Hits auf dem Oktoberfest:Krach der Kulturen

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Norddeutsche machen sich gerne über die vermeintliche "Sepplbekleidung" und die "Humtata-Musik" der Bayern lustig. Ein Oktoberfest-Hit offenbart nun allerdings den Hang der Südstaatler zur Vernunft.

Helmut Mauró

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Nirgendwo funktioniert das kollektive Musikgedächtnis besser als im Bierzelt. Und so gibt es auf dem Oktoberfest fast nichts Schöneres, als Teil des Höllenorchesters zu sein.

in Bildern.

In den letzten Jahren ist es etwas ruhiger geworden um den alljährlichen Wiesn-Hit auf dem Münchner Oktoberfest, den es per Fuß- oder Kehlkopfabstimmung zu ermitteln gilt. Natürlich ist auch die Bierzelt-Musik kein jungfräuliches Geschäftsfeld, sondern ein professionell beackertes. Nie war das Fälschen von Statistiken leichter als in Zeiten der Internetabstimmungen.

Dass darunter Hubert von Goiserns "Brenna tuat's guat" mit 58% Zustimmung weit vor den Toten Hosen mit "Tage wie dieser" (36%) liegt, wenn auch hinter der vermutlich aus Norddeutschland stammenden Rockaholixs Buam mit "Bei uns in Bayern" (74%) oder der Schoastaler Schnaxlbuam mit "Kas, Bier, Brot und Speck" (78%), verwundert nur den, der die Bayern generell für Schoastaler hält.

Aber anders, als man bei der Hamburger Sepplforschung herausgefunden hat, ist Bayern ein weltoffenes Land, ist die bayerische Tracht kein Faschingskostüm, sondern eine umweltfreundliche und vernünftige Bekleidung, und die hiesige Volksmusik kein gruseliger Schlagerwettbewerb, wie er regelmäßig im Fernsehen stattfindet. Denen im Fernsehen, würde man hier sagen, brennt der Hut.

Die zweite Bedeutung dieser Redewendung findet sich im Refrain von Goiserns möglichem Wiesn-Hit: "A jeda woaß / dass des Göd ned auf da Wiesn wochst / und essen kau mas a ned / oba brenna dads guat / Oba hoazn damma Woazn / und de Ruabn und an Gugaruz / waun ma lang so weiterhoazn / brennt da Huat". Für einen im alpenländischen Kulturraum sozialisierten Menschen ist diese oberösterreichisch eingefärbte Alltagssprache eine vertraute Musik, auch wenn der dem mexikanischen Indianisch entlehnte Gugaruz im Bayerischen wie im Hochdeutschen schlicht Mais heißt.

Und hier zeigt sich nun die subversive Vernunft des durch die Jahrhunderte bevormundeten Südstaatlers, der entgegen der Hamburger Ikonologie nicht durch "Sepplkleidung, lächerliche Hirschlederhosen, alberne Kniestrümpfe, Kasperlhemden und Humtata-Musik" (Spiegel online) von sich reden macht, sondern durch einen politischen Song, der inhaltlich korrekt ist und musikalisch Spaß macht.

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Da krachen nun ganz andere Kulturen aufeinander. Denn wo die Hamburger aus vernünftiger Tracht eine deutschtümelnde Lodenmode machten und das ZDF aus der Volksmusik ein Idiotentestgelände, da haben sich einige Bayern, Tiroler und Oberösterreicher auf ihre soziokulturellen Wurzeln besonnen und aus der ein bisschen eingeschlafenen Blasmusik den "Alpenrock" geschaffen. Der erlaubt Trompete neben E-Gitarre und Gaudijodler neben politischer Vernunft.

© SZ vom 29.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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