Heim und Handwerk:Bei dieser Messe verschwimmen die Grenzen zwischen nützlich und überflüssig

Eine Hühnervilla, eine schwebende Wäscheleine und ein Powerboard, das aus dem Weltraum kommt: Auf der Messe Heim und Handwerk gibt es nichts, was es nicht gibt.

Von Günther Knoll

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Handwerksmesse München Messegelände, Heim- und Handwerk

Quelle: Florian Peljak

Die frei stehende Acryl-Badewanne, das Boxspring-Himmelbett, die holzgeschnitzte Bauernstube oder der rauchfreie Grill für den Balkon - die Messe Heim und Handwerk, die noch bis Sonntag, 27. November, auf dem Messegelände in Riem stattfindet, wird wohl fast jeden Wunsch in Sachen Bauen, Einrichten und Wohnen erfüllen können. Das Interesse der Besucher ist groß, schließlich wollen sie sich im eigenen Heim auch etwas gönnen. Und sie können sich das offenbar auch leisten. Mit der Grenze zwischen nützlich und überflüssig nehmen sie es oft nicht mehr so genau. Zehn Ausstellungsstücke, die man (nicht) unbedingt haben muss.

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Wohlig warm

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Quelle: Stephan Rumpf

Die Raketenöfen am Stand von Robert Frei haben mit Raumfahrt nichts zu tun, auch wenn ihre schlanke, flugkörperähnliche Form das vermuten lässt. Den Namen haben sie vom Geräusch beim Abbrennen, erklärt Frei, das klinge ähnlich wie bei einem Raketenstart. Zum Glück aber viel leiser, denn sonst könnte man sie nicht auf Balkon oder Terrasse aufstellen. Die Öfen gibt es schon länger, Frei hat ihre rauchfreie Variante als umweltschonende "Alternative zum Lagerfeuer" entwickelt. Das Modell "Feuerlaterne" für knapp 1400 Euro sei so etwas wie eine "Terrassenheizung, die wohlige Wärme von unten" garantiere. Wer mehr haben will, für den gibt es die Variante mit eingebautem Koch- und Grillofen. Erstaunlich findet Frei, dass sich vornehmlich Paare für seine Öfen interessieren. Im nächsten Jahr will er auch mit seiner Pizzaofen-Variante so weit sein. Pizza aus dem Raketenofen auf dem warmen Balkon - wer fährt da noch nach Italien?

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Musikalische Möbel

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Quelle: Stephan Rumpf

Bestimmte Trommeln werden Becken genannt. Sie deshalb gleich in ein Aquarium umzuwandeln, dazu gehört Mut. Der Österreicher Samuel Karl hat selbst Schlagzeug gespielt, jetzt ist er Schreiner im Hauptberuf, und zwar ein sehr kreativer. Mit seiner Firma, die er "Ausgespielt" nennt, hat er sich darauf spezialisiert, alten Musikinstrumenten einen neuen Zweck zu geben - als Wohnungsinterieur. Da wird die Bratsche zur Deckenlampe, die Gitarre zum Weinregal, die Trommel zum Nachtkästchen. Vor allem Musiker seien ganz begeisterte Kunden, sagt Karl. Die brächten oft ihre alten Instrumente, um sie umfunktionieren zu lassen. Und auch Innenarchitekten kauften seine Stücke, weil sie besondere "Eyecatcher" bräuchten. Das sind Karls Unikate in jedem Fall.

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Kurz und trocken

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Quelle: Stephan Rumpf

Samuel Kutter hatte zu wenig Platz in den eigenen vier Wänden in München, vor allem als Nachwuchs da war. Und so entwickelte er den "Hangbird", wie er seinen schwebenden Wäschetrockner genannt hat, der im Grunde nichts anderes ist als ein Rahmen aus Buchenholz mit Schnüren, der mit einer Art Flaschenzug bewegt werden kann. Mit dieser ebenso einfachen wie genialen Idee hat Kutter zuerst Crowdfunding betrieben und dann ein Start-up gegründet. Seit zwei Monaten ist er mit dem Produkt auf dem Markt. 200 Kunden hat er schon, vor allem Großstädter, die so wie er mit Raumnot zu kämpfen haben. Ab 180 Euro können sie sich mehr Platz schaffen und Strom für den Trockner sparen.

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Schön und rund

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Quelle: Stephan Rumpf

Die Kundschaft in München sei besonders "locker drauf", haben Tina Janssen und Andrew Kennedy festgestellt. Die beiden betreuen einen Stand der Firma Softlab mit Whirlpools aus den USA. "Die Seele baumeln lassen" heißt das Wohlfühl-Motto, und das wollen offenbar in und um München besonders viele, denn Softlab ist gleich mit vier Ständen auf der Messe. Zur lockeren Einstellung der Käufer gehört wohl auch der entsprechende Geldbeutel, denn die Außenpools gibt es ab 6000 Euro aufwärts, dafür schön rund in verschiedenen Größen und Farben, im Lederdesign aus wetterfestem Material, wie es für Hochseejachten verwendet wird. Der Vorteil der Pools: Zum Rekeln im Warmen können sie überall draußen aufgestellt werden - sofern man den Platz dafür hat.

