Ideen und Erfindungen:Die Denkfabrik

Im Forschungs- und Innovationszentrum von BMW entwickeln 10000 Ingenieure die Autos von übermorgen

Otto Fritscher

Dass bei BMW auch U-Boote gebaut werden, ist selbst Kennern der Automobilszene oft unbekannt. Diese U-Boote tauchen in der Tat selten auf -meistens verschwinden sie wieder in den Weiten des Universums, das in diesem Fall FIZ heißt. Denn U-Boote werden im Forschungs- und Innovationszentrum von BMW Projekte genannt, die unter größter Geheimhaltung von kleinen Teams entwickelt werden. Nicht einmal die Bereichsleiter oder gar der Vorstand wissen Bescheid, worüber die Ingenieure grübeln.

Sie haben die Freiheit, Ideen auch ohne offiziellen Auftrag ihrer Chefs weiterzudenken, wenn es ihnen sinnvoll erscheint. ,,Innovationen entstehen nicht zufällig, sondern durch die richtige Kombination aus Kreativität und Mut'', sagt Burkhart Göschel, im BMW-Vorstand für Entwicklung und Einkauf zuständig. Das erfordere persönliche, betriebswirtschaftliche und technische Freiräume.

Ohne diesen Freiraum gäbe es vielleicht keinen 3er touring. Denn die Kombi-Variante des Bestsellers ging Mitte der achtziger Jahre auf die Eigeninitiative eines Ingenieurs zurück - in einer Zeit, als Kombis als total unsportlich und damit als völlig unpassend zur Marke BMW galten. Er stellte das Fahrzeug, versehen mit einer Heckklappe von VW, vor das Hochhaus und präsentierte es dem damaligen Vorstand Eberhard von Kuenheim. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

,,Diese Freiheit braucht man, um immer wieder Innovationen zu finden, neu zu bewerten, weiterzuentwickeln und die besten Ideen dann in einem Auto auf den Markt zu bringen'', sagt Martin Ertl, der bei BMW in der Abteilung Innovationsmanagement arbeitet. Sein Job ist es, Trends zu erkennen und zwar jenseits der Welt eines Autobauers. ,,Wir haben ein Trendnetzwerk um die ganze Welt'', sagt er. ,,Unsere Leute haben beim I-Pod von Apple sofort die Finger gehoben'', sagt er. BMW habe dann sogleich eine Integrationslösung ins Auto angeboten.

Schneller und schlanker

Innovationsführer zu sein - das ist der Auftrag, an dem zirka 10000 Menschen im FIZ arbeiten. 8000 von ihnen im so genannten Kern-FIZ, das vor fast genau 20 Jahren als damals erste integrierte Denkfabrik eines Autobauers eingeweiht wurde, und knapp 2000 im ,,Projekthaus'', das vor zwei Jahren dazukam. Die Grundidee: alle Abteilungen, die an der Entstehung eines Autos beteiligt sind, räumlich zusammenzubringen, um die Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern und so den Entwicklungsprozess schlanker und schneller zu machen.

Einer, bei dem es immer schnell gehen muss, ist Jochen Töpker. Der Diplom-Ingenieur ist Gruppenleiter im ,,Rapid Prototyping Technologie-Center''. Sein Job ist es, Ideen für bestimmte Bauteile Gestalt zu geben, und zwar so schnell wie möglich; Rapid Prototyping heißt das dann eben.

Die Denkfabrik

Früher wurde dazu Modellbauer herangezogen, bei komplexen Teilen dauerte es Wochen, bis eine Komponente, sei es eine Türverkleidung oder ein Kühler, zum Anfassen und händischen Begreifen aus der virtuellen Realität des PCs herausgewachsen war. Töpker kann das mit Hilfe eines Laser-Sintern genannten Verfahrens in Stunden oder Tagen.

BMW ist Töpkers erster Arbeitgeber, die Münchner haben ihn noch während seines Studiums an der TH Aachen engagiert. ,,Teamgeist und Begeisterungsfähigkeit'' nennt Töpker als die herausragenden Eigenschaften der Mannschaft im FIZ.

