Immobilien-Branding:Namen machen Häuser

MO 82, H2O, Friends, NY.Living, Kap West - längst gehört in München das Immobilien-Branding zum guten Ton. Mitunter siegt die große Sprachgeste über die architektonische Realität. Werbefachmann Wolfgang Schuhmann erklärt den Sinn dieser Marketingstrategie

interview Von Jutta Czeguhn

88 North, Hybrid M, MY.O., MO 82, H2O, Friends, NY.Living, Kap West, Arabeska, Nove, Camee, Isarbelle, Karree Monte Venezia, Sendlinger Freiheit, Refugio, Hofgärten - in einer Stadt wie München lässt sich diese Liste mehr oder weniger raffinierter Gebäudenamen munter fortsetzen. In der Straße XY, Hausnummer so und so zu wohnen, das möchten die Bauherrn ihren Kunden - zumindest bis zum Abschluss des Kaufvertrages - nicht länger zumuten. Auch bei Immobilienprojekten zählt die Verpackung, Namen machen unverwechselbar, sind Ausdruck von Lifestyle. Dieses "Branding" ist mittlerweile üblicher Bestandteil des Immobilien-Marketings. Wolfgang Schuhmann von der Agentur Connecting.Art gehört zu jenen, die an solchen Produktnamen feilen. Ein Gespräch über Anglizismen, Stilblüten, Käuferträume und die Vergänglichkeit von Marken.

SZ: Ohne konkrete Namen zu nennen, es drängt sich zuweilen der Eindruck auf, einfallslose Architektur müsse durch besonders pompöse Namensgebungen aufgewertet werden.

Wolfgang Schuhmann: Das ist sicherlich auch bisweilen der Fall, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber letztlich hat auch ein weniger schönes Auto einen Namen, nicht wahr?

Wozu braucht es diese Namen überhaupt?

Ganz grundsätzlich denke ich, wenn man eine Immobilie vermarktet, dann sollte sie auch einen Namen haben. Dieser ist aber nur ein Baustein im Immobilienbranding und -marketing. So muss der Name auch grafisch in einem Logo hochwertig umgesetzt werden. Wenn das billig gemacht ist, geht der Schuss nach hinten los. Eine Leitidee, die konsequent weitergeführt wird, etwa auch in 3-D-Visualisierungen, das ist es, was Immobilienbranding ausmacht.

Ist es kreativ oder nicht einfach abstrus, wenn ein Mehr-Parteien-Haus in der Großvenedigerstraße in Berg am Laim als "Karree Monte Venezia" beworben wird? Auch schicke, kryptische Anglizismen sind offenbar schwer in Mode.

Bisweilen wird schon etwas mit fremdsprachlichen Wortkreationen und Anglizismen übertrieben. Wenn ich ein internationales Publikum ansprechen will, hat das seine Berechtigung, aber bei einem Mehrfamilienhaus in einer eher ländlichen Gegend würde ich davon abraten. Grundsätzlich sollte ein Name nichts versprechen, was die Immobilie nicht leisten kann. Er sollte die Zielgruppe abholen, wie es so schön heißt: Will ich beispielsweise eine Familie ansprechen, die sich etwas mit Garten vorstellt, oder Singles, die ein cooles Apartment kaufen wollen?

Immobilien-Branding: Die künftigen Bewohner der beiden "Friends"-Türme an der Friedenheimer Brücke treffen sich laut Werbefilm in sogenannten Shared Spaces.

Die künftigen Bewohner der beiden "Friends"-Türme an der Friedenheimer Brücke treffen sich laut Werbefilm in sogenannten Shared Spaces.

(Foto: Catherina Hess)

Wie muss man sich denn den Geburtsvorgang eines solchen Immobilienbrandings vorstellen?

Der klassische Weg ist, dass der Bauträger bei uns anruft, weil er die Baugenehmigung bekommen hat. Dann setzt man sich zusammen, wir versuchen herauszukitzeln, was die Besonderheiten des Objektes sind. Das kann zum Beispiel die Architektur sein, besondere bauliche Qualitäten, das Wohn- und Raumkonzept oder die Lage. Gibt es Bezugspunkte, Baudenkmäler in der Umgebung, gibt es bei Bestandsbauten eine Geschichte, eine frühere Nutzung, auf die man Bezug nehmen kann?

Sind das kreative Prozesse am grünen Tisch im Büro?

Wir schauen uns auch die Bauplätze an, fahren herum, lassen uns inspirieren. Manchmal geht das sehr schnell, manchmal geht man einige Tage schwanger mit einer Idee.

In München scheint es auch plötzlich viele "Höfe", Gärten" und "Tore" zu geben.

Natürlich ist da eine gewisse Inflation dieser Begriffe. Wir haben auch schon "Höfe" entwickelt. Aber es gibt eben Hunderte von Bauprojekten und die deutsche Sprache gibt nicht so viele Worte her, die tatsächlich treffend sind. Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Stilblüten herauskommen, weil man sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen will. Wichtig ist, dass sich der Käufer unter dem Begriff etwas vorstellen kann. Wenn es einen Hof gibt, ist der Name völlig in Ordnung, wenn es Bäume gibt, hat ein "Park" im Namen seine Berechtigung. Und "Karree" ist ein schöner Begriff, aber einen Rundbau sollte man nicht so nennen.

Viele dieser Gebäude-Namen verflüchtigen sich erstaunlich rasch aus dem Bewusstsein der Bewohner, sobald sie eingezogen sind. . .

Das stimmt in den meisten Fällen. Wenn es um Wohnbau-Objekte geht, sind das Projektnamen, die dazu dienen, beim Käufer eine Vorstellung zu kreieren und das Marketing zu unterstützen. In den seltensten Fällen entstehen Marken, die dauerhaft Bestand haben. Sobald der Bauträger oder die Projektgesellschaft die Immobilie verkauft hat, besteht an der Marke kein Interesse mehr. Mich persönlich wundert das. Warum reservieren sich Bauträger nicht im Eingangsbereich einen Platz für ein Schild, das den Namen trägt? Das ist doch eine tolle Referenz. In anderen Ländern ist das durchaus üblich.

Immobilien-Branding: Wolfgang Schuhmann betreibt seit dem Jahr 2000 zusammen mit Katja Herrle das Büro Connecting.Art. Sie sind spezialisiert auf Immobilienvermarktung.

Wolfgang Schuhmann betreibt seit dem Jahr 2000 zusammen mit Katja Herrle das Büro Connecting.Art. Sie sind spezialisiert auf Immobilienvermarktung.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Zu den zehn Prozent der Gebäudenamen, die überdauern, könnten die "Friends-Towers" am Birketweg gehören.

Ja, wenn ein Objekt wie in diesem Fall eine gewisse Größe, eine strategische Lage, ein eigenes Wohnkonzept und zudem eine außergewöhnliche Architektur hat, sollte das überdauern. Den Auftritt finde ich sehr gelungen.

. . . oder die "Fünf Höfe"?

Das ist wieder eine andere Geschichte. Bei Gewerbeimmobilien stellt sich die Sache nämlich ganz anders dar. Da geht es darum, die Marke permanent zu pflegen. Der Name soll in den Köpfen der Leute bleiben, zu einer Adresse werden, ein Renommee darstellen, für das die Mieter dann bereit sind, einen entsprechenden Preis zu zahlen.

Vielleicht verschwinden die Namen von Wohnimmobilien auch deshalb so schnell wieder, weil im Großraum München noch nicht einmal die absonderlichsten Gebäudebezeichnungen jemanden abhalten würden, sich eine Wohnung zu kaufen? Wozu also der Werbeaufwand, wenn den Bauträgern eh alles aus den Händen gerissen wird?

Das stimmt für einen extremen Immobilienmarkt wie München dann, wenn die Preise im "mittleren" Marktpreissegment liegen oder eher als günstig wahrgenommen werden. Doch bei 9000 Euro pro Quadratmeter aufwärts wird die Luft schon etwas dünner, und der Bauträger muss in solchen Fällen seine Argumente in seiner Präsentation transportieren, damit der Käufer noch das Träumen anfängt. Ein Bauträger, der zum Beispiel Deckenhöhen von 2,85 Meter statt 2,45 Meter anbietet, hat beträchtliche Mehrkosten und muss über die Außendarstellung punkten, um entsprechend höhere Preise am Markt erzielen zu können.

Können Sie einen Gebäudenamen nennen, der Ihnen besonders gefällt?

Tatsächlich kann ich mir Namen nicht sehr gut merken. Darum mag ich einfache Namen sehr gerne. "Fünf Höfe" finde ich sehr gelungen, obwohl ich nicht nachgezählt habe, ob es auch wirklich fünf sind. Es gilt: Je einfacher, desto besser.

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