Angehörige nach dem Germanwings-Absturz:Von Trauer und Wut

People pay their respects at the memorial for the victims of the air disaster in the village of Le Vernet, near the crash site of the Airbus A320 in French Alps

Extremsituation: Freiwillige versuchen, trauernden Angehörigen in Le Vernet zu helfen.

(Foto: Robert Pratta/Reuters)
  • Die Reise in die Nähe der Unglücksstelle war für viele Angehörige der Absturzopfer ein wichtiger Schritt in ihrer Trauerarbeit.
  • Vier Helfer des Münchner Kriseninterventionsteams haben die Hinterbliebenen dabei begleitet.

Von Philipp von Nathusius

Das Flugticket mit dem Lufthansa-Emblem steckt noch in der Brusttasche seines Polohemds. Ein Dutzend Mikrofone sind vor ihm aufgebaut. Gerade erst ist Martin Irlinger aus Seyne-les-Alpes zurückgekehrt, gelandet auf dem Münchner Flughafen. Vor ein paar Stunden erst hat er sich verabschiedet von den Hinterbliebenen, die er auf dem Flug von Marseille nach Düsseldorf begleitet hatte und denen am Unglücksort beizustehen sein Auftrag war. Irlinger ist ehrenamtlicher Helfer des Münchner Kriseninterventionsteams (KIT). Gemeinsam mit ihm waren drei Helfer aus München nach Frankreich aufgebrochen, um die Betreuung der Angehörigen aus Deutschland zu koordinieren. Das Auswärtige Amt hatte die vier Spezialisten beauftragt.

Irlinger ist von Beruf Kommunikationstrainer. Und er hat eine 17-jährige Tochter. "Wenn man mir gesagt hätte, meine Tochter liege dort in den Bergen, dafür hätte es keine richtigen Worte gegeben", sagt er auf der Pressekonferenz. "Ich habe jetzt wieder Gänsehaut, wenn ich versuche, mich in diese Situation einzufühlen." Für einen Vater, den Irlinger gerade betreut hat, ist dieser Albtraum Realität geworden. Der Mann hat seine Tochter in Frankreich verloren. Sie war im gleichen Alter wie das Kind des Münchner Kriseninterventionshelfers.

Von einer Aussichtsplattform in Seyne-les-Alpes haben die beiden Männer am Donnerstag jenes Bergmassiv angeschaut, an dem das Flugzeug zwei Tage zuvor zerborsten ist. Dem Mann, sagt Irlinger, habe dieser Blick auf den Ort der Katastrophe geholfen. Genauso wie zu wissen, dass jemand an diesem Ort für ihn da war, neben ihm stand - ohne viele Worte. "In manchen Momenten ist das Einzige, was man tun kann, ein Taschentuch zu reichen."

Mit Irlinger waren der Einsatzleiter Dominik Hinzmann, der Logistiker Ingo Russnak und der katholische Diakon Hermann Saur in Frankreich. Alle vier sind erfahrene Krisenhelfer. Per SMS wurden sie am Dienstagabend über den Absturz informiert und losgeschickt. Mittwochfrüh saßen sie im Flieger. Die erste Aufgabe für das Team bestand darin, die Zusammenarbeit mit den französischen Behörden zu koordinieren.

Wesentlich strenger und formaler als die deutschen Vorgaben bei solchen Unglücksfällen beschreibt Anästhesist Hinzmann die Abläufe in Seyne-les-Alpes. "Ich hätte mir ein bisschen mehr Spielraum gewünscht", sagt Irlinger. Von der französischen Seite sei zwar alles sehr gut organisiert gewesen, aber eben auch stark durchgetaktet. Immerhin habe das KIT erreichen können, dass die etwa 120 Trauernden aus Deutschland sich nicht erst als Angehörige per Ausweis identifizieren mussten.

"Ein Quäntchen Wut", sei spürbar gewesen, so Einsatzleiter Hinzmann, nachdem die Blackbox gefunden worden war und Nachricht vom Piloten-Suizid kam. Doch damit habe es eine Antwort auf die Frage nach dem Warum gegeben, so Irlinger. Das erst habe den Weg für die Angehörigen frei gemacht, wirklich trauern zu können.

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