Historische Wiesn:Oid is beautiful

Oide Wiesn

Hier kommt Nostalgie auf: Das Kettenkarrusell auf der Oidn Wiesn.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Essen, die Fahrgeschäfte, das Bier, die Stimmung: Auf der Oidn Wiesn ist einfach alles besser als auf dem Oktoberfest. Eine Liebeserklärung.

Von Andreas Schubert

Auf der Oidn Wiesn gibt es viele schöne alte Dinge zu bestaunen, vom historischen Traktor über alte Filme von früheren Oktoberfesten bis hin zu - natürlich - den alten Fahrgeschäften und Buden. Okay, man kann sich auch digitale Fotos schießen - und die Karussells laufen auch nicht mit Muskelkraft. Dennoch geht es hier selbst bei Hochbetrieb wesentlich entspannter und ein bisschen wie früher zu. Sechs Gründe, warum die Oide Wiesn die bessere ist.

Trinkkultur

Auf der Oidn Wiesn wird wie in früheren Zeiten das Bier in Steinkrügen ausgeschenkt, sogenannten Keferlohern. Die wurden in den 1960er-Jahren abgeschafft und durch Glaskrüge ersetzt, damit die Gäste sehen konnten, ob es der Schankkellner gut oder schlecht gemeint hat. Seit den 1980er-Jahren gibt es sogar den "Euro-Krug" mit gut erkennbarem Eichstrich. Der Keferloher allerdings hat auch deutliche Vorteile gegenüber seinem Glas-Pendant. In ihm bleibt das Bier länger kühl - und am Mund fühlt sich das Steingut angenehmer an als Glas. Im Museums-Zelt ist eine kleine Ausstellung über den Keferloher zu sehen, die Florian Dering vom Münchner Stadtmuseum konzipiert hat. Hier erfährt man allerlei über die Geschichte des Keferlohers, dessen Vorläufer im 12. Jahrhundert in Keferloh südlich von München erfunden wurde.

Oide Wiesn

Auf der Oidn Wiesn wird das Bier in Steinkrügen serviert - so bleibt es länger kühl als im Glas.

(Foto: Stephan Rumpf)

Außerdem sind sämtliche offiziellen Wiesnkrüge (natürlich aus Steingut) seit 1978 in der Ausstellung zu sehen sowie die Krüge der Festwirte, unter anderem der des ehemaligen Wiesnwirtes Richard Süßmeier. Den Krug ziert eine Süßmeier-Karikatur von Dieter Hanitzsch. Ein schönes Detail der Wiesn-Historie. Da freut man sich auf eine schöne kalte Steingut-Mass. Und die Schankmoral? Mehrere Tests im Freundes- und Kollegenkreis wiesen bisher keine negativen Auffälligkeiten auf. Und auch im Kreisverwaltungsreferat ist zu hören, dieses Jahr werde auf der gesamten Wiesn im Vergleich zum Vorjahr gut eingeschenkt. Über schlechter eingeschenkte Steingut-Krüge auf der Oidn Wiesn sei nichts bekannt.

Ratschkultur

Es ist halt leider so: Von je weiter weg Freunde und Bekannte zum Oktoberfest anreisen, desto mehr Action versprechen sie sich von einem Zeltbesuch. Da wird sich dann zu Fremden an einen Tisch gepfercht, wild gegrölt und getanzt. Und am nächsten Tag stellen die Freunde fest, dass sie keine fünf Sätze miteinander gewechselt haben. In den Zelten der Oidn Wiesn dagegen sitzt man beisammen wie in einem Biergarten. Und, ja, man kommt ins Gespräch, auch mit Unbekannten. Wo sonst passiert es schon mal, dass sich sogar eine Bedienung kurz auf einen Ratsch hersetzt?

Esskultur

Generell kann man über die gesamte Wiesn sagen, dass das Essen besser ist, als es Unkundige vom größten Volksfest der Welt erwarten würden. Die Wiesnhendl gelten weithin als gut, und auch die Kost an den Verkaufsständen ist besser als in so manchen Touristenorten anderswo. Im Herzkasperlzelt sind sie aber noch einen Schritt weitergegangen. Dort gibt es auf der Speisekarte eigens einen Unterpunkt "Vegan", also Essen ohne tierische Produkte: ohne Fleisch, ohne Milch, ohne Ei. Man kann nun Käsespätzle mit Käseersatz oder Sojamedaillons in Biersoße geschmacklich finden, wie man will.