Eine junge Mannschaft, das Durchschnittsalter im Entwicklungsbereich beträgt 34 Jahre. Und wer erst mal in den wabenartigen Strukturen des FIZ mit seinen endlosen Gängen zurechtfindet, bleibt erstmal hier. Die Fluktuationsrate ist mit 2,4 Prozent deutlich geringer als in anderen Branchen.

2,4 Milliarden Euro hat BMW im vergangenen Jahr an Forschungs- und Entwicklungskosten aufgewendet, Tendenz steigend. Denn die Technologie, die in Autos der Premium-Klasse, wie BMW sagt, zu finden ist, wird immer komplexer. Was auch räumlich im FIZ sichtbar ist.

Ein Gruppenraum im alten FIZ hat eine Größe von 400 Quadratmetern und bot damit allen an einer Entwicklung beteiligten Mitarbeitern Platz für Besprechungen und Präsentationen. Heute besteht ein Team aus 250 Personen, die sich im neuen Projekthaus auf 1500 Quadratmetern ausbreiten können.

Das Studio mit einer 21 Meter breiten Leinwand und fünf Drehtellern, auf denen Autos präsentiert werden können, ist das Herz des Projekthauses. Drumherum sind die Büros angeordnet, es gibt spezielle Sichtachsen und Brücken innerhalb des Gebäudes, auf denen Autos geparkt werden können. Der Zweck: So hat jeder am Projekt Beteiligte das Auto stets im Blick.

Wie lange Ingenieure mit einer Idee oder einer Entwicklung schwanger gehen, ist sehr unterschiedlich. Im Durchschnitt dauert es zwei bis drei Jahre, bis eine Innovation in die Serienproduktion einfließt. Es kann aber auch sehr viel länger sein: Am Thema Wasserstoffantrieb ist BMW seit mehr als 20 Jahren dran, erst demnächst werden die ersten Wasserstoff-Autos an handverlesene Kunden verteilt.

Die Liste der Innovationen, die im FIZ entstanden, ist lang: der erste deutsche Zwölfzylinder-Auto der Nachkriegszeit (1987), das erste integrierte Navigationssystem in Europa (1994), das erste Auto mit Xenon-Licht weltweit (1994), das erste Auto mit integrierten Online-Diensten (2001), das Kurvenlicht (2003).

Bis zu 500 Innovationen denken sich die kreativen Köpfe im FIZ pro Jahr aus. Wobei es Ideen von höchst unterschiedlicher Komplexität sein können, von einer kleinen Änderung einer bestehenden Komponente bis zu einem völlig neuen System.

Die meisten eingereichten Ideen verlassen allerdings das FIZ nie: In der Regel werden 30 bis 50 Ideen vom Vorstand für markttauglich befunden und dann tatsächlich umgesetzt. Ein bis zwei Jahre später können sie dann in einem Auto zu finden sein. Wobei BMW schon vorgeworfen wurde, zu technikverliebt zu sein. Nicht alles, was machbar ist, wird von den Autofahrern goutiert, wie etwa die wieder in Vergessenheit geratene Hinterachslenkung.

Wie eine kleine Stadt

Wie entsteht eine Erfindung? Selten so, wie man sich das bei Daniel Düsentrieb vorstellt: ,,Eine Innovation ist meist kein Geistesblitz, sondern der Prozess langwieriger Arbeit mit neuen Techniken oder mit neuen Werkstoffen'', sagt Manfred Grunert. In der Kleinstadt FIZ ist - wie man dies bei BMW auch vermuten kann - der Bereich Motorenentwicklung der größte. Nicht weniger wichtig sind aber das Reich von Chef-Designer Chris Bangle, das Ergonomielabor, der Windkanal oder die Hörsäle der Fahrzeug-Akustiker, und viele andere.

Das FIZ ist wie ein Mikrokosmos, der wächst. Was die vielen Baukräne, die um den bestehenden Komplex herum in den Himmel ragen, deutlich machen. Sp entsteht im Umgriff gerade das neue IT-Zentrum von BMW. ,,München und BMW sind im Lauf der Jahre einfach zusammengewachsen und deshalb gehört auch unser Forschungs- und Innovationszentrum hierher'', sagt Vorstand Göschel.

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