Hörbiografie:Musik erzählt ein Leben

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Das Label BR-Klassik setzt seine Reihe über berühmte Komponisten mit Franz Schubert fort. Dieser wird gesprochen von dem Schauspieler Robert Stadlober.

Von Egbert Tholl

Es beginnt mit einer Erinnerung: München, Silvester 1865. Moritz von Schwind hängt alten Zeiten nach. Dem einstigen Freundeskreis der "warmherzigsten Menschen". Er will versuchen, ein Andenken hinzumalen, wozu ist er denn ein berühmter Maler. Er versucht sich an einem "Schubertabend bei Josef von Spaun", an eben einer Darstellung glücklichster Zeiten. Das Bild bleibt unvollendet, es existiert davon eine Sepiazeichnung. In der Mitte: Franz Schubert am Klavier. Man hört die Geschichte, umwölkt von Schuberts Streichquintett D 956.

Knapp ein Dutzend Hörbiografien über Leben und Werk bedeutender Komponisten sind inzwischen auf dem Label BR-Klassik erschienen, geschrieben von Jörg Handstein, erzählt von Udo Wachtveitl. Die Aufnahmen für die jüngst erschienene wurden im September dieses Jahres vollendet, sie ist Franz Schubert gewidmet und trägt den Titel "Die Liebe liebt das Wandern", entlehnt der "Winterreise".

Zu Wachtveitl als Erzähler kommen diverse Sprecher für die Zitate hinzu, ein lebendiges Stimmenpanorama entsteht so, Robert Stadtlober spricht Franz Schubert selbst. Und vor allem ist da diese Fülle an Musikbeispielen, die den Lebensweg Schuberts akustisch illustrieren, meist dessen eigene Werke, aber auch von anderen Komponisten der Zeit oder von jenen, die für Schubert wichtig waren, Mozart, Beethoven. Ein wenig erinnert das an Schwinds Vorhaben, das Bild einer vergangenen Zeit wieder entstehen zu lassen. Oder an Thomas Manns "Zauberberg", an das Kapitel der "Fülle des Wohllauts". Vor allem aber kriegt man ein Gefühl für ein Leben und ein Werk, für die Zeit, in der es entstand, es geht weniger um Interpretation als um das Malen eines großen Gemäldes. Voller Details. Nach 20 der auf drei CDs verteilten 225 Minuten hat man mehr erfahren, als man hier wiedergeben kann. Dazu kommt Schuberts achte Symphonie, eingespielt vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Herbert Blomstedt mit fast schon akademischer Genauigkeit.

(Foto: N/A)

Draußen herrscht Krieg, Napoleon steht vor Wien, drinnen sterben die Kinder an den schlechten Lebensbedingungen. Aber es wird alles besser, der kleine Franzl schafft es mit Salieris Fürsprache ans Wiener Stadtkonvikt, lernt die Geige, spielt Klavier, kann bald den Dirigenten vertreten, beginnt exzessiv zu komponieren, Freund Spaun besorgt ihm das Notenpapier. Das erste Werk, das Schubert erhaltenswert findet, ist eine vierhändige Klavierfantasie - hier hört man sie gespielt vom Duo Tal&Groethuysen. Daneben: viel jugendlicher Unsinn, aber auch Wanderungen durch Nachtreiche. Damals schon.

Man begegnet dem ganzen Leben, den Lieben und einigen Werken, von deren Existenz man kaum etwas wusste - neben den Meisterwerken in vielen kleinen Ausschnitten. Und dann schließlich kommt der Erfolg, Flut und Ebbe in der Kasse, die späte Messe, ein hebräischer Psalm, der "Schwanengesang", Christian Gerhaher singt den "Doppelgänger". Bis man am Ende wieder beim Streichquintett landet.

Franz Schubert - Die Liebe liebt das Wandern, Hörbiografie von Jörg Handstein mit Udo Wachtveitl und Robert Stadlober, BR-Klassik, 2020

© SZ vom 26.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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