Haushaltsplanung:Alles Berechnung

Hanitzsch Berechnung

Wachhund Wolowicz. Zeichnung: Dieter Hanitzsch

Haushalt? Ach, viel zu kompliziert, sagen selbst manche Kommunalpolitiker und geben lieber Geld aus. Doch das sind Ausreden, findet Münchens Kämmerer Ernst Wolowicz - denn die Finanzplanung kann jeder verstehen

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Der Finanzminister einer Kommune, also der Kämmerer, führt das Leben eines unglücklichen Propheten. Hat er schlechte Botschaften, wird er verflucht oder ignoriert. Hat er gute Botschaften, fasst sein Publikum das als Freibrief zum Klotzen auf. Wenn am Ende die Rechnung kommt, heißt es gern: Das mit dem Haushalt, das versteht doch eh keiner mehr. Doch so leicht kommt dem Münchner Kämmerer Ernst Wolowicz, 63, keiner davon. Schon seit mehr als zwölf Jahren macht er diesen Job, er kennt alle Ausreden der Politik. Den Haushalt, sagt er, kann nämlich jeder verstehen, der ein privates Girokonto hat. Da muss einer nur wissen, was im Monat reinkommt und was an Miete, Essen und sonstigen Pflichtabgaben wieder rausgeht. Vom Rest kann er sich was gönnen. Wird ein neuer Kühlschrank und ein neuer Trockner gleichzeitig fällig, reicht der Überschuss vielleicht nicht. Dann sind Schulden eine Option. Hat man davon schon zu viele, wird die Wäsche auf dem Balkon aufgehängt. Oder der Handyvertrag reduziert. Auf Nachfrage gesteht der Kämmerer dann aber schon ein, dass der städtische Haushalt doch ein wenig komplexer ist. Ein Überblick anhand von vier zentralen Leitsätzen einer Wolowicz-Predigt.

"Der Haushalt ist ein fortlaufender Prozess."

Die Zahlen aus einem städtischen Haushalt sind glitschig wie ein Goldfisch. Immer wenn man glaubt, dass man sie im Griff hat, sind sie schon wieder weggeflutscht. Das liegt daran, dass im gesamten politischen Prozess vom Entwurf bis zum Beschluss und den Korrekturen im sogenannten Nachtragshaushalt immer nur Schätzungen und Vermutungen als Basis dienen. Das ist tatsächlich wie beim Girokonto zu Hause: So ganz genau weiß man nie, was der Urlaub im kommenden Sommer kostet. Man kennt zwar die Einnahmen bis dahin relativ genau, weiß auch, was man für den Flug ausgeben muss. Doch ob dazwischen noch der Trockner streikt, ob die Drinks am Strand und der Ausflug auf dem Tauchschiff nicht teurer sind als geplant, das lässt sich schwer vorhersagen. Also muss man möglichst früh und sorgfältig in die Zukunft planen, die Erfahrungen vom letzten Mal einbeziehen und dann rechnen. Das erledigen die städtischen Referate bis zum Frühsommer schon für das folgende Jahr. Wie viele neue Stellen sind nötig. Was muss in jedem Fall bezahlt werden und wo kann man selbst noch Schwerpunkte bei der Arbeit setzen. Da ein wenig Sicherheit der Psyche gut tut, neigen die Referate zu hohen Kostenansätzen. Lieber bleibt am Ende was übrig, als dass das Geld ausgeht. Der Kämmerer verteilt nun im Sommer auf Basis seiner Einnahme-Prognosen seine Mittel. Er muss eine Balance finden zwischen dem Kontostand und den tatsächlich relevanten Wünschen der Verwaltung. Ein erster Entwurf des Haushalts wird gebastelt, der im Herbst nochmals in Gesprächen konkretisiert wird. Danach geht das Zahlenwerk in den Stadtrat, die Vollversammlung beschließt meist im November den Plan für das kommende Jahr. Dieses läuft dann erst mal gemütlich an, doch schnell zeigt sich, dass die Drinks und der Tauchausflug teurer werden, dafür aber ein Bonus das Einkommen aufbessert. Die Pläne werden konkreter und nochmals über den Sommer konkretisiert. Ebenfalls im Herbst werden alle neue Zahlen im Nachtragshaushalt eingearbeitet. Dann vergehen noch ein paar Monate, bis im Frühjahr darauf eine Endabrechnung erstellt wird. Manche Investition musste verschoben werden, manche Stelle wurde nicht besetzt, bei vorsichtiger Planung fällt das Ergebnis dann in der Regel besser aus, als der Plan vorsieht.

"Der Stadthaushalt funktioniert wie ein privater Haushalt."

Im Prinzip geht es immer um das Gleiche: eine Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben, die möglichst nicht ins Minus rutscht. Die Stadt München hat allerdings nicht nur ein "Gehalt", sondern erhält aus vielen verschiedenen Quellen Geld. Die wichtigsten: die Gewerbesteuer (rund 2,5 Milliarden Euro), der kommunale Anteil an der Einkommensteuer (eine Milliarde), Grund- und Grunderwerbssteuer sowie staatliche Umlagen. Und natürlich das, was die Münchner an Kommunalabgaben zahlen, die Hunde- oder Zweitwohnungssteuer etwa. Dieses Geld sollte möglichst nicht ganz ausgegeben werden. Eine Familie würde mit den Überschüssen wohl in den Urlaub fahren, Wolowicz stemmt damit die Investitionen. Den Neubau von Schulen oder Kindertagesstätten beispielsweise, die Wohnungsbauoffensive, neue Straßentunnel oder U-Bahn-Röhren. Demnächst stehen Großprojekte wie die Sanierung des Gasteigs oder der Neubau des Volkstheaters an. Reicht der Überschuss nicht für alles, muss Wolowicz entweder übers städtische "Girokonto" ausgleichen, den sogenannten Finanzmittelbestand. Oder aber etwas von der hohen Kante holen. Die Stadt besitzt für schlechte Zeiten freiwillige Finanzreserven, rund eine halbe Milliarde Euro ist kurzfristig verfügbar. Möglich wären auch neue Schulden, der niedrige Zinssatz ist durchaus verlockend.

"Die Politik kann nur einen kleinen Teil des Haushalts beeinflussen."

Auf der Ausgabenseite fallen vor allem zwei städtische "Ministerien" auf: das Sozial- und das Bildungsreferat, beide mit einem Jahresetat von rund 1,3 Milliarden Euro (zum Vergleich: Die Kämmerei selbst erhält nur 39 Millionen). Beide Referate erledigen vor allem Pflichtaufgaben. Die Kommune muss Schulen und Kindergärten bauen, Lehrer müssen bezahlt werden (wie übrigens auch alle anderen städtischen Angestellten). Die Höhe der Sozialhilfe ist gesetzlich vorgegeben, die Stadt kann nicht einfach Leistungen streichen. Auch die Betreuung von anerkannten Flüchtlingen zählt zu den Aufgaben der Stadt. Wolowicz schätzt, dass realistischerweise nur etwa zehn Prozent des Haushalts Verfügungsmasse sind, mit der die Stadträte politische Akzente setzen können.

"Wenn Freistaat oder Bund so rechnen würden wie die Stadt München, wären sie weit in den roten Zahlen."

Anders als die Stadt München und der große Rest Europas halten Freistaat und Bund bisher an der Kameralistik fest, einer reinen Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben. Prinzip: Geld, das nicht aktuell in Bewegung ist, taucht in der Bilanz nicht auf. Wolowicz dagegen hat schon vor Jahren auf die sogenannte Doppik umgestellt, die auch "totes Kapital" wie etwa die Immobilie Neues Rathaus, Rückstellungen, Abschreibungen oder Pensionsverpflichtungen berücksichtigt. Wenn das auch der Freistaat täte, so Wolowicz, sähe dessen Finanzsituation weniger rosig aus.

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