Hellabrunn:Ein Siebenschläfer legt den Tierpark lahm

In der Nacht beißt ein Nager die Stromleitung durch, der Zoo bleibt deswegen den ganzen Mittwoch geschlossen

Von Christoph Koopmann

Kaum 30 Zentimeter lang sind sie, mit ihrem weiß-grauen Plüschfell und den dunklen Knopfaugen sehen sie ziemlich possierlich aus. So einem Tier hätte man im Tierpark Hellabrunn wohl nicht zugetraut, den ganzen Zoobetrieb einen Tag lang lahm zu legen - und doch ist es passiert. In der Nacht auf Mittwoch ist ein Siebenschläfer in einen Trafokasten am Tierpark geklettert, hat an einem Kabel genagt und so für einen Kurzschluss gesorgt. Daraufhin fiel der Strom im Zoo aus, am Mittwoch musste er deswegen komplett geschlossen bleiben.

Die Zoo-Mitarbeiter, die normalerweise an den Eingängen Karten verkaufen, standen nun vor und hinter verschlossenen Toren. "Sorry, heute haben wir leider wegen eines Stromausfalls geschlossen", werden potenzielle Tierpark-Besucher freundlich vertröstet. Ein Münchner Ehepaar findet es nicht schlimm: "Des passt scho, allein aus Sicherheitsgründen. Bevor die Tiere frei rumlaufen, sollen sie lieber zumachen", sagen sie.

Ansonsten sind an diesem kalten, nebligen Herbstmorgen nicht viele Tierfans unterwegs. Bei solchem Wetter, dazu noch unter der Woche, kämen ohnehin nicht viele Besucher, so Zoo-Sprecher Daniel Hujer. Bettina Kirchgräber, Vorstandsassistentin im Tierpark, ergänzt: "An den Kassen ist alles ruhig. Wenn Leute kommen, dann zeigen sie Verständnis." Viele, die eigentlich kommen wollten, hätten vermutlich rechtzeitig mitbekommen, dass der Zoo geschlossen sei, und seien deswegen gar nicht erst losgefahren.

Siebenschläfer verspricht sieben Wochen Sommer

Stromausfall? Ich? Siebenschläfer sehen nett aus, können aber einigen Schaden anrichten, wie der Zoo jetzt weiß.

(Foto: Tilgner/dpa)

Doch wie schafft es eigentlich ein kleiner Siebenschläfer, einen ganzen Zoo lahmzulegen? "Er muss in der Nacht in den Trafokasten geklettert sein, sich zwischen die Kabel gesetzt und eines davon angeknabbert haben", sagt Hujer. Das sei kein Wunder, denn Siebenschläfer sind nachtaktiv und stets auf der Suche nach einem warmen Plätzchen - "da bietet sich ein Stromkasten halt an". Zwar sind alle Trafos mit einem Nagetierschutz gesichert, doch ein winziges Schlupfloch reiche den Siebenschläfern. Um genau 2.38 Uhr scheint der Störenfried hungrig geworden zu sein, er knabberte das Kabel an. Ausgebüxt war er übrigens nicht, Siebenschläfer können auf dem ganzen Gelände frei herumlaufen - auch außerhalb des Zoos, schließlich ist es eine heimische Tierart. "Ob es ein Siebenschläfer aus dem Zoo oder von draußen war, wissen wir nicht", sagt Hujer.

Obwohl der betroffene Trafokasten außerhalb des Tierpark-Zauns steht, hatte der Kurzschluss weitreichende Folgen: In der betroffenen Anlage befindet sich die Schaltstelle zwischen dem Stromnetz der Stadtwerke und demjenigen des Tierparks. Von hier werden normalerweise nur bestimmte Teilbereiche des Zoos versorgt. Doch um die Schaltanlage gefahrlos reparieren zu können, musste auch dem Rest des Tierparks eine Stunde lang der Strom abgedreht werden. Viele Bereiche des Tierparks waren wegen der komplizierten Reparatur noch bis 17 Uhr vom Netz. In der Verwaltung ging am Mittwoch nichts, nur ein einziges Telefon war dank eines eigens verlegten Kabels funktionstüchtig. Auch der Flamingo-Eingang und der Parkplatz waren von dem Blackout betroffen. "Das sind einfach zu viele Einschränkungen, um den Betrieb laufen zu lassen", sagt Hujer. Deshalb habe man sich entschieden, den Tierpark am Mittwoch gar nicht mehr für Besucher zu öffnen.

Hellabrunn: Menschen müssen leider draußen bleiben: Wer am Mittwoch in den Zoo wollte, hatte keinen Erfolg.

Menschen müssen leider draußen bleiben: Wer am Mittwoch in den Zoo wollte, hatte keinen Erfolg.

(Foto: Catherina Hess)

Für manche Zoo-Bewohner hätte der Stromausfall brenzlig werden können, denn in dem Bereich ohne Strom liegen unter anderem die Aquarien. "Korallen und Quallen zählen zu unseren empfindlichsten Lebewesen", erklärt Hujer. Die Wassertemperatur müsse stets elektrisch geregelt werden, auch die Pumpen der Becken müssen laufen. Nach dem Stromausfall sprangen jedoch innerhalb von Sekunden dieselbetriebene Notstromaggregate an, die Tiere waren nicht in Gefahr.

Und was ist mit den Raubtieren? Viele haben sicher noch die Bilder aus dem georgischen Tiflis im Kopf, als dort im vergangenen Jahr nach einer Überschwemmung ein Tiger entlaufen war und einen Mann tötete. Der Grund für die kurzfristige Schließung des Tierparks in München waren jedenfalls keine ausgebrochenen Großkatzen, wie Lisa Reiniger, ebenfalls Sprecherin des Tierparks, erklärt: "Es haben schon Mitarbeiter mehr spaßeshalber gefragt, ob jetzt alle Tiere frei herumlaufen. Aber es ist nicht so wie bei Jurassic Park." Löwengehege etwa sind dreifach gesichert mit einem Wassergraben, einem normalen Zaun und einem Stromzaun. Am Mittwochmorgen ließ man die Löwen zur Sicherheit einfach gleich in ihrem Haus.

Spektakuläre Pannen in Zoos

Die Schließung des gesamten Areals ist eine ziemliche Panne für den Münchner Tierpark. Dramatische Vorfälle sind in großen Zoos aber durchaus keine Seltenheit, und viele davon waren im Gegensatz zum Münchner Vorfall ziemlich gefährlich.

Erst vor wenigen Monaten, im Juni, brannte in Deutschland zum Beispiel ein Löwenpärchen gemeinsam durch. Ein Mitarbeiter des Wildparks Johannismühle in Baruth nahe Berlin ließ versehentlich eine Tür offenstehen. Der Löwe Massai und die Löwin Gretchen nutzten die Gelegenheit. Der Wildpark musste geräumt werden, allerdings nur vorsorglich, denn das Löwenpärchen schaffte es nur in ein eingezäuntes Außengehege. Löwin Gretchen wurde betäubt und zurück in den Käfig getragen, daraufhin ging der Löwe Massai von selbst zurück.

Im November 2015 schaffte es ein Waschbär in Heidelberg tatsächlich auszubüxen, kehrte aber nach ein paar Tagen zum Erstaunen der Tierpfleger wieder zurück - und zwar in Begleitung. In Freiheit hatte er einen Artgenossen kennengelernt und ihn mit ins Gehege geschmuggelt.

Vielen im Gedächtnis geblieben ist wohl der massenhafte Ausbruch im Sommer 2015 aus dem Zoo der georgischen Hauptstadt Tiflis. Dort zerstörten Überschwemmungen Teile des Tierparks - und damit auch die Gehege. Tiger, Löwen, Bären, Schakale und Jaguare streiften nachts durch die Stadt. Auch ein Nilpferd und sogar ein Rudel von rund 20 Wölfen lief frei herum. Als es bereits hieß, alle Tiere seien eingefangen oder erschossen worden, fiel ein weißer Tiger einen Mann an und tötete ihn. Das Tier hatte sich in einer Lagerhalle versteckt. 2009 kam auch im Zoologischen Garten in Berlin jemand zu Schaden: Der Zoodirektor fütterte ein Schimpansenmännchen mit bloßer Hand. Affe Pedro kaute dabei nicht nur die Erdnüsse, sondern dem Direktor gleich noch einen Finger ab.

Besonders viele Pannen gab es in den vergangenen Jahren im Kölner Zoo. Dort brach im August 2013 ein Brüllaffe durch einen löchrigen Zaun aus seinem Gehege aus. Nur eine Woche zuvor war der Zoo wegen Inzucht in die Schlagzeilen geraten: Tigerdame Hanya brachte überraschend drei Junge zur Welt. Der Vater war ihr eigener Sohn, der damals erst 17 Monate alte Jegor.

Währenddessen war das Becken der Nilpferde im Kölner Zoo durch eine defekte Filteranlage so trüb, dass man darin keine Tiere mehr erkennen konnte, sondern nur noch die rund 75 Kilo Kot, die die Tiere täglich absondern.Victoria Michalczak

Auch frieren und hungern musste kein Tier, so Hujer, alle hätten den Stromausfall unbeschadet überstanden - mit Ausnahme des kleinen Siebenschläfers: Für ihn endete der Ausflug tödlich.

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