Haushalt der Stadt:München lebt über seine Verhältnisse

  • Der Münchner Stadthaushalt muss überarbeitet werden - ein Novum in der Stadtpolitik.
  • Derzeit lebt die Stadt über ihre Verhältnisse: Die Einnahmen brechen weg, Ausgaben etwas beim Personal und Bauprojekten sind zu hoch und die Stadtwerke-Zahlungen fallen aus.
  • Bis 2017 könnten die Rücklagen aufgebraucht sein, neue Schulden drohen.

Von Dominik Hutter

Stark steigende Ausgaben bei deutlich sinkenden Einnahmen: Dem Haushalt der Stadt München droht auf längere Sicht ein Fiasko - falls der Stadtrat nicht rasch gegensteuert. Aktuell, da sind sich Finanzexperten im Rathaus einig, lebt die Stadt klar über ihre Verhältnisse. Die Rücklage im Verwaltungshaushalt, zu Jahresbeginn noch rund eine Milliarde Euro, wird sich nach SZ-Informationen in diesem Jahr mehr als halbieren, spätestens 2017 könnten neue Schulden drohen. In welcher Höhe, ist noch unklar.

Rathaus-Politiker halten es für möglich, dass in einigen Jahren die Rekordmarke von 2005 überschritten wird: gut 3,4 Milliarden Euro. In den Fraktionen macht sogar die Zahl von vier bis sechs Milliarden die Runde. Kämmerer Ernst Wolowicz hat die für nächste Woche geplante Einbringung des Haushaltsentwurfs 2016 in den November verschoben. Das Papier muss in großen Teilen überarbeitet werden.

Der Schritt Wolowiczs ist ungewöhnlich, Haushaltspolitiker im Rathaus können sich an keinen vergleichbaren Vorgang erinnern. Die Kämmerei will nun erst am 19. November im Stadtrat über das dann aktualisierte Zahlenwerk debattieren. Verabschiedet werden soll es dann wie ursprünglich geplant in der Plenumssitzung am 16. Dezember. "Ich wollte nicht, dass eine Gespensterdiskussion mit überholten Zahlen stattfindet", begründete Wolowicz sein Vorgehen. "Grundlegende Parameter" müssten verändert werden, sowohl auf der Einnahmen- wie auch auf der Ausgabenseite.

Warum der Haushalt zurückgezogen wurde

Nach Auskunft von SPD-Finanzsprecher Hans Dieter Kaplan fehlt der Kämmerei bei den Einnahmen überraschend ein "mittlerer dreistelliger Millionenbetrag". Unter anderem, weil die Stadtwerke 2015 erstmals seit vielen Jahren deutliche Verluste einfahren werden und deshalb kein Geld an die Stadtkasse überweisen. Wolowicz hatte dafür rund 200 Millionen Euro eingeplant, die nun herausgerechnet werden müssen. Bei der städtischen Tochtergesellschaft stehen "ein paar magere Jahre" an, warnte Kaplan. Prinzipiell aber sei das Unternehmen gesund.

Die Stadt stellt sich zudem auf einen vorerst noch überschaubaren Einbruch bei der Gewerbesteuer ein, der wichtigsten Einnahmequelle im Kommunalhaushalt. Offenbar haben Münchner Unternehmen das Rathaus schon einmal vorgewarnt, dass der Geldfluss schwächer werden könnte.

Noch gravierender ist die Situation bei den Ausgaben, die der Stadt über den Kopf zu wachsen drohen. Darin liege das eigentliche Problem, analysiert CSU-Finanzsprecher Michael Kuffer. "Die Stadt hat über Jahre ein Ausgabenproblem angehäuft, das nur durch die hervorragende Einnahmesituation verdeckt wurde."

Welche Ausgaben noch auf die Stadt zukommen

Besonders stark schlägt inzwischen das Personal zu Buche. Weil München so stark wächst, hat der Stadtrat den Referaten immer wieder zusätzliche Mitarbeiter gegönnt, um die Arbeit noch leisten zu können. Nach SZ-Informationen wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren 2200 neue Kollegen eingestellt. Allein in der Vollversammlung im Juli 2015 waren es fast 500. Diese Mitarbeiter müssen nicht nur bezahlt werden. Sie brauchen Büros und Arbeitsmaterialien, was weitere Ausgaben verursacht.

Dazu kommen die zahlreichen Projekte, die das schwarz-rote Rathausbündnis auf den Weg bringen will. Die milliardenteure Schulbauoffensive etwa, mit der die teilweise vernachlässigten Gebäude saniert und neue errichtet werden sollen. Die Gasteig-Sanierung. Der Neubau von Großmarkthalle und Volkstheater, die Sanierung des Olympiaparks, das Rettungsprogramm fürs städtische Klinikum, neue U-Bahn- und Tramstrecken, weitere Tunnel am Mittleren Ring. Erst kürzlich hat der Stadtrat ein Wohnungsbauprogramm in dreistelliger Millionenhöhe beschlossen. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften müssen seitdem für städtische Grundstücke nichts mehr bezahlen - auch dieses Geld fehlt natürlich im Haushalt der Kämmerei. Allein die Projekte, die aktuell diskutiert werden, aber noch nicht beschlossen sind, machen geschätzte zwölf Milliarden Euro aus.

"Die fetten Jahre sind vorbei", schlussfolgert Grünen-Finanzexperte Florian Roth. Schwarz-Rot müsse nun auswählen, was wünschenswert und was entbehrlich ist. Es sei schon länger absehbar gewesen, dass es so nicht weitergehen kann. Eine Einschätzung, die im Rathausbündnis geteilt wird. SPD-Mann Kaplan sagt: "Die Zeit, in der wir locker Zusatzausgaben tätigen konnten, ist vorbei."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: