Hitzige Diskussion in Attaching:"Gekauftes Wachstum"

Hitzige Diskussion in Attaching: Erwin Huber (links) und Ludwig Hartmann (rechts) haben mit BR-Moderator Tilmann Schöberl und mehr als 100 Bürgern über die dritte Startbahn diskutiert.

Erwin Huber (links) und Ludwig Hartmann (rechts) haben mit BR-Moderator Tilmann Schöberl und mehr als 100 Bürgern über die dritte Startbahn diskutiert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Bei "Jetzt red i" wird über die Zukunft des Münchner Flughafens gestritten - einen Konsens gibt es wie zu erwarten auch in dieser Runde nicht.

Von Kerstin Vogel, Freising

"25 Jahre Flughafen - wohin geht die Reise?" hatte das BR-Fernsehen am Mittwoch seine Diskussionsveranstaltung "Jetzt red i" in Attaching überschrieben. "Unsere Heimat verträgt keine dritte Bahn" hatten die Startbahngegner ihre Antwort auf einem Plakat neben der Eingangstür formuliert, ergänzt um ein Zitat von Papst Franziskus: "Dieses Wachstum tötet." 130 Bürgerinnen und Bürger hatte der Bayerische Rundfunk in sein neues, mobiles Studio eingeladen, die meisten von ihnen klare Gegner eines weiteren Flughafenausbaus, doch auch einige Flughafenmitarbeiter waren in die Attachinger Sporthalle gekommen, um mitzureden. Entsprechend kontrovers verlief die Debatte, zu der seitens der Politik der ehemalige Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) und Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag, eingeladen worden waren.

Die dritte Startbahn zerstöre Attaching und die Region, sagte Michael Buchberger für die Anwohner. Wenn die dritte Startbahn komme, könnten die Vereine nicht überleben, Sport im Freien wäre nicht mehr möglich, Menschen würden ihre Heimat verlieren. Buchbergers Frage an die verantwortlichen Politiker: "Ist es moralisch und ethisch heutzutage noch vertretbar, solche Belastungen zu schaffen - zumal genau diese vor 25 Jahren bei der Inbetriebnahme des Flughafens eigentlich ausgeschlossen wurden?" Huber hielt dem entgegen "dass die Entwicklung des Münchner Flughafens die Erwartungen einfach übertroffen" habe. Die Politik müsse darauf reagieren: "Wir haben die Notwendigkeit, den Flughafen weiter auszubauen - und manchmal muss die Politik auch Entscheidungen treffen, die nicht allen gefallen." Hartmann nannte es dagegen eine "komplett falsche Landesplanung, das ohnehin überhitzte Wachstum in München mit einer dritten Startbahn weiter anzufeuern und forderte, innerdeutsche Flüge auf die Bahn zu verlagern. Deutliche Worte fand der Grünen-Politiker gegen das "gekaufte Wachstum am Münchner Flughafen", erntete dafür jedoch Widerspruch von Huber. Der Flugverkehr werde nicht subventioniert, betrieben würden lediglich Marketingmaßnahmen.

Aus dem Publikum wurde der Vorwurf laut, dass die Politik "auf Fragen der Zukunft nur Antworten von gestern habe, nämlich Wachstum, Wachstum, Wachstum". Wolfgang Herrmann aus Freising kritisierte, dass die gesundheitsgefährdenden Feinstäube am Münchner Flughafen nicht einmal gemessen würden - und die Freisinger Bürgermeisterin Eva Bönig beklagte einmal mehr, dass der weitere Ausbau des Münchner Flughafens die Planungshoheit der 50 000 Einwohner-Stadt Freising massiv einschränke. Bönig: "Die Kapazität der Region ist mit zwei Bahnen mehr als erreicht." Über Kapazitäten hatte zuvor auch schon der Slotmanager des Münchner Flughafens gesprochen, der ebenfalls im Publikum saß. Er erlebe Tag für Tag, dass Airlines nach München kommen wollten und das aus Platzmangel nicht könnten. Ohne eine dritte Startbahn sei das nicht zu organisieren.

Erstmals in der Geschichte der Sendung "Jetzt red i" konnten an diesem Mittwoch auch Zuschauer von daheim via Facebook mitdiskutieren. München habe doch bereits eine dritte Startbahn hatte der User Werner Habermeyer aus Freising beispielsweise geschrieben, nämlich in Nürnberg - "und eine vierte in Memmingen" hatte ein anderer ergänzt. Insgesamt aber habe sich im Netz ein ähnliches Bild ergeben wie in dem mobilen Studio in Attaching, sagte Moderatorin Franziska Storz zum Ende der Sendung zu ihrem Kollegen Tilmann Schöberl: "Die einzigen, die sich heute nicht gestritten haben, waren wir beide."

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