Hauptbahnhof:Weite Wege

Münchner Hauptbahnhof bei Nacht, 2010

Kreuz und quer: Wer am Hauptbahnhof das Gleis wechseln will, muss oft einen langen Weg in Kauf nehmen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Linke fordert Querverbindung zu den Gleisen am Hauptbahnhof

Von Andreas Glas

Jetzt, da der Hauptbahnhof endlich neu gebaut werden soll, reden die Stadträte über Architektur, Ästhetik und vor allem darüber, ob auf dem Bahnhofsvorplatz Autos fahren dürfen oder nicht. Es geht also viel um die Optik und das Drumherum. Es wirkt so, als habe die Stadtpolitik vergessen, dass es in einem Bahnhof auch Züge und Zugreisende gibt und dass so ein Neubau eine gute Gelegenheit wäre, darüber nachzudenken, wie man die Abläufe innerhalb der Bahnhofshallen angenehmer machen kann. "Wenn wir das jetzt nicht machen, dann wird das in 100 Jahren nichts", sagt dagegen Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke). Konkret meint Wolf die weiten Wege im Hauptbahnhof, über die sich die Zugreisenden bereits seit Jahrzehnten ärgern.

"Sehr unpraktisch" findet sie, dass es keine Möglichkeit gibt, die Gleise unter- oder oberirdisch zu überqueren. Wer an einem der Bahnsteige aus dem Zug kommt und umsteigen muss, hat einen langen Marsch vor sich, bis er einen anderen Bahnsteig erreicht. Am härtesten trifft es diejenigen, die am Starnberger Flügel im Nordteil des Bahnhofs ankommen und am Holzkirchner Flügel im Südteil umsteigen oder umgekehrt. Diejenigen also, die einmal rings um das Gleisbett wandern müssen, was locker zehn Minuten dauert oder noch länger, falls man nicht mehr gut zu Fuß ist oder mit Skigepäck beladen, weil vom Holzkirchner Flügel aus die Züge in die Berge fahren. Also hat Brigitte Wolf am Mittwoch im Stadtrat vorgeschlagen, eine Querverbindung zwischen Nord- und Südflügel zu bauen. Wenn man eh dabei ist, den Hauptbahnhof neu zu bauen, sei das doch eine gute Gelegenheit, fand Wolf.

Das Problem: Mit ihrem Vorschlag war Wolf ziemlich allein, als sie am Mittwoch im Stadtrat ans Mikro trat. Außer aus der Grünen-Fraktion kam keinerlei Unterstützung für die Querverbindung. Die rot-schwarze Koalition ging nicht einmal auf Wolfs Vorschlag ein, sie stritten lieber untereinander über den autofreien Bahnhofsvorplatz, über das Drumherum eben. Auch Bahn-Bauvorstand Rolf Reh winkte ab: "Unterführungen schaffen Angst-Räume", sagte er, deshalb seien "einsehbare Bahnhöfe die beste Lösung". Eine Überführung übers Gleisbett könne wiederum anziehend für suizidgefährdete Menschen sein. Die Sache mit den kürzeren Wegen ist für Bahn und Rathauskoalition schon erledigt, bevor wirklich drüber geredet wurde.

Brigitte Wolf und ihre Fraktion wollen sich damit nicht zufrieden geben und planen, gemeinsam mit der ÖDP einen Antrag, in dem sie das Planungsreferat auffordern, die Nord-Süd-Verbindung ernsthaft zu prüfen. Die Argumente der Bahn findet Wolf jedenfalls "nicht sehr überzeugend". Schließlich könne eine Unterführung nur dann ein Angst-Raum sein, wenn dort kaum Menschen unterwegs seien. "Aber am Hauptbahnhof sind solche Massen unterwegs, dass eine Querung sogar für eine Entzerrung sorgen würde", sagt Wolf. Und suizidgefährdete Menschen könne man schützen, indem man eine mögliche Überführung komplett verglast, wie das zum Beispiel am Regensburger Hauptbahnhof der Fall sei. Für Wolf ist die Sache klar: Für die Bahn ist eine Querung schlicht zu teuer. "Es wäre ein Service für die Reisenden, aber es ist nichts damit verdient, das ist das Problem."

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