Haus der Kunst:Der verstellte Blick

Architekt Paul Ludwig Troost, 1930-1934

Paul Ludwig Troost hat das Haus der Kunst geplant.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Das Faschistische in der Architektur: gestern und heute

Von Susanne Hermanski

Der Mensch macht es sich gern einfach. Und schön einfach wäre es, die Welt in gut und böse einzuteilen. Das Problem dabei: Das funktioniert noch nicht einmal beim Menschen selbst. Bei Mauern noch viel weniger. Das Haus der Kunst ist so ein Gebäude der Widersprüche, an dem sich die Münchner seit Kriegsende abarbeiten. Und das in Form - man übertünchte und verschalte Allerlei im Inneren, versuchte, aus Braun Weiß zu machen - und Inhalt: Schon seit 1949 zeigte man sich im früheren "Haus der Deutschen Kunst" weltoffen, in den Sechzigern versuchte man es mit einem besonders klaren Antidot zur seiner toxischen Vergangenheit, der Ausstellung "Entartete Kunst. Bildersturm vor 25 Jahren".

2014 wurde dann die Archiv Galerie im Haus der Kunst eröffnet. In dem zentral gelegenen und kostenlos zugänglichen Ausstellungsraum ist die Galerie jederzeit sichtbares Gedächtnis der wechselvollen Geschichte. Anhand von Dokumenten und Fotografien stellt sie den komplexen historischen Prozess dar, den das Haus durchlaufen hat, und sie wird ständig aktualisiert. Doch half das alles wenig. Schon als Christoph Vitali anlässlich des 60. Jahrestages des Hauses der Kunst sagte, "Mauern tragen keine Schuld", und er den "Kritischen Rückbau" der Münchener Geschichtsverkleisterung im Inneren des Hauses ankündigte, wurde reflexhaft Empörung laut. Noch lauter ist sie jetzt. Denn nun fordert David Chipperfield ein weiteres Sichtbarmachen und ein in allen seinen Facetten "geöffnetes" Haus der Kunst - mit neuen, transparenten Sichtachsen durch das Gebäude hindurch und auf das Haus von außen. Doch alles, was bei den Kritikern ankommt, ist der Eindruck, hier solle nun ein reaktionärer Akt vollzogen werden. Warum? Dieser Reflex fußt auf eben jener ersehnten Gewissheit, dass sich das absolut Böse doch irgendwo festmachen lässt - nämlich wenigstens in den Repräsentationsbauten des NS-Regimes. Als wären diese geradewegs der Hölle entwachsen. Dabei hat Paul Ludwig Troost, der Architekt des Hauses der Kunst, Hitler mit einer durchweg irdischen Formensprache begeistert: mit der ollen Wucht des Neoklassizismus und dem monumentalen Art Deco, der in den Zwanzigerjahren in ganz Europa verbreitet war. Kombiniert hat Troost beides mit Stilelementen aus den Luxusdampfern, die er ausgestattet hatte, und die ganz Hitlers Traum vom Großbürgerlichen entsprachen.

Eine, wenngleich auch bequeme Verteufelung des Gebäudes bringt die Debatte nun kein bisschen weiter. Auch hilft es kaum, das Haus der Kunst äußerlich mit Störsignalen zu versehen. Nur ein Vorschlag, den Till Briegleb jüngst im Art Magazin machte, hat da was: Warum nicht einfach Hitlers Geburtshaus, dieses harmlose Biedermeierhäusl, das die Braunauer sowieso wegreißen wollen, auf das Dach des Hauses der Kunst setzen?

Faschismus ist eben nicht nur da drin, wo explizit drauf steht: Hallo, ich bin ein Nazibau! Totalitäre Ansprüche stecken immer im Detail. Aber wer erkennt solche Details heutzutage? Wer schaut genau auf all die Steinwüsten, die heute vielerorts wie verwaiste Aufmarschplätze vor Hochhäusern und Konzernzentralen liegen? Wer richtet seinen Blick wirklich kritisch auf die aus dem Boden geschossenen Metropolis-Kulissen-Kuben rund um die Friedenheimer Brücke oder auf die Luxusschuhkarton-Kasernen entlang der Bahngleise? Kaum einer.

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