Immobilien in München:Betrügerin prellt Mieter - festgenommen wird sie nicht

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Manuel Wiegand hat inzwischen einen netten Vermieter gefunden, der ihm wirklich eine Wohnung vermietet hat. (Foto: Robert Haas)
  • Eine Betrügerin bietet in München Mietwohnungen im Internet an und verabredet Besichtigungstermine mit Interessenten.
  • Die Wohnungen gehören der Frau nicht, sie kassiert die Kaution und taucht dann unter.
  • Obwohl sie den Behörden bekannt ist, wird sie nicht festgenommen.

Von Thomas Schmidt

Die erste eigene Wohnung, davon hat Manuel Wiegand geträumt. Mit 20 Jahren schloss er seine Ausbildung zum Fachinformatiker ab, jetzt wollte er aus seinem Elternhaus ausziehen und sich in München eine eigene Existenz aufbauen. Sie musste nicht groß sein, die erste Wohnung, auch nicht besonders schick und erst recht nicht teuer. Hauptsache etwas Eigenes. Im Internet, auf Immobilienscout24, suchte er nach passenden Anzeigen. Dann fand er diese: 42 Quadratmeter, Einbauküche, Balkon, 680 Euro warm. Er bewarb sich - und geriet so in die Fänge einer Betrügern.

Die Frau mit den langen, schwarzen Haaren ist Ende 30 und hat mit dieser Masche schon Dutzenden Münchnern Zehntausende Euro gestohlen. Die Behörden wissen seit etlichen Monaten von ihren kriminellen Machenschaften. Gestoppt wurde sie trotzdem nicht.

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Heute ärgert sich Manuel Wiegand, dass er auf die Frau hereingefallen ist, aber "sie wirkte sehr überzeugend", sagt er. Und der inzwischen 21-Jährige ist beileibe nicht der einzige, der sich von ihr blenden ließ. Die Masche ist immer dieselbe: Die Betrügerin bietet Mietwohnungen im Internet an und verabredet Besichtigungstermine mit Interessenten. Die Wohnungen gehören ihr nicht, sie nutzt mindestens drei Adressen von Bekannten in Sendling, Moosach und Allach und gibt sich dann als Inhaberin aus. Ob die wahren Bewohner wissen, was gespielt wird, müssen die Ermittler erst noch klären.

Ende September 2017 besichtigt Wiegand das noch bewohnte Einzimmerappartement, das er im Internet gefunden hat. "Die Frau erzählte mir, dass dies ihre erste Wohnung war, die sie gekauft hat, als sie noch jung war. Dass sie sich das Geld dafür vom Munde abgespart hätte", erinnert sich Wiegand. Alles Lügen. Während er eine Selbstauskunft ausfüllt, warnt ihn die angebliche Eigentümerin noch, dass vielleicht die Polizei klingeln könnte, weil ihr aktueller Mieter so oft schwarz gefahren sei. Offenbar ahnt sie längst, dass die Behörden hinter ihr her sind. Doch die Klingel bleibt stumm.

Den Betrug erkennt Wiegand erst nach Wochen

Ein paar Tage später unterzeichnen beide einen Mietvertrag. Die Betrügerin verlangt 2000 Euro Kaution. Wiegand ist skeptisch, hakt nach, zahlt aber doch in bar und lässt es sich quittieren. Ein Fehler.

Es dauert Wochen, bis Wiegand den Betrug schließlich erkennt. Ende Oktober braucht er die Nummer des Stromzählers und klingelt an der Tür der Wohnung, von der er glaubt, dass es bald seine ist. Ein Mann öffnet. Nein, er ziehe nicht aus, sagt der Mann. Den Schlüssel habe er der Frau nur gegeben, damit sie den Briefkasten leeren könne, wenn er nicht da ist. Tür zu.

Noch am selben Abend erstattet Wiegand Anzeige bei der Polizei. Er hat zwar einen unterschriebenen Mietvertrag, aber keine Wohnung. Und keine 2000 Euro mehr. Als der Polizist den Namen der Betrügerin in den Computer eingibt, erhascht Wiegand einen kurzen Blick auf den Bildschirm. Er sieht eine ganze Reihe von Einträgen mit dem Namen der Frau. Inzwischen weiß er, es gibt Dutzende Opfer wie ihn.

"Die Dame ist bestens bekannt", bestätigt ein Sprecher der Polizei. Ihr Name, die Telefonnummer, Meldeadresse und Vorgehensweise: alles säuberlich dokumentiert. Warum man sie dann nicht längst festgenommen habe? Tja, die Angelegenheit liege bei der Staatsanwaltschaft.

Seit vier Monaten liegen die Anklagen beim Amtsgericht

Auch dort ist die Serienbetrügerin seit Langem bekannt. Bereits Anfang Februar klagte die Staatsanwaltschaft 17 Fälle des Wohnungsbetrugs vor dem Amtsgericht an, kurz darauf reichte sie acht weitere Fälle nach. Der finanzielle Schaden für die Opfer ist enorm. Allein bei diesen 25 Fällen summiert er sich auf knapp 50 000 Euro, bestätigt Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl. Auf den Schreibtischen der Behörde liegen noch zehn weitere Fälle, an deren Anklage derzeit gearbeitet wird. Der Schaden diesmal: 18 920 Euro. "Die Sachbearbeiterin sagt, sie weiß von der Polizei, dass noch weitere Fälle hinzukommen", sagt Bäumler-Hösl.

Die Frau, die mutmaßlich für all das verantwortlich ist, hat bereits mehrere Vorstrafen. Allein schon deswegen ist sie den Behörden namentlich bekannt. Dennoch wurde sie bis heute nicht festgenommen. Seit nunmehr vier Monaten liegen die Anklagen beim Amtsgericht. Man habe die Dokumente der Beschuldigten nicht zustellen können, begründet ein Gerichtssprecher die Verzögerung. Das Schreiben sei als unzustellbar zurückgekommen. Wie es nun weitergehe? Das dürfe er nicht sagen.

Während die Monate verstrichen, machte die Mietbetrügerin ungerührt weiter. Die - vorerst - jüngste bekannte Tat datiert auf den 22. April 2018. Doch laut Angaben der Staatsanwaltschaft hat noch immer kein Richter einen Haftbefehl erlassen. "Wir prüfen noch Haftgründe", sagt Oberstaatsanwältin Bäumler-Hösl, "in Betracht kommt zum Beispiel Wiederholungsgefahr."

"Ich bin enttäuscht von der Münchner Justiz", sagt Manuel Wiegand. "Die Frau macht einfach immer weiter." Auch wenn sein Geld vermutlich verloren sei, so habe er doch zumindest eine kleine Entschädigung, sagt Wiegand. "Ich habe inzwischen eine andere Wohnung gefunden. Die ist viel schöner. Und der Vermieter ist super."

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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