der Makler Mueller und Englisch bietet eine Drei-Zimmer-Penthouse-Wohnung in der Nähe der Oper derzeit für 17.200 Euro pro Quadratmeter an, und Duken und Wangenheim etwa inseriert eine Gartenwohnung im Lehel für rund 16.000 Euro pro Quadratmeter.

Kippes vom IVD hat errechnet, dass die durchschnittlichen Immobilienpreise von 2009 bis 2012 um fast 22 Prozent gestiegen sind. Und derzeit ist kein Ende des Runs in Sicht auf alles, was vier Wände und ein Dach hat. Denn die Finanzkrise hat Anleger so verunsichert, dass sie in vermeintlich sichere Werte flüchten - und nichts empfinden diejenigen, die um ihr Geld bangen, als so verlässlich wie Mauerwerk.

Die Folge: Das Angebot ist knapp - und die Preise steigen. "Uns Maklern geht es im Moment wie Spargelbauern zur Spargelzeit - alle wollen die schönsten Spargel, aber es ist eine magere Ernte", sagt Nicolai Schneider über den leer gefegten Münchner Markt. Schneider ist Makler bei Gerschlauer, einem der größeren Münchner Büros. Er hat neben anderen hochpreisigen Immobilien auch die Thierschstraße 4 im Angebot.

Dachsanierung per Hubschrauber

Noch gehört das Gebäude einem Privatier, und der saniert nun denkmalgerecht und aufwendig Wohnung für Wohnung, mit historischen Fenstern, Parkett, Türstöcken. Im Dachgeschoss, das nicht ausgebaut war, wird das alte Dach per Hubschrauber weggenommen und neu aufgebaut. Das habe seinen Preis. "Wir haben zudem eine sehr, sehr gute Lage und ein äußerst knappes Gut, einen Altbau mit Denkmalschutz", sagt Schneider. Das wolle der Privatier "retten und am Leben erhalten". Und dafür habe er schon Kaufinteressenten.

Wer Goldene Wasserhähne wolle, bekomme sie, sagt der Makler. Für die alten Mieter, die noch mit Elektroöfen und schmalen Bädern in einigen Etagen leben, habe man angesichts eher günstiger Mieten nicht teuer sanieren können; sie mit unlauteren Mitteln zu vertreiben, halte er aber für unmenschlich und geschäftsschädigend, sagt Schneider: "Wir setzen auf natürliche Fluktuation." Und das kann durch Ersatzwohnungen und Abfindungen von mehreren Zehntausend Euro manchmal ganz schnell gehen.

In der Tat werden in Isarnähe, ob im Lehel oder Gärtnerplatzviertel, wie in allen Innenstadtlagen immer mehr durchschnittliche Wohnungen in gehobene oder gar Luxus-Wohnlagen umgewandelt. Amtliche Statistiken können diese Aufwertung kaum noch in Zahlen fassen und hinken hinterher, so auch der Bericht zur Wohnungssituation, den die Stadt in dieser Woche vorgestellt hat, und der auf Zahlen von 2010 und 11 basiert.

Die Entwicklung auf dem Kaufmarkt kann auch Mietern nicht egal sein, heißt es darin: Denn der Anlagemarkt nehme inzwischen die Mieten "in die Zange", auch wenn sie noch sanfter steigen als die Kaufpreise. "Vor allem in den teuersten Stadtteilen Münchens geht der Anstieg der Wohnungspreise mit dem Zuzug eines zahlungskräftigen Klientels einher", schreibt das Internetportal "Immowelt". In Schwabing, Haidhausen, Bogenhausen oder der Au seien die Preise um 30 Prozent innerhalb eines Jahres gestiegen.

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