Hochschul-Wettbewerb:"Bei jeder Qualifizierungsstufe verliert man einige Frauen"

Hochschul-Wettbewerb: Elke Wolf, 52, Professorin an der Hochschule München, ist dort auch Frauenbeauftragte. Seit einem Jahr ist sie zudem Sprecherin der LaKoF. Sie hat drei Kinder.

Elke Wolf, 52, Professorin an der Hochschule München, ist dort auch Frauenbeauftragte. Seit einem Jahr ist sie zudem Sprecherin der LaKoF. Sie hat drei Kinder.

(Foto: Jens Heilmann)

Mit einer deutschlandweiten Kampagne will Elke Wolf, Professorin an der Hochschule München, Akademikerinnen ermutigen, eine Professur anzustreben.

Interview von Sabine Buchwald, München

Elke Wolf, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule München, fordert junge Frauen in einer Kampagne auf: "Werde Professorin!" Zusammen mit Brigitte Kölzer, Professorin an der TH Rosenheim, hat sie den deutschlandweiten Aufruf initiiert. "Wir wollen qualifizierten Frauen bewusst machen, dass es einen Weg zurück an die Hochschulen gibt", sagt Wolf. Soeben wurde die Kampagne mit dem "Impact of Diversity Award" ausgezeichnet.

SZ: In Deutschland ist mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich, in Bayern ist aber nur jede fünfte Professur von einer Frau belegt. Warum diese Diskrepanz?

Elke Wolf: Bei den Studierenden haben wir Parität erreicht. Bei der Promotion sind wir schon insgesamt bei 43 Prozent Frauen, danach aber kommt der größte Knick. An der Hochschule München sehen wir, dass schon weniger Frauen nach dem Bachelor ihren Master machen. Bei jeder Qualifizierungsstufe verliert man einige Frauen.

Woran liegt das?

Definitiv nicht an den Noten. Es sind vermutlich häufiger eher Fragen der Lebensplanung, die junge Frauen tendenziell mehr beschäftigen als gleichaltrige Kollegen, auch wenn ihnen das vielleicht gar nicht so bewusst ist und viele solche Überlegungen nicht unbedingt zugeben würden: Wie viel investiere ich in meine Bildung? Was nützt sie mir? Wie viel werde ich später überhaupt arbeiten? Kann ich Kinder haben, wenn ich Karriere mache?

Für Männer scheinen solche Überlegung keine so große Rolle zu spielen. Sind sie ehrgeiziger?

Das glaube ich nicht. In der Schule und im Studium sehen wir, dass die Noten von Mädchen und Frauen durchschnittlich besser sind. Das ist ja ein Zeichen von Ehrgeiz und Leistungsorientierung. Frauen fragen sich aber häufig: Warum und in welchem Umfeld will ich ehrgeizig sein? Wenn sie den Eindruck haben, dass sie eine Führungsposition in einem Umfeld übernehmen sollen, wo es egozentrisch und stark konkurrenzorientiert zugeht, dann sehen viele das nicht als sinnstiftend. Viele Frauen finden es nicht erstrebenswert, in einem extrem wettbewerbsorientierten Umfeld zu arbeiten. Da sehe ich große Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Könnte es an fehlenden Vorbildern liegen, dass weniger Frauen eine höhere akademische Karriere einschlagen?

Natürlich fehlen Vorbilder. Fakt ist, dass ganz viele auch heute noch nie bei einer Professorin studieren. Gerade in den technischen Studiengängen gibt es manchmal keine oder nur eine einzige Frau in einer Fakultät. Vorbilder können in einer Findungsphase sehr, sehr hilfreich sein. Auch die Zielgruppe unserer Kampagne, die also jetzt so um die 40 sind, hat oft nicht bei einer Professorin studiert.

Was hielt die Mehrheit der Frauen bisher davon ab, eine höhere akademische Karriere einzuschlagen?

Der Karriereweg hin zu einer Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) ist zu wenig bekannt. Die meisten kennen nur den Weg an einer Universität: Dieser ist gekennzeichnet durch sehr viele Unwägbarkeiten, wie kurzfristige Verträge, Planungsunsicherheit und starke Abhängigkeiten. Das fällt alles in eine Lebensphase, in der so viele andere Dinge entschieden werden müssen. Für eine Professur an einer HAW trifft das nicht im selben Maße zu. Wir suchen ja nach Personen, die promoviert haben und erstmal außerhalb, etwa in der Industrie tätig sind. Mit unserer Kampagne wollen wir bewusst machen, dass es einen Weg zurück an die HAW gibt. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den Universitäten.

Obwohl viele Studentinnen promoviert werden, streben sie dann doch keine Professur an. Eine Erziehungsfrage?

Natürlich spielt Sozialisierung eine wichtige Rolle. Von welchen Berufen Schülerinnen und Schüler träumen, hat aber nicht nur mit ihrem Geschlecht, sondern auch ganz stark mit der sozialen Herkunft zu tun. Eine Mutter, die selbst nicht studiert hat, schlägt ihrer Tochter sicher nicht vor, Professorin zu werden, sondern eher einen Beruf, wovon sie selbst ein Bild hat. Aber man sollte weder mit dem Finger auf die Schulen noch auf die Eltern zeigen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es diese gesellschaftlichen Normen gibt. Jeder kann und sollte seinen Beitrag dazu leisten, an ihnen zu rütteln und zu sägen. Jeder und jede hat diese Verantwortung. Wir sehen Schülerinnen, die von Lehrern entmutigt werden, Bachelor-Studentinnen, die von ihren Dozenten nicht genügend Unterstützung erfahren. Und wir haben Führungskräfte, die Frauen entmutigen, einen weiteren Karriereschritt zu wagen. Das muss sich alles ändern.

Sie sind seit mehr als 15 Jahren Professorin. Ist das für Sie ein Traumjob?

Ja, für mich ist es eine tolle Möglichkeit, immer wieder die Themen, die mir in einem Fach wichtig sind, in die Lehre und Forschung zu integrieren. Ich glaube, es gibt außerhalb der Hochschule sonst kaum einen Job, der mir so viel Freiheit lassen würde, Themen zu bestimmen, die nicht nur für die eigene Karriere wichtig sind, sondern auch für die Gesellschaft. Außerdem ist der persönliche Kontakt zur nächsten Generation sehr wohltuend. Ich sehe ganz viele clevere, innovative und empathische junge Leute, die die Welt verändern wollen. Das tut gut in Zeiten, wo die Nachrichten nur aus Hiobsbotschaften bestehen.

Es heißt, mindestens 30 Prozent Frauen in Führungspositionen steigern die Leistung einer Institution. Warum diese Zahl?

Innerhalb dieser 30 Prozent ist eine gewisse Diversität gegeben. Wenn ich zum Beispiel drei Frauen in einem Gremium von zehn Leuten habe, dann sind diese drei Frauen nicht alle gleich, haben vielleicht unterschiedliche Fachexpertisen, andere Lebensumstände oder eine andere Nationalität. Sie sind per se schon divers. Damit tritt das Frausein in den Hintergrund. Eigentlich ist ja das Geschlecht gar nicht so relevant, sondern wie man auf die Welt blickt und umgekehrt. Deshalb ist es so wichtig, dass man in einem Gremium nicht nur eine einzige Frau hat. Denn egal, was sie dort sagt, ihre Haltung gilt dann meistens als die einer Frau und nicht als Aussage der Ökonomin oder Ingenieurin. Mehrere Frauen sind ja durchaus auch unterschiedlicher Meinung.

Inwieweit spielt das Geschlecht eine Rolle für die Weltsicht?

Frauen machen andere Erfahrungen, sind mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Sie beschäftigen sich deshalb mit anderen Fragen, stellen sie in den Vordergrund und werden darum in der Forschung andere Themen bearbeiten. Die Forschungsfragen sind in der Vergangenheit maßgeblich von Männern bestimmt worden, sie haben lange die Agenda gesetzt. An Hochschulen wird entschieden, an was geforscht und was gelehrt wird. Zum Beispiel in den Ingenieurswissenschaften gehen Frauen häufiger in Richtung Medizintechnik oder Nachhaltigkeit. Wir müssen solche Ansätze unbedingt aufnehmen in unserer Lehre und Forschung. Wir können gesellschaftliche Herausforderungen nur annehmen, wenn wir verschiedene Perspektiven einnehmen.

Ihre Kampagne wirbt mit dem Slogan "Professoren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren". Soll das heißen, die Männer sind gar nicht mehr so gescheit, Frauen haben jetzt auch eine Chance?

Wir wollen das stereotype Bild vom grauhaarigen, bebrillten, betagten Mann aufbrechen und ausdrücken: Man kann auch Professorin sein, wenn man jung ist, Kinder hat, aus einem anderen Umfeld kommt. Wir wollten definitiv nicht den Eindruck erwecken, dass heutige Professoren keinen guten Job machen. Aber Frauen können es eben auch. Nur Mut!

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