Oktoberfest, Oide Wiesn

Glückliche Besucher der Oidn Wiesn - liegt vielleicht auch am guten Essen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Aber die Nachfrage gibt es, und es werden immer mehr Menschen, die vegan leben wollen. Ausgerechnet dort, wo die Vergangenheit bestimmendes Thema ist, folgt man einem neuen Trend. Ansonsten hält man es auf der Oidn Wiesn vor allem mit traditionellen Schmankerln, vom Bratwürstl bis zum Brotzeitbrettl. Hendl gibt es hier übrigens auch aus Bio-Zucht. Und selbst in den Zelten lässt es sich stets gut speisen: Gäste laufen nicht Gefahr, dass betrunkene Bierbanktänzer in ihren Teller steigen.

Hörkultur

Jaaa, schon gut: Irgendwann haben wir alle schon mal Rosis Nummer gewählt und wollten nach einer atemlosen Nacht heim nach Fürstenfeld, am besten über Country Roads. Wer davon genervt ist, dass jede Oktoberfest-Funband im Prinzip dasselbe Repertoire rauf und runter dudelt, findet auf der Oidn Wiesn nachgerade einen Hort der Glückseligkeit. Auf der Oidn Wiesn dominiert die traditionelle Wirtshausmusik. Blaskapellen aus der Region und ganz Bayern treten hier auf, aber auch junge, progressive Gruppen, die Volksmusik neu interpretieren und mit Weisen anderer Kulturen verbinden. Getanzt wird auf der Oidn Wiesn nicht auf Bierbänken sondern auf dem Tanzboden oder vor der Bühne. Abwechslung regiert: Alleine an diesem Mittwoch spielen zum Beispiel im Herzkasperlzelt fünf verschiedene Gruppen, von der Tanzlmusi bis hin zu "The Heimatdamisch", eine Combo, die Pop- und Rock als Volksmusik interpretiert - Balsam fürs musikalische Gemüt.

Oktoberfest, Oide Wiesn

Hier wird im Herzkasperlzelt getanzt. Auf der Oidn Wiesn dominiert traditionelle Wirtshausmusik. Blaskapellen aus der Region und ganz Bayern treten hier auf.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mitmachkultur

Die "Dicke Berta" schaut so einfach aus. Aber selbst gestandene Mannsbilder schaffen es oft nicht, den kleinen Wagen, dessen Name sich von einem Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg ableitet, auf der Schiene ganz nach oben zu schubsen. Über die angestrengten Gesichter lässt sich manchmal recht gut schmunzeln, vor allem, wenn es der Wagen nur bis zur Stufe "scham di" schafft. Aber auch das gehört dazu: Sich zum Deppen zu machen. Und wer dies besonders gerne tut, kann im Humoristischen Velodrom Spaßrad fahren. Das sieht besonders blöd aus - ist aber sehr lustig. Wen schert da schon das Gelächer der anderen.

Fahrkultur

Abends im "Fahrt ins Paradies": Aus den Boxen tönt Charleston, und in den Zweiergondeln, die sich in Auf- und Abbewegung und in moderater Geschwindigkeit im Kreis bewegen, kreischen vor allem die weiblichen Mitfahrer leicht verzückt. Die Schreie sind aber deutlich leiser als in den großen Fahrgeschäften der Wiesn, sie entfahren den Gästen aus Spaß - und nicht, wie sonst üblich aus purer Angst. Ähnlich ist es im Kettenkarussell, das sich nicht in 30 Metern Höhe dreht, sondern nur wenige Meter über dem Erdboden. Auch das reicht für eine gute Portion Spaß, Verliebte halten zu Elvis' "Wise men say" Händchen während der Fahrt. Das Motto "höher, schneller, krasser", gilt auf der Oidn Wiesn nicht. Kinder wie Erwachsene erfreuen sich im Springpferdekarussell "Evergreen" genauso wie im "Calypso" aus den 1960er-Jahren.

Oide Wiesn

Nicht ganz so rasant: Die Fahrgeschäfte auf der Oidn Wiesn sind meistens etwas gemütlicher.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die ganz Kleinen haben ihren Spaß im "Märchen-Hängekarussell". Und die Schiffschaukeln kommen ganz ohne Überschlag aus. Noch dazu nervt einen niemand mit Kirmes-Techno und dem marktschreierischen, ständig wiederholten "wollt ihr nochmaaaaaal". Das Ganze kostet pro Fahrgeschäft nur einen Euro - kein Wunder, dass man zuweilen auch hier ein bisschen in der Schlange warten muss. Aber die historischen Attraktionen haben anscheinend nichts an Anziehungskraft eingebüßt. Im Getöse der Großen waren sie offenbar nur ein bisschen in Vergessenheit geraten.

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