Hasenbergl:Kommandobrücke am Stadtrand

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Scharfe Schnauze, breites Heck: Die Form der Kindertagesstätte folgt den baulichen Möglichkeiten. (Foto: Betz Architekten)

Im Hasenbergl entsteht eine Kita wie ein Raumschiff - das eingeschränkte Baurecht erfordert einen besonderen Zuschnitt

Von Simon Schramm, Hasenbergl

In Feldmoching-Hasenbergl sind sämtliche Gesellschaftsschichten der Großstadt vertreten, Großverdiener ebenso wie Hartz-IV-Empfänger, Traditionshüter wie die urbane Großfamilie. Erstaunlich sichtbar wird diese Mischung entlang der Trasse der Dülferstraße. Sie führt vom noch ländlich anmutenden Feldmoching im Nordwesten bis ins östlich davon gelegene Hasenbergl mit seinen Hochhäusern. Am nordöstlichen Rand der Straße, auf Höhe der Nummer 32, werden in diesen Tagen die Fundamente für eine Kindertagesstätte gelegt, die mit ihrem Erscheinungsbild genau diese Schnittstelle sichtbar machen will.

"Der Bereich markiert den Übergang von der Stadt zum Außenbereich", sagt Architekt Oliver Betz, Leiter des Münchner Büros Betz Architekten. Aus dem Rahmen fällt die Kita für Betz aber aus einem anderen Grund: "Wir haben eine Form ähnlich einem Flugzeug oder Raumschiff entwickelt. Und die Kinder fungieren als Piloten." Der prägnante Gebäudezuschnitt mit V-Spreizung, scharfer Schnauze und einem breiten Heck ist entstanden, weil nur ein Teil des Grundstücks bebaubar ist. Betz erklärt: "Unter dem Grundstück verlaufen eine Wasser- und eine Stromleitung." Eine Seite des Hauses liegt darum gezwungenermaßen an den freien Teil des Grundstücks an, wo die Grünfläche mit Spielplatz sein wird. Um eine kennzeichnende Gebäudeform zu finden, hat Betz schlicht die Schräge auf der westlichen Seite erwidert. Jeweils im vorderen Gebäudeteil im ersten und zweiten Stock werden die Gruppenräume des Kindergartens sein. Die spitze Front wird vom Boden bis zur Decke verglast, mit einer Aussicht wie auf einer Kommandobrücke. "Die Kinder haben den Ausblick auf die Stadt München und können sehen, was auf der Straße passiert", sagt der Planer.

Im westlichen Flügel der Kita an der Dülferstraße kommt die Verwaltung unter, im östlichen die Krippenräume. Hervorgehoben hat der Architekt das Treppenhaus, es wird im zentralen Teil des "Flugzeugs" liegen. Der Bereich um die Stiegen soll nicht nur Durchgang, sondern Ort der Präsenz, eigener Bestandteil im Kita-Alltag sein. Darum wird das Treppenhaus an die Spielflure anschließen, darum hat Betz an dem Abschnitt über dem Treppenhaus das Beton- zu Gunsten eines Glasdachs ausgewechselt und so den Gesamtbereich stark aufgehellt, darum bezeichnet er Flur und Treppenhaus auch als einen eigenen "Raum", der Gemeinschaft und Begegnung schafft. Im Erdgeschoss könnte der Bereich zum Beispiel zu einer Art Mini-Aula werden, wo sich nach Betz' Vorstellung zum Nikolaus die Kita-Gesellschaft versammelt und ein Teil der Kinder auf den Treppenrängen sitzt.

Das Gebäude wird zum einen in seiner modernen Form herausstechen - und zum andern soll es sich in seiner Nähe zum Grünstreifen des Feldmochinger Angers einfügen. Auf dem Dach, vollständig begrünt, wird eine Photovoltaikanlage installiert sein. Die Freifläche wird aus Lärmschutzgründen mit einer Wand eingefasst. Als Übergang soll die ebenfalls begrünte Schallschutzwand in die spitze Front am Erdgeschoss reibungslos einlaufen. Im Osten des Erdgeschosses liegt ein größerer Mehrzweckraum, etwa als Turnhalle zu nutzen, dessen zur Freifläche angrenzende Zugänge vollständig zu öffnen sein werden. Die honigfarbene Holz-Fassade aus sibirischer Lärche werde mit der Zeit vergrauen, sagt Betz, das Material für Decken, Balkone und Dach ist Sichtbeton. Balkon und Dach betonen die raumschiffhafte Struktur der Kita. Geht es nach dem Planer, sollten die vordergründig als Fluchtweg dienenden Balkone für die Kinder geöffnet werden.

Drei Jahre hat das Architekturbüro an den Entwürfen gearbeitet, Bauherr ist die Stadt. Die Kosten belaufen sich auf vier Millionen Euro. 74 Plätze soll es in der Tagesstätte geben, 50 Kinder für die Kindergartengruppe, 24 in der Krippe. Vorgesehen ist die Fertigstellung des "Flugobjekts" für Juni 2019.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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