Helden der Wiesn:"Urlaub? Geh' weiter!"

Günther Schuler ist der älteste Handwerker auf dem Oktoberfest. Seit 55 Jahren baut er die Wiesn auf - und danach wieder ab. Doch der 69-Jährige kann sich nichts Schöneres vorstellen.

Beate Wild

Der 7. September 1953 war der erste Arbeitstag für Günther Schuler, den 14-jährigen Lehrling aus Gelting im Landkreis Ebersberg - an diesen Tag erinnert sich er sich noch ganz genau. Für eine Installation im Hofbräuzelt musste eine Grube ausgehoben werden, mit der Hand. Bagger gab es zu der Zeit noch keine. Ein Knochenjob war das. "Aber ich als Bub vom Land war das Arbeiten ja gewohnt", winkt er ab. An diesem Tag begann Günther Schulers Liebesbeziehung zum Oktoberfest. Sie hält bis heute an.

Helden der Wiesn: Günther Schuler in seinem Büro-Container: Von hier aus managt er den Wiesn-Aufbau.

Günther Schuler in seinem Büro-Container: Von hier aus managt er den Wiesn-Aufbau.

(Foto: Foto: Beate Wild)

Schuler ist der älteste Handwerker auf der Wiesn, seit 55 Jahren ist er schon dabei. "Jedes Jahr im Mai werd' ich schon ungeduldig", sagt er. Für ihn gibt es nichts Schöneres als das Oktoberfest. "Als ich damals meine Lehre als Spengler und Installateur anfing, hat mich mein Lehrmeister Gustav Schelling gleich am ersten Tag mit zur Wiesn genommen", erzählt er. Danach fand er in Wiesn-Wirt Willi Kreitmair einen Freund und Förderer. Dem Wirt gehörte damals neben dem Festzelt "Winzerer Fähndl" auch die Traditionsgaststätte "Zum Spöckmeier".

"Ich kann mich erinnern, als wäre es gestern gewesen", sagt Schuler. "Es war 1957, da hab ich den Kreitmeier einmal aus der Zwickmühle geholfen." Dieser hatte damals die erste Krugspülmaschine der Stadt, eine hochkomplizierte Apparatur. Just an einem Sonntag gab sie den Geist auf. Kreitmair bat Schuler um Hilfe und dieser reparierte - pfiffig wie er als junger Bursche war - die Maschine mit Hilfe einer Fahrradkette. "Seither war mir der Kreitmair dankbar, ein Leben lang. Später ging das sogar auf seinen Sohn über", lacht Schuler.

55 Jahre auf dem Oktoberfest, da hat sich bestimmt einiges verändert? "Die Wiesn heutzutage ist ganz anders", nickt Schuler. Während er spricht, nimmt er immer wieder eine Prise Schnupftabak, hin und wieder schneuzt er sich geräuschvoll. Dann setzt er wieder an und listet die Unterschiede auf. Etwa die Hendlöfen, die habe man in der guten alten Zeit noch mit Holzkohlen betrieben, bevor man auf Gas umstieg. Es gab damals auch kaum Maschinen, fast alles musste per Hand erledigt werden. "Aber trotzdem war's früher schöner", sagt Schuler etwas melancholisch.

In seinen 55 Jahren hat der Handwerker fünf Oberbürgermeister erlebt. Thomas Wimmer, Erich Kiesl, Hans-Jochen Vogel, Georg Kronawitter und Christian Ude - alle hat er beim Anstich beobachtet. Und, welcher war ihm als Anzapfer am liebsten? "Der Ude macht das ja von allen am besten, aber der Wimmer, der war so ein feiner Mensch", schwärmt er. "Von dem bin ich heute noch begeistert."

"Urlaub? Geh' weiter!"

Gerne erinnert sich Schuler auch noch an den Besuch von Papst Johannes Paul II. in München. Der Gottesdienst fand nach dem Oktoberfest auf der Theresienwiese statt. "Für den Altar hab' ich die ganzen Installationen gemacht", sagt er stolz.

Von Neuerungen - wie etwa dem drohenden Rauchverbot in den Zelten - hält Schuler nicht so viel. "Ein rechter Schmarrn ist das", schimpft er. "Wer Frischluft will, soll halt in die Berge fahren. Der muss ja nicht in ein Bierzelt, wenn er nicht will."

Neben seinem Faible für das Münchner Bierfest, hat Günther Schuler noch eine andere Leidenschaft: das Tuba-Spielen. Mit der Musikkapelle Gelting e.V. nimmt er jedes Jahr am Trachtenumzug am ersten Wiesn-Sonntag teil. Das gehört für Schuler zum Oktoberfest wie das Bier. Anstrengend ist der stundenlange Umzug allerdings schon. "Ich spür das Alter, wie lange ich das noch machen kann, ist fraglich", sagt er traurig. Die Tuba wiege schon sehr viel, und sie die ganze Zeit mit sich herumzuschleppen, sei eine enorme körperliche Herausforderung.

Vier Monate im Jahr auf der Wiesn

Mit dem Aufbau der Wiesn ist in diesem Jahr am 12. Juli begonnen worden. Und nach dem Oktoberfest muss das Ganze wieder wochenlang abgebaut werden. "Bis zum 11. November muss alles weg sein", sagt Schuler. Das sind insgesamt vier Monate im Jahr, die Schuler auf dem Festgelände verbringt, Tag für Tag. Am stressigsten ist es ein paar Tage vor dem Anstich und natürlich während der zwei Wiesn-Wochen.

"Einmal war der Ablauf einer Schänke verstopft", erzählt er. Man wusste nicht mehr wohin mit dem Wasser. Da hat er das Abwaschwasser von den Krügen einfach in die Toiletten umgeleitet und damit ein neues Spülsystem erfunden, mit dem heute fast alle Zelte arbeiten. "Warum das gute Wasser verschwenden, wenn man es noch für die Klospülung benutzen kann?", fragt er. Heutzutage leuchtet das jedem ein, damals in den achtziger Jahren war das noch höchst innovativ und fast abstrakt ökologisch.

Und so sehr Günther Schuler die Wiesn auch liebt, sieht er sie doch eher als Arbeitsplatz denn als Privatvergnügen. "Ich trinke hier nie Bier, das kann ich mir gar nicht erlauben", sagt er. Schließlich müsse er den ganzen Tag fit sein, falls plötzlich im Zelt etwas ausfalle und schnell repariert werden müsse.

Nur am letzten Wiesn-Sonntag ist Schulers Familientag. Da geht er dann mit seiner Frau, seinen neun Kindern, deren Partnern und seinen fünf Enkeln in ein Festzelt zum Feiern. Und dann kann er sich ganz entspannt eine Maß gönnen und anstoßen auf das nächste Jahr, denn ans Aufhören denkt er noch lange nicht. "Wenn I mei Arbeit hab, bin I gsund", sagt er.

Und auch von Ferien, Wegfahren und Entspannen nach den Wiesn-Anstrengungen will Schuler nichts wissen. "Urlaub? Geh' weiter!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: