Hygieneverstöße in Gaststätten:Schmutzige Geheimnisse

Mäuse in der Küche, vergammeltes Fleisch, versiffte Arbeitsgeräte: Seit September werden Hygieneverstöße in bayerischen Gaststätten im Internet veröffentlicht. Es finden sich bereits zahlreiche Einträge. Betroffene wehren sich.

Melanie Staudinger

Ausbildungsslokal "Roecklplatz" in München, 2011

Wenn die Kontrolleure in der Küche gröbere Verstöße entdecken, lässt sich das im Internet nachlesen.

(Foto: Catherina Hess)

Vergammelte Dönerfleischspieße, Mäuse in der Küche, versiffte Arbeitsgeräte oder Käse, der bei einem Pizzaservice in der Sonne vor sich hin schmilzt: In solchen Gaststätten will niemand essen. Bisher allerdings haben die Verbraucher davon in der Regel nichts erfahren. Seit Anfang September ist das aber anders: Seitdem veröffentlicht das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) Hygieneverstöße im Internet.

Nach knapp drei Monaten finden sich 59 Einträge aus ganz Bayern, davon 18 aus der Stadt München sowie drei aus dem Umland. Vor allem handelt es sich dabei um Imbissbuden und Lieferdienste, aber auch um durchaus bekanntere Gaststätten.

Was Verbraucherschützer als ersten Schritt zu mehr Transparenz in der Lebensmittelbranche feiern, ruft bei den Betroffenen Verunsicherung und Unverständnis hervor. Sie sprechen von einem Hygienepranger, von Rufmord und einer gnadenlosen Ungerechtigkeit. "Ich habe prinzipiell nichts dagegen, dass Missstände aufgedeckt werden", sagt Angela Bauer, Geschäftsführerin des Wirtshaus Roeckl in München. "Wir hatten Mängel, aber auf der Internetseite klingt das viel massiver, als es war."

So schreiben die Lebensmittelkontrolleure des Kreisverwaltungsreferats (KVR) von einem "Schimmelbefall bei Gerätschaften im Verkaufsbereich". Bauer hingegen betont, dass nur eine Auszugschiene einer Schublade am Tresen betroffen gewesen sei. "Das hatte nichts mit der Qualität der Lebensmittel zu tun", sagt sie. Ähnlich argumentiert Petra Kranz, Wirtin des Biolokals Kranz. "Wenn ein halber Zentimeter Silikondichtung an der Spüle fehlt, ist das gleich ein Mangel, der aufgelistet wird", sagt sie.

Was sie aber noch mehr ärgere: Der Gast würde alle Betriebe, die auf der Liste aufgeführt würden, pauschal als unappetitlich abtun, und diejenigen, die nicht drinstünden, als sauber. "Bei denen ist aber vielleicht nur noch nicht kontrolliert worden", sagt Kranz.

Bei Ingrid Sebald-Wendl vom Landhotel Huber am See in Ambach stellten Kontrolleure unter anderem eine zu hohe Keimzahl in der Sahne fest. Gesundheitsgefährdend sei das aber nicht gewesen, erklärt die Gastronomin. Sie empfinde die Veröffentlichung der Prüfung als ungerecht, sogar Gäste hätten sie schon darauf angesprochen. "Dabei gab es bei mir keine gravierenden Verstöße", sagt Sebald-Wendl. Sie verstehe nicht, warum ihr Betrieb gleich bei der ersten Auffälligkeit im Internet genannt werde und selbst nach einer Beseitigung erst ein halbes Jahr später wieder entfernt würde.

"Der Grill hat nichts mit uns zu tun"

Im Hotel Inselmühle in München monierten Kontrolleure den unhygienischen Zustand des Fischgrillstands im Biergarten. "Der hat aber mit uns nichts zu tun", sagt eine Mitarbeiterin. Der externe Betreiber durfte lediglich seinen Stand dort aufstellen. Nach Bekanntwerden der Missstände - unter anderem ist Fisch nicht richtig gelagert worden - habe er seine Hütte sofort abbauen müssen. "Nun steht aber unser Name im Internet. Das ist schädlich", erklärt die Mitarbeiterin.

"Die Kollegen im Außendienst stellen schon eine Unsicherheit bei den Unternehmen fest", sagt KVR-Pressesprecherin Daniela Schlegel. Mehr Beschwerden gegen die Kontrollen als vor der Gesetzesänderung seien aber nicht eingegangen.

Jährlich überprüfen die Mitarbeiter in München bis zu 25.000 Betriebe. Seit September erwischten sie 21, die ein Bußgeld von 350 Euro oder mehr zu erwarten haben. Auf der LGL-Seite erscheinen derzeit nur 18. Drei Unternehmer haben laut Schlegel Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Bis die Richter entschieden haben, dürfen ihre Namen nicht veröffentlicht werden.

Angela Bauer vom Restaurant Roeckl, in dem benachteiligte Jugendliche ausgebildet werden, wollte nicht vor Gericht ziehen. "Wenn etwas nicht in Ordnung ist, sollte das auch behoben werden. Die Frage ist nur, wie das veröffentlicht wird", sagt sie. Sie würde sich eine klare Definition der Verstöße wünschen. Immerhin hätten viele Verbraucher Zugriff auf die Informationen: "Dann sollten sie auch so genau wie möglich sein." Bisher haben nach Angaben des LGL knapp 165.000 Nutzer die Seite aufgerufen.

Die Grundlage für die Veröffentlichungen auf der Internetseite www.lgl.bayern.de lieferte eine Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes. Sie schreibt vor, dass Verstöße gegen Hygienevorschriften öffentlich gemacht werden müssen, sofern sie ein Bußgeld von 350 Euro oder mehr erwarten lassen.

Die kontrollierende Behörde wird im Netz ebenso genannt wie das Einstelldatum, das Produkt, die Beanstandung, der Betrieb samt Adresse und ob die Mängel bereits wieder beseitigt sind. "Das ist ein wirksames Instrument der Verbraucherinformation", sagt LGL-Sprecherin Katrin Grimmer.

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