Heuschnupfen:Plagegeister der Lüfte

Die Heuschnupfen-Saison hat begonnen. Im Großraum München sind vor allem Haselpollen unterwegs. Allergiker müssen aber nicht verzweifeln: Es gibt viele Möglichkeiten, ihr Leid zu lindern.

Anja Perkuhn

Den Glauben, dass eine Therapie ihm helfen könnte, hat Philipp Klein schon längst aufgegeben. "Therapie? Ich nehm' einfach ein paar Blocker, wenn's wieder losgeht, dann passt das schon", sagt der Münchner. Seinen Heuschnupfen wird er damit zwar nicht los, die Triefnase, das Augenjucken und der Husten lassen sich so aber ein wenig niederkämpfen - und dass die Hochzeit der Pollensaison noch bevorsteht, konnte Klein, der in Schwabing lebt, über den Winter ja recht gut verdrängen.

Fast jeder fünfte Deutsche ist mittlerweile von Heuschnupfen betroffen. Zu den Klassikern der Allergie-Auslöser gehören direkt nach der Hausstaubmilbe die Gräserpollen, dann Katzenhaare und schließlich Birkenpollen. Der 23-jährige Philipp Klein ist mit seinen Beschwerden also nicht allein - und auch nicht mit seiner fatalistischen Art, damit umzugehen. "Viele Patienten begnügen sich mit der Behandlung der Beschwerden mit Cortisonsprays oder Antihistaminika", sagt Ulf Darsow, Leiter der Allergie-Abteilung der Dermatologischen Klinik der TU München. "Die Patienten sollten sich aber idealerweise schon im Winter behandeln lassen." Möglichkeiten der Therapie gibt es einige, von einer Spritzen-Behandlung über eine Immuntherapie. Auch während der Saison, die gewöhnlich von März bis September andauert, ist eine Behandlung noch möglich. Wer Spritzen scheut, dem helfen neuerdings auch Tabletten oder Tropfen, die unter die Zunge gegeben werden.

Der Pollenflug hat bereits Mitte März begonnen. Wie üblich hat die Hasel den Anfang gemacht. Sie verstreut ihre Pollen oft schon im Dezember in alle Winde - von Messgeräten sind die dann aber nicht erfasst, weil es dafür noch zu kalt ist. Und auch der Allergiker fängt meistens noch nicht im Winter an zu leiden, sondern erst, wenn die Temperaturen sich dem zweistelligen Bereich nähern. Plagegeist Nummer eins ist momentan die Haselnuss, die jetzt in voller Blüte steht, gefolgt von Erle, Pappel und Weide. Den Flug der Birkenpollen erwarten Experten in der ersten bis zweiten Aprilwoche. Auch Esche und Eiche blühen von April an. Korbblütler wie Chrysantheme und Margerite folgen im Mai, Gräserpollen ebenfalls. "Die erste große Gruppe des Jahres sind aber immer die Baumpollen", sagt Ulf Darsow.

Hals-Nasen-Ohrenärzten in den Landkreisen ist in diesem Jahr vor allem aufgefallen: Die erste Woche der Saison war überraschend heftig für Allergiker. "So massiv waren die Frühblüher im letzten Jahr nicht unterwegs", sagt Mario Stock vom Starnberger HNO-Zentrum. Und das ist tatsächlich auch dem schönen Wetter zuzuschreiben: Ist es kalt, bleiben die Pollen länger in den Bäumen hängen, regnet es gar wie vor einer Woche, werden sie aus der Luft gewaschen. Allerdings bringt Regen nicht nur Erleichterung: Gräserpollen beispielsweise platzen durch viel Regen meist auf und sind dann noch fataler für Allergiker.

Regional bestehen beim Pollenflug tatsächlich Unterschiede. Zum Beispiel gibt es in Spanien kaum Birken, in Norwegen blühen die Pflanzen später als in Deutschland, die Pollensaison ist um einige Monate verschoben. Wen schon Mitte April die Hasel gequält hat, der kann sicher sein: Die Pollen kamen aus Frankreich. Das Land ist am Anfang der Pollensaison Hauptemittent für München. Auch aus Russland, Weißrussland und der Ukraine kommen Pollen nach Süddeutschland.

Im Großraum München macht es allerdings fast nichts aus, ob sich der Allergiker in Freising oder Wolfratshausen aufhält, in Ebersberg oder Fürstenfeldbruck. In den Bergen gibt es dafür etwas weniger Birkenpollen zur Zeit als im flacheren Gebiet. Dafür sind Gräserpollen vor allem im Gebirge verstärkt vorzufinden. Und Gegenden, in denen besonders viele Birken stehen, beispielsweise an brachen Bahnflächen oder bei Forstarealen am Stadtrand, sind für Allergiker besonders fatal. "Wir verstehen übrigens nicht, wieso in Wohngebieten Hunderte Birken angepflanzt werden", ärgert sich Darsow. Schon die Statistik zeige, dass in der Gegend auch Allergiker leben.

Für genauere wissenschaftliche Aussagen über den Pollenflug ist das Netz der Messungen aber nicht eng genug: Das gesamte deutsche Pollenmess-Netzwerk besteht aus nur 48 Messstationen. Eine dieser sogenannten Pollenfallen steht in München, in der Klinik für Allergologie in der Thalkirchner Straße. Der kleine Kasten saugt etwa zehn Liter Luft pro Minute an. Die Luft wird dann auf einen Klebestreifen geleitet, die Pollen bleiben daran hängen. Der Klebestreifen bewegt sich ständig ein Stückchen weiter, nach einer Woche ist er vollständig durchgelaufen und kommt ins Labor. Dort werden die Pollen eingefärbt und unter dem Mikroskop analysiert.

Dieses Wissen hilft Allergikern natürlich nicht gegen Beschwerden, praktische Tipps während der Pollenflug-Saison sind daher: Auf dem Land herrscht die größte Pollendichte am frühen Morgen, in Stadtgebieten senken sich Pollen vor allem in den Abendstunden, weil sich dann die Luft abkühlt. Besonders da sollten die Fenster geschlossen bleiben. Lüften empfiehlt sich vor allem nach einem Regen. Die Apotheker im Landkreis München raten außerdem, jeden Abend die Haare zu waschen, da sie Pollenfänger sind. Wäsche sollte aus demselben Grund nicht an der Luft getrocknet werden. Auch beim Autofahren sollten die Fenster am besten geschlossen und die Lüftung ausgeschaltet bleiben. Der Rasen im Garten sollte den ganzen Sommer über möglichst kurz gehalten werden, außerdem empfiehlt sich, auf das Anpflanzen von Birken oder Haselsträuchern zu verzichten. Und wenn alles nichts hilft, bleibt immerhin die Gewissheit: Im Herbst ist der Spuk wieder vorbei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: