Hauptbahnhof:Prostitution im Sperrbezirk

Hauptbahnhof: Das Bahnhofsviertel in München

Das Bahnhofsviertel in München

(Foto: Robert Haas)

Rund um den Münchner Hauptbahnhof breiten sich Zuhälter aus, Frauen schaffen an - obwohl das verboten ist. Inhaber von Geschäften und Bars fühlen sich bedroht.

Von Birgit Lotze

Bordelle und Sex-Clubs gibt es nicht am Hauptbahnhof. Im Sperrbezirk ist Prostitution verboten. Doch offenbar ist eine Szene entstanden, die sich darum nicht kümmert. In der Nacht auf Samstag kontrollierte die Polizei in der Schillerstraße in einem Nachtlokal 80 Personen. Das Fazit der groß angelegten Aktion: Bei 24 durchsuchten Frauen besteht der Verdacht, dass sie illegal anschaffen. Von einem der Männer, die sich in dem Lokal aufhielten, vermuten die Ermittler, dass er dort als Zuhälter tätig ist.

Das Problem beschränkt sich aber nicht auf einen Club. Überhaupt habe die Polizei rund um den Hauptbahnhof wesentlich häufiger als früher mit Prostitution zu tun, sagt Kriminalhauptkommissar Werner Kraus, Pressesprecher im Polizeipräsidium.

Auffällig viele Zuhälter und Prostituierte

Mitarbeiterinnen von Tabledance-Bars erzählen, seit etwa zwei Jahren trieben sich auffällig viele Zuhälter und Prostituierte im Bahnhofsviertel herum. Diebstähle, Schlägereien, der Handel mit Drogen und auch der Konsum hätten sichtlich zugenommen. "Uns, die dort arbeiten, jagen diese Leute Angst ein", sagt eine Barfrau aus der Schillerstraße. "Sie bedrohen uns, sie beklauen die Touristen und nehmen uns unser Geschäft weg." Die Frauen fordern mehr Kontrolle, mehr Polizei, in jedem Fall mehr Einmischung durch die Stadt. Die Sitte werde der Lage nicht mehr Herr, behauptet die Barfrau.

Um Rückhalt und Aufmerksamkeit für ihr Problem zu bekommen, hat die Barfrau mit drei Kolleginnen eine Unterschriftenaktion gestartet. Betreiber und Mitarbeiterinnen aus dem Cabaret-Milieu haben unterschrieben, ebenso auch einige Geschäftsführer und Mitarbeiter von Imbissen, Restaurants und Hotels. Auch Anwohner und Ladeninhaber sollen noch angesprochen werden. "Wir wollen, dass die Schillerstraße und die umliegenden Straßen rund um den Hauptbahnhof wieder sauber und sicher werden", so die Barfrau.

Die Mittel der Polizei sind eingeschränkt

Die Polizei bestätigt weitgehend die Beschreibungen der Frauen. Die Kontrollen seien deshalb bereits verstärkt, die Sitte sei häufiger unterwegs, zivile und uniformierte Polizei. Ein Ausfluss dieser neuen Strategie ist offenbar auch die Kontrolle am Wochenende gewesen. 50 Polizisten waren dabei im Einsatz, die Beamten stellten zwei beheizte Zelte auf die Schillerstraße und kontrollierten von Mitternacht bis 6 Uhr morgens. Neben des Verdachts der unerlaubten Prostitution bestätigten sich auch Hinweise auf regen Drogenhandel: Die Einsatzkräfte stellten Kokain, Marihuana und Haschisch sicher.

Allerdings sind neben solch groß angelegten Kontrollaktionen die Mittel der Polizei eingeschränkt, um dem Treiben im Bahnhofsviertel Herr zu werden. Die Beamten könnten auf der Straße vorübergehende Platzverweise aussprechen, sagt Polizeisprecher Werner Kraus. Doch es sei schwierig, jemandem Prostitution oder Zuhälterei nachzuweisen. Und zu viel Polizeipräsenz am Hauptbahnhof führe nicht unbedingt zu mehr Sicherheit, zumal die Beamten dann an anderer Stelle fehlten.

Die Szene ist gut vernetzt

Wie es vor Ort läuft, erklärt ein Beamter bei der Sitte. Die Szene sei über Handy vernetzt und informiere sich gegenseitig, wenn die Polizei anrücke. Die Prostituierten verschwänden dann für zwei, drei Stunden. Man könne auch keine Frau verhaften, die aussage, sie gehe spazieren, auch nicht, wenn man sie seit Monaten täglich auf der Straße sehe. Wenn eine Frau einem Mann Geld zustecke, könne man nicht zwingend daraus schließen, dass er Zuhälter ist. Namentlich seien der Polizei eine Reihe von Personen, die vermutlich Sex-Dienste um den Hauptbahnhof anbieten, bekannt. Doch das reiche nicht, um die Szene zurückzudrängen. "Uns sind die Hände gebunden", sagt der Kriminalpolizist.

Ihre Namen wollen die Frauen, die die Unterschriftenaktion gestartet haben, noch nicht öffentlich machen. Dreimal bereits sei die Tür ihrer Bar eingeschlagen worden. Sie seien mit Flaschen beworfen worden, sagt die Barfrau. Früher habe man sich problemlos durch das Viertel bewegen können, erzählt ihre Kollegin. Nun kriege sie weiche Knie, wenn sie morgens um fünf Uhr alleine die Bar zusperren muss.

Zuhälter werben die Kunden ab

Den Initiatoren der Unterschriftenaktion geht es letztendlich auch um Umsatzausfälle. Die neue Prostituierten-Szene bietet ihre Dienste offenbar weit unter den üblichen Marktpreisen an: Während sich die Tabledance-Mitarbeiter an die Gesetze halten, ihre Steuern bezahlten und ausschließlich animierten, würden die Zuhälter die Kunden abwerben, sagen die vier Frauen. Gäste sollen berichtet haben, dass sie vor der Tür zur Tabledance-Bar angesprochen wurden: "Hier kriegst du nur einen Drink und Tabledance. Bei uns kriegst du das volle Programm."

Die Polizei setzt laut Sprecher Kraus auch auf verstärkte Kooperation mit dem Kreisverwaltungsreferat (KVR), bei Gesprächen seien weitere Maßnahmen diskutiert worden. Neben Platzverweisen müssten neue Lösungen her, um die Szene zurückdrängen. Beim KVR heißt es, derzeit werde geprüft, inwieweit sogenannte Aufenthaltsverbote erlassen werden könnten, die längerfristig als Platzverweise wirkten. Das Problem müsse noch "aufgearbeitet" werden, so KVR-Sprecher Florian Schmelmer. "Aber wir werden sicher ein gemeinsames Vorgehen festlegen können."

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