Hebamme unter Mordverdacht:Klinikum Großhadern verteidigt sich

Lesezeit: 2 min

Es habe keine Anhaltspunkte gegeben, die eine Kündigung rechtfertigten: Das Klinikum Großhadern weist den Vorwurf zurück, die Warnung vor der wegen Mordversuchs festgenommenen Hebamme zu leicht genommen zu haben.

Von Florian Fuchs und Stephan Handel, München

Das Klinikum Großhadern wehrt sich gegen Vorwürfe, die wegen des Verdachts des versuchten Mordes festgenommene Hebamme trotz Warnungen aus einer hessischen Klinik im Dienst belassen zu haben. Wie aktuell in Großhadern sah sich Regina K. auch bei ihrem früheren Arbeitgeber in Bad Soden im Main-Taunus-Kreis dem Vorwurf ausgesetzt, ein Medikament missbräuchlich eingesetzt zu haben - was der Chefarzt der Klinik seinem Münchner Kollegen in einem Brief mitteilte.

Das Schreiben, betont ein Sprecher in Großhadern, sei jedoch erst nach Ablauf der Probezeit der Hebamme eingegangen. Es habe keine Anhaltspunkte gegeben, die eine Kündigung rechtfertigten. Eine telefonische Rücksprache mit Bad Soden gab es allerdings nicht.

Hebamme unter Verdacht
:Münchner Klinikum war gewarnt

Die Frau könne "zur Gefahr für Patientinnen werden": In einem Brief an das Münchner Klinikum Großhadern warnte der frühere Arbeitgeber vor der Hebamme, gegen die nun wegen mehrfachen versuchten Mordes ermittelt wird.

Von Florian Fuchs

Die Münchner Ermittler verdächtigen die 33-Jährige, im Klinikum Großhadern vier Schwangeren das blutverdünnende Mittel Heparin verabreicht zu haben, wodurch diese während ihrer Kaiserschnitte fast verblutet wären. Im hessischen Bad Soden warfen die Ärzte der Frau im Jahr 2012 vor, einer Patientin das Medikament Misoprostol verabreicht zu haben. Der Wirkstoff regt die Wehentätigkeit stark an und gefährdet so das Kind. Die Klinik suspendierte die Hebamme, die dagegen klagte. Ein Gericht bewertete die Beweislage als dünn, weil auch anderes medizinisches Personal in die Betreuung der betroffenen Patientin eingebunden gewesen sei. Der Richter sah keinen Nachweis, dass die Frau das Mittel verabreicht hatte, zumal diese eine entsprechende eidesstattliche Erklärung vorlegte. In einem Vergleich kamen die Parteien überein, dass Regina K. zwar ihre Stelle verliert, jedoch ein Arbeitszeugnis mit der Note "Gut" bekommt.

Mit unbekanntem Ziel umgezogen

Wie aus der Klinik in Bad Soden zu erfahren ist, hatte die Hebamme dort den Ruf, besonders oft bei Geburten mit Komplikationen im Dienst gewesen zu sein. Es gibt jedoch keinen Hinweis auf einen weiteren Medikamentenmissbrauch. Die Klinik meldete den Fall der Hebammenaufsicht im hessischen Wetteraukreis, wo die Frau damals wohnte. Die Aufsicht entscheidet über Zulassung und Berufserlaubnis von Hebammen. Die Verantwortlichen teilten auf Anfrage mit, bei dem Versuch gescheitert zu sein, Regina K. zu kontaktieren. Weil diese wenige Tage später mit unbekanntem Ziel umgezogen sei, habe man nichts weiter unternommen.

Als der Chefarzt in Bad Soden durch eine Mitarbeiterin erfuhr, dass die Hebamme in Großhadern eine neue Anstellung gefunden hatte, warnte er seine Münchner Kollegen in einem Brief eindrücklich: "Ich habe die Befürchtung, dass sich Frau K. wieder in unerlaubter Weise in die geburtshilfliche Betreuung ihrer Patienten involviert." Im Klinikum Großhadern versuchte man zwar, telefonische Rücksprache mit Bad Soden zu halten. Es sei dort aber niemand erreicht worden, sagt ein Sprecher, weshalb allein auf Grundlage des Briefes ein Personalgespräch mit der Hebamme geführt wurde. Da es keine Beweise gegeben habe, sei die Frau nur unter Beobachtung gestellt worden. Ihre Kollegen sollten vor allem auf einen möglichen Missbrauch von wehenfördernden Mitteln achten.

Verdacht gegen Hebamme in München
:Spurensuche im Krankenhaus

Warum wurde Müttern beim Kaiserschnitt in Großhadern Heparin verabreicht? Die beschuldigte Hebamme schweigt. Das Klinikum wehrt sich gegen Vorwürfe. Klar ist nur: Der Druck auf die Geburtshelfer ist in München immens.

Von Florian Fuchs und Jakob Wetzel

Die beschuldigte Hebamme verweigert weiterhin die Aussage. Laut Staatsanwaltschaft liegen die Ergebnisse von Gutachten über die Lebensbedrohlichkeit der Heparingabe sowie über die Frage, inwieweit Gefahr für die Säuglinge bestand, noch nicht vor. Auch gebe es keine Erkenntnisse, wonach es in München weitere Fälle gegeben habe, bei der sich die Frau womöglich etwas zu Schulden kommen ließ. Das Klinikum in Kiel, wo die Frau früher arbeitete, teilt ebenfalls mit, dass die Frau dort definitiv nie auffällig war.

© SZ vom 31.07.2014 / ffu, stha - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: