Hausnotruf der Johanniter:Sicherheit per Knopfdruck

Hausnotruf der Johanniter: Ein Armband wie dieses und eine Basisstation gehören zur nötigen Ausstattung beim Hausnotruf.

Ein Armband wie dieses und eine Basisstation gehören zur nötigen Ausstattung beim Hausnotruf.

(Foto: Christian Endt)

Für Senioren bedeutet der Hausnotruf der Johanniter längere Selbständigkeit, ihren Angehörigen bringt er Entlastung - und das Gesundheitswesen profitiert sowieso.

Von Lisa Kanschat

Ein schrilles, lautes Piepen erfüllt den kleinen Raum in der Schäftlarnstraße Nummer 9. Beate Grimm*, eine junge Frau in einem dunkelblauen Sanitäteranzug mit dem roten Kreuz der Johanniter darauf, springt von ihrem Schreibtischstuhl auf und geht an das klingelnde Handy. "Alles klar, Angelika Walter* kann nicht mehr aufstehen? Ja, bei Ihr waren wir schon zweimal diese Woche. Wir sind auf dem Weg."

Fast gleichzeitg spuckt das Faxgerät Blätter mit den Daten Frau Walters aus. Name,Geburtsdatum, Adresse, Gesundheitszustand, dieTeilnehmernummer. Beate Grimm schnappt sich die Blätter und wendet sich einem massiven mehrtürigen Stahlschrank mit Zahlencode zu. Schnell tippt sie die Nummer ein, die schweren Türen schwingen auf und geben den Blick auf eine eine Reihe von Schiebewänden mit tausenden Schlüsseln frei.

567-999,1000-1546, 1647-2132, die Schlüssel sind penibel sortiert und so findet Beate Grimm binnen Sekunden Angelika Walters Hausschlüssel. Noch schnell bückt sie sich für den schweren roten Verbandsrucksack und sprintet aus der Tür. In ihrer Uniform verschwindet die zierliche 26-Jährige fast, ihre braunen Haare sind gut versteckt unter einer Wintermütze.

Beate Grimm hat Heilpraktik studiert und arbeitet nun für den Hausnotruf der Johanniter. Dieser hat als Ziel, dass in Not geratene Senioren nicht unbemerkt bleiben, sondern ihnen schnell fachgerechte Hilfe zuteil wird. Dafür statten die Johanniter ihre Kunden mit einer Notruf-Basisstation und einem Sender aus. Der Sender wird direkt am Körper als Armband oder Halskette getragen und kann im Notfall gedrückt werden.

Sofort wird der Betroffene dann mit der Zentrale der Johanniter verbunden. Die Mitarbeiter reden über das Gerät mit diesem,schicken Hilfe und benachrichtigen gegebenenfalls den Notarzt. Dieses Szenario wird als "Aktivalarm" bezeichnet, als Zusatzservice können Kunden auch den "Passivalarm" wählen. An der Basisstation befindet sich eine Taste, die die Teilnehmer innerhalb von 24 Stunden einmal drücken müssen, um zu signalisieren, dass es ihnen gut geht. Wird die Taste innerhalb dieser Zeitspanne nicht gedrückt, geht ein Notruf in der Zentrale ein, der Teilnehmer wird angerufen oder in seiner Wohnung aufgesucht.

Allein in der Region München versorgen die Johanniter etwa 4400 Haushalte, mehr als 80 Prozent hinterlegen ihren Hausschlüssel. Die Teilnehmerzahl ist steigend. Auch im Gesundheitswesen dürfte er immer mehr an Bedeutung gewinnen. Laut einer Prognose des statistischen Bundesamtes werden Rentner 2030 fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung Deutschlands ausmachen. Die Kosten für Betreuungsleistungen im Gesundheitswesen steigen durch die Überalterung immer mehr an und könnten Studien zufolge durch den Einsatz des Hausnotrufes deutlich minimiert werden.

Die "Initiative Hausnotruf" geht davon aus, dass der Hausnotruf für 10 bis 20 Prozent der Senioren mit Pflegestufe den Übergang von der ambulanten in die stationäre Pflege um bis zu sechs Monate verzögern könnte. In manchen Fällen könnte diese Zwischenlösung den Umzug in ein Pflegeheim sogar vermeiden.

Die Initiative errechnet außerdem, dass bei einem jährlichen Mehraufwand von 340 Millionen Euro zur Ausstattung aller Pflegebedürftigen mit einem Hausnotruf gleichzeitig bis zu einer Milliarde Pflegekosten pro Jahr eingespart werden können. Auch würden die Rentner ohne den Hausnotruf möglicherweise tagelang unbemerkt bleiben. So aber würden sie schnell fachgerechte Hilfe erhalten, aufwendige ärztliche Behandlungen sowie stationäre Betreuung und anfallende Folgekosten würden vermieden. Ein enormes Einsparungspotenzial scheint sich also hinter dem Hausnotruf zu verbergen - es könnte ihn zu einem Zukunfstmodell für den Umgang Senioren machen.

"Frau Walter ? Hier ist der Notrufdienst der Johanniter!" Das am Türrahmen angebrachte Klangspiel bimmelt laut durch den dunklen Hausflur als Beate Grimm die Wohnung aufsperrt. "Hier bin ich! Im Bad, ich komme nicht mehr hoch!", ruft eine Stimme aus dem Badezimmer.

Die alte Dame ist auf dem Boden ausgerutscht. Sie leidet an multipler Sklerose, die Erkrankung macht es ihr inzwischen unmöglich, selbst wieder auf die Beine zu kommen. Hilflos sitzt sie mit abgespreizten Beinen und aufgestützten Händen auf dem Kachelboden des kleinen Bades. Erleichterung macht sich in ihrem runzligen Gesicht breit, als sie die Helferin erblickt.

"Warten sie, das haben wir gleich!" Beate Grimm weiß genau was zu tun ist, sie greift der Frau unter die Arme, redet beruhigend auf sie ein und versucht sie hochzuziehen. Diese rutscht immer wieder ab, ein Kraftaufwand für Beide. "Halten Sie sich da an der Badstange fest. Kommen Sie, gleich haben wir's!"

Schweißperlen formen sich auf Angelika Walters Stirn und mit verzerrtem Gesicht schafft sie es schließlich, sich aufrecht zu halten. Beate Grimm schiebt ihren Rollstuhl heran und die Frau lässt sich erschöpft hineinplumsen. Geschafft. "Wären Sie nicht gekommen, ich würde wohl noch morgen auf dem Boden sitzen! Ein Glück, dass es Sie gibt!"

Das Gesundheitswesen sieht im Hausnotruf vor allem eine enorme Einsparungsmöglichkeit. Für die Nutzer und deren Angehörige ist etwas anderes wichtiger: Die Unabhängigkeit und Sicherheit der Teilnehmer. Diese können länger in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, während Hilfe im Notfall nur einen Knopfdruck entfernt ist. Das stellt auch für die oft weit entfernt lebenden Familienangehörigen eine große Entlastung dar.

Den Senioren wiederum gibt der Hausnotruf ein starkes Sicherheitsgefühl und die Gewissheit, in Notsituationen nicht alleine zu sein. "Das wünscht man doch eigentlich auch seinen Großeltern und Eltern, oder?" fragt Beate Grimm, während sie Angelika Walters Wohnung wieder verlässt.

*geänderter Name

Die Autorin Lisa Kanschat hat am Ausbildungsgang Modejournalismus/Medienkommunikation der Akademie Mode und Design (AMD) teilgenommen. Die Reportage ist im Rahmen des Kurses "Journalistisches Schreiben" entstanden.

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