Il Borgo:Kein Buona-Sera-Schwabing

Italienisches Restaurant in München, 2008

Italiener mit viel Flair: Das "Il Borgo" in der Georgenstrasse.

(Foto: cath)

Mit seinen Antipasti, Nudelgerichten und Thunfisch-Tatar unterscheidet sich das Restaurant "Il Borgo" von den kulinarisch dürftigen Pseudo-Italienern in Westschwabing.

Felix Mostrich

Wenn es irgendwo in München eine erfreulich unprätentiöse Version des Italieners an der Ecke gibt, dann an der Ecke Georgenstraße/Winzererstraße. Das Lokal IL BORGO existiert dort schon seit 18 Jahren, doch von den kulinarisch dürftigen Italo-Kultstätten Westschwabings hat sich das Borgo immer deutlich unterschieden.

Dafür trafen sich dort Deutsche, die aus beruflichen Gründen in Italien leben, mit der italienischen Küche also einschlägige Erfahrung haben und darum im pseudoitalienisch durchkolonisierten Buona-Sera-Schwabing kulinarisch nicht heimisch wurden. Im Borgo haben sie etwas von dem wiedergefunden, was sie in Italien schätzen gelernt haben: mit Sorgfalt und Phantasie zubereitete einfache Speisen aus guten Materialien - und das zu angemessenen Preisen.

Antipasti und Nudelgerichte kosten im Durchschnitt 11 Euro, wobei Paste auch in kleinen Portionen zu haben sind. Bei Fleisch-Hauptgängen muss man mit durchschnittlich 18, bei Fisch mit 20 Euro rechnen.

Thunfisch-Tatar wird inzwischen fast überall angeboten. Im Borgo wird der geschabte rohe Fisch vergleichsweise großbrockig serviert, was das Kauvergnügen durchaus erhöht. Das rosige Fleisch ist in Kegelform auf hauchdünne Zucchini-Scheibchen - "Carpaccio!" - gebettet; zur Delikatesse wird es aber erst durch das markante Olivenöl, durch herzhafte Kapern und die darübergemahlenen Meersalzkristalle, die zwischen den Zähnen zersplittern und den Geschmack der umgebenden Teile explodieren lassen.

Eine besonders ergiebige Variante zum Thema Carpaccio hat sich der Borgo-Koch mit Reh einfallen lassen: Er hat einen Rehrücken im Ganzen roh mit Balsamico-Rosmarin-Dressing mariniert, hauchdünn aufgeschnitten und mit Waldbeeren serviert - herrlich!

Natürlich werden Pastasorten im Borgo täglich frisch hergestellt. Nur so bekommen die Nudeln jene locker-feste Konsistenz, die mit saucig-cremigen Substanzen intensive Gemeinschaften eingeht. Der Name der jeweiligen Pasta ist dabei ganz und gar unerheblich; die Form aber beeinflusst den Genuss durchaus. Hocharomatische, schwere Saucen wie Wildschwein- oder Lammragout - im Borgo wird das genüsslich zelebriert - kombiniert man am wirkungsvollsten mit großflächigen Nudeln wie Fettuccine oder Maltagliati.

Feinere Sugos auf Fisch-, Gemüse- und Tomatenbasis kommen am besten bei dünnen, feinziselierten Nudelformen zur Geltung. Den höchsten Rang unter den Pasta-Gerichten müssen wir aber den mit Ziegenricotta gefüllten, fast transparenten Ravioli zuerkennen, denen eine feinwürzige Sauce mit gebratenen Artischockenscheiben ihre Sonderklasse gibt.

Bei Fisch bemüht man sich im Borgo um eine dem Material angemessene Zubereitungsart. So wird ein großer Branzino nicht portioniert und einzeln verbraten, sondern für zwei Personen im Ganzen gekocht, der Länge nach halbiert, filetiert, mit der Haut auf Olivenöl gelegt und ausschließlich mit Meersalz abgeschmeckt - purer lässt sich Fisch nicht genießen.

Oder die Zuppa di Pesce: In der fast klaren, essenzartig verdichteten Suppe schwimmen nicht die zerkrümelten Reste von anderswo verwerteten Fischen herum, sondern schöne Brocken von edlem Meeresgetier wie Coda di Rospo, Lachs und Baby-Calamari.

Enttäuscht waren wir an unseren Testtagen eigentlich nur von einem Fleischgericht: Kalbsleber, wenn sie, wie meist auch in Italien, rosig zart gebraten wird, kann hinreißend sein. An unserem Besuchstag wurde sie aber nicht auf "venezianische Art" zubereitet, sondern, laut Karte, nach "aglio-olio"-Art, was einige Rätsel aufgab, die dünnen Leberscheiben jedenfalls lederartig erstarren ließ und um allen Eigengeschmack brachte.

Kenner des italienischen Weins werden beim Studium der sorgfältig sortierten Weinkarte im Borgo anerkennend mit der Zunge schnalzen. Das Cuvée aus den beiden friaulischen Weißweinsorten Ribolla Gialla und Tocai friulano, das die Kellerei Tunella anbietet, ist eine Entdeckung wert (33 Euro).

Und wenn man sich von den Betreibern des Lokals nach Süden in ihre Heimat, in die unterschätzte Weinregion Basilicata locken lässt, wird man nicht nur den Aglianico del Vulture, einen der kraftvollsten und eigenwilligsten Rotweine Italiens, entdecken, sondern auch Weißweine, die mehr Individualität besitzen als viele der kühl neutralen Modeprodukte, mit denen Italien derzeit Erfolg hat.

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