Herbert Grönemeyer im Circus Krone:Knödeliges Knurren

Mehr als der netteste Kumpeltyp Deutschlands: Herbert Grönemeyer spielt im Circus Krone unbekannte Songs. Das Besondere an dem Konzert? Die Nähe. Und Grönemeyers ureigene Art zu singen.

Jakob Biazza

Grönemeyer legt seine Hits neu auf

Herbert Grönemeyer bei einem Auftritt in Berlin. Nun war er mit seiner Jubiläumstour auch in München.

(Foto: dpa)

Das Konsonantengrollen. Herbert Grönemeyers ureigene Art zu singen, Wörter zu pressen, Vokale zu schlucken. Eine Phonetik wie ein hastig ausgeschütterter Sack frisch geernteter Kartoffeln: kernig, hart, noch erdverkrustet. Man hat das freilich schon oft gelesen. Gerade bei seinem letzten richtigen Album, das "Schiffsverkehr" heißt, und bei dem überall "Schffsvrkhr" stand.

Aber dieses wundervoll knödelige Knurren, das Hrbrt in jedem Moment ebenso unverständlich wie unverkennbar macht, und dafür sorgt, dass vom blödesten Comedian (Ingo Appelt) bis zum gar nicht so blöden Kabarettisten (Hagen Rether) jeder eine Grönemeyer-Parodie im Programm hat: Es ist nun mal wichtig.

An diesem Abend ist es sogar essenziell. Der Sänger und Pianist besucht den Circus Krone auf Jubiläumstour. "Blick zurück - 30 Jahre: Halbzeit" heißt sie, und enthält Material, das man früher einmal als B-Seiten bezeichnet hätte - "Letzte Version", "Total egal", "Tanzen". Songs also, die sowieso kaum im Radio liefen und deshalb live erst recht vom Diktat befreit sind, dass die Stimme immer weit vor der Musik stehen muss, als hätte man sie dem Zuhörer direkt aufs Hirn gepappt. Grönemeyers Gesang wird deshalb noch mehr als sonst vom phantastischen Band-Klang einverleibt. Und die Stücke kommen näher an ihren Ursprung.

Beim Komponieren singt Grönemeyer schließlich immer erst in einem dem Englischen nicht ganz unähnlichen Phantasie-Kauderwelsch. Dem deutschsprachigen Sinn spürt er erst später nach. Wer sich schon einmal gefragt hat, warum sein Gesang oft weniger peinlich klingt, als bei vielen anderen deutschen Barden: Das ist der Grund. Wenn die Stimme des 56-Jährigen nun also etwas leiser, etwas weniger dominant gemischt ist, als man das eigentlich täte, bringt das eine großartige, ebendiesem Sinn abstrahierte Atmosphäre ganz nah bei der Intention der Musik hervor - und diese herrlich dadaistischen Text-Missverständnisse: Oder ist es bei "Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht" wirklich die "Katze" und nicht die "Kerze" die keinen Docht hat?

All das schafft, was besonders ist an diesem Konzert: Nähe. Die Intimität der kleinen Halle, sie wirkt ehrlich, echt. Natürlich fast. "Herbie", wie er allenthalben gerufen wird, ist noch mehr als sonst der netteste Kumpeltyp Deutschlands. Er habe Angst gehabt, ob überhaupt jemand komme, weil sie ja keine Hits und Evergreens spielten, sagt er. Und man kann ihn wieder etwas mehr dafür lieben, diese Angst noch immer glaubhaft vorgeben zu können. "Der Ernst, nun ja. Ich werde sehr ernst genommen - aber ich habe keinen", wird er später noch sagen. Schön. Weil er dann, im derben "Moccaaugen" ("Dieses Lied mochte meine Mutter nicht."), schließlich singt: "Ich hab' es satt und Sellerie." Oder irgendetwas Ähnliches jedenfalls.

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