Immobilien:Wohnen statt parken

Immobilien: Die Baustelle für eine Tiefgarage am Josephsplatz.

Die Baustelle für eine Tiefgarage am Josephsplatz.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein Parkplatz pro neugebauter Wohnung: Eine Vorschrift der Stadt München treibt Immobilienpreise in die Höhe. Dabei ist der Bedarf an Auto-Stellplätzen offenbar gar nicht so groß. Berlin und Hamburg gehen längst andere Wege.

Von Thomas Anlauf

Weniger Parkplätze bedeuten mehr Wohnungen in München. Was kurios klingt, ist eine simple Rechnung: Mit einer Lockerung der städtischen Stellplatzsatzung könnten Bauherren viel Geld sparen und in weitere Immobilien investieren. Sie müssten nicht mehr pro Wohnung einen Stellplatz bauen, der oft gar nicht gebraucht wird. Insbesondere im sozial geförderten Wohnungsbau haben die städtische Wohnungsgesellschaft GWG und das Planungsreferat festgestellt, dass der Stellplatzschlüssel viel zu hoch angesetzt ist. Ende des Jahres will Stadtbaurätin Elisabeth Merk ein Papier vorlegen, in dem der Schlüssel auf voraussichtlich 0,5 bis 0,6 Stellplätze je geförderter Wohnung reduziert wird.

Stellplätze in Tiefgaragen sind für Immobilienunternehmen ein enormer Kostenfaktor. Bei einem Quartier mit 100 Wohnungen müssen 100 Plätze vorhanden sein. Sollte die Stadt ihre Satzung ändern und nur noch einen Schlüssel von 0,5 ansetzen, hätte das Unternehmen etwa eine Million Euro gespart. Die GWG hat deshalb in Abstimmung mit dem Planungsreferat zweimal GWG-Mieter im Hasenbergl und Harthof befragt, ob sie ihre Stellplätze überhaupt benötigen. "Es ergab eine Auslastung von 0,5 pro Wohnung", sagt GWG-Prokurist Armin Hagen, der für die Hausbewirtschaftung zuständig ist. Der Grund ist einleuchtend: Wer in einer sozial geförderten Wohnung lebt, kann sich oft kein Auto leisten. Außerdem sei der Altersdurchschnitt in GWG-Wohnungen relativ hoch, so Hagen. Viele Senioren hätten ihre Autos abgeschafft. Diese Beobachtung haben auch andere Wohnungsunternehmen gemacht.

Am Stellplatzschlüssel drehen

Hans-Otto Kraus, der nicht nur GWG-Chef, sondern auch Vorsitzender der Vereinigung Münchener Wohnungsunternehmen ist, hat die 52 Mitglieder des Vereins befragt. "Die Kollegen sagen, dass ein Stellplatzschlüssel von 0,5 vollkommen ausreicht", sagte Kraus der SZ. Er habe deshalb bei der Stadt angeregt, das Thema aufzugreifen und sei dort "auf offene Ohren gestoßen".

Die SPD und die Grünen im Stadtrat wollen am Stellplatzschlüssel drehen. Die Grünen fordern, beim geförderten Wohnungsbau generell die Anzahl der vorgeschriebenen Stellplätze zu halbieren, bei Wohnungen in zentraler Lage und guter Anbindung an Verkehrsmittel könnte der Schlüssel sogar auf 0,3 gesenkt werden. Gleiches soll für Genossenschaften in der Innenstadt gelten, außerhalb könnte der Index von 1,0 auf 0,7 reduziert werden, finden die Stadtratsgrünen. "Beim geförderten Wohnungsbau sehe ich gute Chancen, dass sich etwas tut", sagt Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher.

Die Forderungen der SPD gehen hingegen längst nicht so weit. Zwar sollen im geförderten Wohnungsbau, bei besonderen Modellprojekten wie autofreien Wohnanlagen und in verkehrsmäßig günstig gelegenen Wohnquartieren "Reduzierungen des Stellplatzschlüssels zugelassen werden können", wie SPD-Stadtrat Christian Amlong in einem Antrag schreibt. Allerdings solle vermieden werden, dass die Leute stattdessen auf der Straße parken. "Wir wollen wissen, wie viele Stellplätze ganz konkret im sozialen Wohnungsbau gebraucht werden", so Amlong.

Die Nachfrage nach Stellplätzen ist hoch

"Wir arbeiten derzeit an einem ausgewogenen Plan", sagt der Sprecher des Planungsreferats, Thorsten Vogel. Ob es in der neuen Beschlussvorlage des Planungsreferats einen großen Wurf geben wird, ist aber fraglich. Die CSU hält nicht viel von einer Lockerung der Stellplatzklausel, die SPD zögert. Andere Großstädte gehen längst andere Wege. In Berlin wurde die Stellplatzsatzung bereits in den Neunzigerjahren abgeschafft, seit 1. Januar gibt es auch in Hamburg keine Stellplatzpflicht mehr. "Das ist bei Weitem nicht das einzige, aber ein wesentliches wohnungspolitisches Instrument", sagt Magnus-Sebastian Kutz, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg.

In der Vergangenheit habe es mehrere Wohnungsbauprojekte gegeben, die an den hohen Kosten für Stellplätze gescheitert seien. Der neue Senat habe nun dafür gesorgt, dass dort, wo kein Bedarf an Stellplätzen sei, auch keine Tiefgarage gebaut werden müsse. Auf die Parkplatzsituation in Hamburg habe der Wegfall der Stellplatzpflicht "ohnehin keine Auswirkungen", so Behördensprecher Kutz. In der teuren Innenstadt würden Bauherren wohl auch künftig den Bewohnern Stellplätze anbieten, das sei eine Sache von Angebot und Nachfrage.

In München, wo Ende 2013 knapp 768 000 Kraftfahrzeuge, davon 665 000 Pkw, gemeldet waren, ist die Nachfrage an Stellplätzen natürlich hoch. Auch deshalb setzt die Stadt auf Parklizenzgebiete, damit Anwohner leichter einen Parkplatz in der Nähe der Wohnung finden. Grünen-Stadtrat Bickelbacher hält die Lizenzgebühren allerdings für viel zu niedrig, um die Münchner dazu zu bewegen, ganz aufs Auto zu verzichten. Und GWG-Prokurist Hagen hat eine interessante Beobachtung gemacht: In vielen Tiefgaragen der Wohnungsgesellschaft parken oft auch teure Autos mit Saisonkennzeichen. Sozialhilfeempfängern dürften die kaum gehören.

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