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Auf die Ohren

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Quelle: Stephan Rumpf

Es sind besondere Ohrensessel, die da am Stand der südkoreanischen Firma "Rabito" angeboten werden. Der Name erschließt sich aus der Form, die Sitze haben Hasen- oder Kaninchen- (Englisch: rabbit) Ohren. Und sie bestehen aus Luft, beziehungsweise aus aufblasbaren PVC-Hüllen in verschiedenen Größen, für die gibt es dann bunte Stoffüberzüge. Bei der Europapremiere in München ist das Interesse anfangs noch spärlich, doch Kinder kommen wohl kaum an dieser Luftnummer vorbei. Nach dem Kauf sollte man besser keine Kaninchen mehr in der Wohnung halten, denn die Luft ist schnell raus aus einem solchen Möbel. Andererseits: Dann hat man eben wieder mehr Platz.

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Weichmacher

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Quelle: Stephan Rumpf

Einen Verdacht räumt Erich H. Kadner, Geschäftsführer der KD Wassertechnik GmbH aus Aschheim, gleich aus: Dass sein Stand so nahe neben dem der Stadtwerke München steht, das sei keine strategische Überlegung gewesen. Grund dafür gäbe es freilich, meint er. Denn das Münchner Wasser sei einfach viel zu hart, weil zu kalkhaltig. Das wiederum führe zu nachhaltigen Schäden in Leitungen und Geräten. Um das zu vermeiden, bietet KD eine Wasserenthärtungsanlage in Form eines Ionenaustauschers an. Seit vielen Jahren schon, doch die Marktsättigung betrage "gerade einmal fünf Prozent", bedauert Kadner. Erst wenn die Kalkflecken auf den neuen teuren Armaturen kaum noch wegzubringen seien, dann kämen die Kunden. Inzwischen aber würden auch Bauherren, die auf Nachhaltigkeit Wert legten, ihre Häuser mit der Anlage ausstatten, die im Paket mit Montage für ein Einfamilienhaus rund 2000 Euro kostet.

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Frühstückseier garantiert

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Quelle: Stephan Rumpf

Die "Villa Henriette" passt, obwohl für eine Sechser-Belegung gedacht, in jeden Garten, und dann ist daneben sogar noch Platz für "Ursula". Letzteren Namen hat die Firma Buttazoni aus dem österreichischen Himmelberg ihrem Hochbeet gegeben, während die Henriette den Hühnerstall benennt. Der ist aus Aluminium, öffnet und schließt automatisch, wird ebenso beleuchtet und garantiert "kinderleichte Reinigung", wie es am Stand heißt. 2500 Euro koste die Geflügel-Villa mit Eier-Garantie, bei Selbstversorgern sei sie sehr gefragt. Die Hochbeete ebenso. Die gibt es im Miniformat sogar für den heimischen Balkon, auch wenn man da seine Kräuter nicht vor Schnecken schützen muss.

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Gerüttelt und gestärkt

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Quelle: Stephan Rumpf

Weltraumforschung hat der Allgemeinheit viel Segensreiches gebracht, nicht nur in Form von hoch konzentrierter Nahrung aus der Tube. Das Powerboard zum Beispiel, das die Firma Casada auf der Messe anbietet, sei einst für russische Kosmonauten entwickelt worden, um dem Muskelschwund in der Schwerelosigkeit vorzubeugen, erläutert Berater Werner Stichmoth, während die Messebesucher darauf warten, sich auf einem der Ganzkörpertrainingsgeräte durchrütteln zu lassen. Die Vibrationen nämlich entspannten, stärkten die Muskeln, lösten Blockaden und regten den Stoffwechsel an, preist Stichmoth die Vorzüge des auf Gummi gelagerten strombetriebenen Bretts an. So viel Gesundheit auf einmal gibt es zum Messepreis von 1590 Euro. Da greifen manche gleich am Messestand zu - möglicherweise noch unter dem Einfluss der Vibrationen.

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Gehobelte Gesundheit

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Quelle: Stephan Rumpf

Wohlbefinden ist schon für vier Euro zu haben. Dafür gibt es am Stand der Schreinerei Loferer aus Holzkirchen die Zirbe - aber nur in Spänen. Den inzwischen seltenen Nadelbaum verarbeite er voll und ganz, sagt Andreas Loferer: Aus dem Holz schreinert er vor allem Betten, die das Tausendfache der Späne kosten. Gesundheitsbewusste Kunden hätten ihn praktisch aufgefordert, dieses Holz zu verwenden, weil es wohltuenden Schlaf garantiere, sagt Loferer. Die weichen Reste wandern in Kissen, die das Wohlbefinden fördern sollen. Das tut wahrscheinlich auch der Schnaps, der aus den Zapfen, den Zirbelnüssen, gebrannt wird. Leider verbietet sich ein Feldversuch, denn Alkohol darf an einem Schreinerei-Messestand nicht verkauft werden. Die ätherischen Öle der Zirbe sollen auch gegen Motten und sonstiges Ungeziefer helfen.

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Terminator für den Garten

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Quelle: Stephan Rumpf

Unscheinbar sieht er aus, "Flötzer's Neuer Universal Powermähkopf". Der Anbieter ist Messespezialist, entsprechend marktschreierisch preisen seine Mitarbeiter die Geräte für den Garten an. Und entsprechend ist auch der Andrang am Stand. Der Powermähkopf passt auf jede Motorsense und jeden Freischneider, ist, glaubt man dem Messepersonal, ganz leicht zu installieren und schneidet einfach alles. In fünf Varianten bis hin zum Mulchen, das alles ist auf Bildschirmen mitzuverfolgen. "Wenn das wirklich funktioniert", sagt eine Frau zur anderen. Zwei ältere Herren zweifeln erst gar nicht, sondern kaufen den Mähkopf im Paket mit Zubehör zum Messepreis für 100 Euro? Garten, nimm dich in Acht!

© SZ vom 25.11.2016/vewo
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