Hoher IQ:Nur zwei Prozent

Hoher IQ: Petra Barchfeld hat in Salzburg an der Paris-Lodron-Universität studiert und 2008 an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. Sie leitet die Begabungspsychologische Beratungsstelle an der LMU.

Petra Barchfeld hat in Salzburg an der Paris-Lodron-Universität studiert und 2008 an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert. Sie leitet die Begabungspsychologische Beratungsstelle an der LMU.

(Foto: privat)

Um die Intelligenz von Kindern zu testen, gibt es an der Münchner Uni eine begabungspsychologische Beratungsstelle

Interview von Melanie Staudinger

"Mein Kind stört den Unterricht nur, weil es gelangweilt ist. Es ist eben intelligent." Diesen Satz hören Lehrer immer wieder. Doch nur die wenigsten Kinder sind tatsächlich hochbegabt. Wie Eltern herausfinden, ob ihr Kind intelligenter ist als der Durchschnitt, und wie man diese Mädchen und Jungen gezielt fördern kann, erklärt Petra Barchfeld, Leiterin der Begabungspsychologischen Beratungsstelle am Department Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

SZ: Was unterscheidet hochbegabte von gewöhnlichen Kindern?

Wenn man es wissenschaftlich definiert, unterscheiden sie sich nur im Intelligenzquotienten. Hochbegabte verfügen über einen IQ von 130 oder mehr. Alle, die darunter liegen, sind demnach nicht hochbegabt. Diese klare Grenze lässt sich aber in der Praxis nicht immer so durchhalten. Denn ein Kind mit einem IQ von 128 werden Sie nicht von einem mit einem IQ von 130 unterscheiden können.

Welche Indizien lassen auf einen hohen IQ schließen?

Die gängige Idee, dass Kinder, die früher lesen und schreiben können als andere, deswegen gleich hochbegabt sind, lässt sich nicht halten. Das kann, muss aber kein Zeichen für Hochbegabung sein. Weitere Merkmale können sein, dass ein Kind gut abstrakte logische Probleme lösen kann oder sehr eloquent ist.

Was empfehlen Sie Eltern, die vermuten, dass ihr Kind besonders intelligent ist?

Das kommt auf das Kind an. Wenn es glücklich und zufrieden ist, in der Schule gut zurecht kommt und ein gesundes Sozialverhalten zeigt, müssen die Eltern gar nichts tun. Eine Diagnose ist hier nicht erforderlich. Wenn das Kind hingegen gelangweilt scheint und sich unterfordert fühlt, kann ein Intelligenztest sinnvoll sein.

Wie testen Sie eine Hochbegabung?

Wir testen die Kinder mit zwei verschiedenen Intelligenztests, welche die Grundintelligenz eines Kindes, aber auch spezifische Fähigkeiten erfassen. Das Ergebnis alleine hilft aber noch niemandem weiter. Eine Diagnose ist noch keine Lösung. Deshalb beraten wir die Familien und zeigen Wege zu einer Förderung auf. Zum Beispiel müssen einige hochbegabte Kinder das Lernen erst lernen, damit sie ihr Potenzial überhaupt ausschöpfen können.

Wie meinen Sie das?

Diese Kinder haben häufig ohne Anstrengung Fähigkeiten zum Lesen, Schreiben oder Rechnen erworben, hingegen nicht gelernt, auch bei schwierigeren oder weniger spannenden Aufgaben durchzuhalten. Aber auch ein hochbegabter Schüler hat kein gottgegebenes Wissen über Lateinvokabeln. Wer sich nie anstrengen musste, kann möglicherweise nicht damit umgehen, wenn etwas nicht sofort klappt, und scheitert dann in höheren Jahrgangsstufen.

Wie alt sind Ihre Klienten?

Die meisten sind im Grundschulalter. Bei sehr jungen Kindern kann man oft nicht unterscheiden, ob sie wirklich hochbegabt sind oder nur sehr gut von ihren Eltern gefördert werden. Es kommen auch Erwachsene zu uns. Die hatten meist als Kind das Gefühl, irgendwie anders zu sein.

Wie wahrscheinlich ist eine Hochbegabung?

Hochbegabung ist selten. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung haben einen IQ von über 130 und sind damit hochbegabt. In unserer Beratungsstelle haben wir etwa 300 Fälle im Jahr, 30 Prozent davon sind Hochbegabte.

Scheuen Eltern eventuell einen IQ-Test?

Einige befürchten, dass sie die Bedürfnisse ihres Kindes nicht mehr befriedigen können, wenn es zu schlau ist. Diesen Eltern sagen wir, dass sie keine Angst haben müssen. Die Beziehung zu ihrem Kind definiert sich nicht über Intelligenz. Ungünstig ist es, wenn sie anfangen, ihrem Kind etwas zu verbieten, etwa das Schreiben im Kindergartenalter, weil sie fürchten, dass sich der Sohn oder die Tochter sonst später in der Schule langweilen könnte. Selbst wenn das der Fall wäre, gäbe es auch hier Lösungen. Der Lehrer kann dem Kind dann immer noch anspruchsvollere Aufgaben geben oder das Kind kann eine Klasse überspringen.

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