Hygiene-Ampel:Speisen nach Farben

Sie soll am Eingang hängen und den Gästen Orientierung geben: die Hygiene-Ampel. Doch selbst Lebensmittelkontrolleure halten die Regelung für nicht praktikabel.

Stephan Handel

Politik, Verwaltung und Gastronomie in München sehen die "Hygiene-Ampel" skeptisch, mit deren Hilfe Gäste an der Eingangstür ablesen können, wie es um die Sauberkeit in einer Gaststätte bestellt ist. Die Einführung einer solchen Ampel hatten die Verbraucherminister der Länder am Donnerstag beschlossen.

Ratskeller-Restaurant im Bremer Rathaus

Selbst Lebensmittelkontrolleure halten die geplante Hygiene-Ampel für nicht praktikabel.

(Foto: dpa)

Danach sollen Wirte verpflichtet werden, das Hygiene-Barometer außen an ihrem Lokal anzubringen. Die Farbskala verläuft von Grün über Gelb nach Rot. Ein Pfeil zeigt den Status des Lokals an: Bei Grün wurden keine Hygiene-Mängel festgestellt, bei Gelb leichte und bei Rot gravierende Mängel.

Bayern hat in der Konferenz der Verbraucherminister gegen die Ampel gestimmt. "Wir sehen das sehr skeptisch", sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums, bei dem die Zuständigkeit für die Lebensmittelkontrollen liegt: Vor allem die Praktikabilität des Verfahrens sei nicht geklärt. "Bisher erfolgen die Kontrollen risikoorientiert", sagte die Sprecherin. "Das heißt: Ein Sushi-Restaurant, das mit rohem Fisch arbeitet, wird öfter kontrolliert als eine Pilskneipe."

Dadurch könne eine Verzerrung entstehen - in beide Richtungen: Ein Wirt, der mit Grün bewertet wurde, könnte sich nun auf seinen Lorbeeren ausruhen und das Lokal verkommen lassen; er behalte die positive Bewertung aber bis zur nächsten Kontrolle. "Und Rot dürfte es eigentlich überhaupt nicht geben", so die Ministeriums-Sprecherin weiter: "Bei gravierenden Mängeln muss der Betrieb geschlossen werden."

Das Kreisverwaltungsreferat, das in München die Lebensmittelkontrollen durchführt, sieht die Sache ähnlich: "Grundsätzlich ist alles gut, was der Information des Verbrauchers dient", sagt Andreas Bacher, Leiter der zuständigen Hauptabteilung I. "Aber durch die Ampel wird eine Aktualität und Genauigkeit suggeriert, die es so nicht gibt." 46 städtische Angestellte erledigen die Kontrollen in den Gaststätten - im Schnitt alle sechs Monate stehen sie vor der Tür. "Wir haben natürlich auch Problembetriebe, wo wir öfter nachschauen - gerade bei solchen, wo häufig die Pächter wechseln", sagt Bacher.

Wenn Mängel festgestellt würden, bekomme der Wirt in der Regel eine angemessene Frist, um sie zu beheben. "Und wenn er längere Zeit auf Rot ist", so Bacher, "dann wird er sowieso zugesperrt."

Birgit Netzle betreibt in Thalkirchen das "Asam-Schlössl" und ist stellvertretende Kreisvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes. "Ich halte von der Ampel gar nichts", sagt sie. "Da werden nur die Wirte öffentlich denunziert. Und eine Momentaufnahme kann das Ende der Existenz bedeuten.

Das haben Umweltminister Söder und Verbraucherschutzministerin Merk richtig erkannt." Netzle sieht das Problem eher darin, dass der "Zugang zur Branche" viel zu leicht gemacht wird: Praktisch jeder könne derzeit ein Lokal eröffnen, Mindeststandards für Wissen um Lebensmittel-Hygiene gebe es nicht. Deshalb will der Verband im Herbst einen "Gastro-Management-Pass" auf den Weg bringen, mit dem der Wirt seine Sachkunde nachweisen kann - wenn auch freiwillig.

Der Beschluss der Länderminister soll nun in ein Bundesgesetz fließen, was Bundesernährungsministerin Ilse Aigner zügig auf den Weg zu bringen versprochen hat. Birgit Netzle hofft, dass der Gaststättenverband auf Bundesebene in dem Verfahren die Interessen der Gastronomen einbringen wird. "Ich würde diese Ampeln ganz weglassen", sagt Netzle. Ihr Betrieb wurde zuletzt vor vier Wochen kontrolliert - mit einem klaren Ergebnis: "Ich hätte Grün bekommen."

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