Hasenbergl:Angst vor einem Dammbruch

Der Anschluss der Schleißheimer Straße an den Autobahnring A 99 soll zur Verkehrsberuhigung im Münchner Norden beitragen. Grüne und Bund Naturschutz haben große Vorbehalte gegen eine Tunnellösung im Hartelholz

Von Simon Schramm, Hasenbergl

Es ist ein Projekt im Anfangsstadium, dessen mögliche negative Auswirkungen am Horizont dennoch schon sichtbar sind, würde es realisiert werden. Der Anschluss der Schleißheimer Straße an den Autobahnring A 99 ist eine der vielen Maßnahmen des Verkehrskonzepts München Nord, die auf den Straßen dort eine Entlastung bewirken und gleichzeitig die erwartbare Neubelastung durch den Bau des BMW-Forschungszentrum FIZ abfedern sollen. Zwischen der Schleißheimer Straße und der Autobahn liegt aber ein außerordentlich schützenswertes Grüngebiet: die Panzerwiese und das Hartelholz, zwei Flächen, die seit 2002 als europäisches Naturschutzgebiet gemäß der Flora-und-Fauna-Habitat-Richtlinie ausgewiesen sind. Wenn der Anschluss kommt, wird in das Grüngebiet eingegriffen werden müssen.

Der Ortsverband München Nord der Grünen lehnt den Anschluss vollends ab und hat seine Zweifel bei einer gut besuchten Begehung im Hartelholz entlang des möglichen Trassenverlaufs am Montagabend ausgebreitet. Auch der Bund Naturschutz München (BN) ist wegen der Planungen alarmiert. "Wir sehen es nicht so, dass der Anschluss per Tunnel alternativlos ist. Wir wollen das Schutzgebiet bewahren", sagte der Münchner BN-Chef Christian Hierneis. Der BN überlegt bereits, bei Beschluss für den Anschluss gerichtlich dagegen vorzugehen.

Hasenbergl: Mit Holzkreuzen haben die Grünen den möglichen Trassenverlauf durch das Hartelholz markiert.

Mit Holzkreuzen haben die Grünen den möglichen Trassenverlauf durch das Hartelholz markiert.

(Foto: Robert Haas)

Viele Detailfragen des Projekts sind noch offen. Stadtrat Paul Bickelbacher (Grüne) erklärte, dass das Planungsreferat die Pläne für den Anschluss kürzlich an das Baureferat abgegeben habe, das nun in einer Machbarkeitsstudie untersuchen wird, wie der Anschluss ausgeführt werden könnte. Wie die Trasse nach derzeitiger Vorstellung im Hasenbergl ungefähr verlaufen könnte, hat der Ortsverband der Grünen bei der Begehung anhand von aufgestellten Holzkreuzen sichtbar gemacht. Zum Ende der Schleißheimer Straße hin könnte der Tunnel östlich der Hochhäuser an der Fortnerstraße dabei schon im Gebiet der Panzerwiese verlaufen. Im Wald am Hartelholz müsste der Tunnel in der Umgebung der Autobahntrasse wieder zur Oberfläche gelangen und an die Autobahn anschließen; dort wäre ein Eingriff wohl unvermeidbar. Eine ältere Studie geht von einem Baufeld von etwa 22 Metern Breite aus.

Stefan Fiedl von der Unteren Naturschutzbehörde sagte: "Wie intensiv die Beeinträchtigung ausfallen wird, kann man erst bei der endgültigen Planung beurteilen." So sei die Idee noch nicht vom Tisch, die Straße auch an die Autobahn in Richtung Osten anzuschließen; bisher geht man nur von einem Anschluss an die A 99 in Richtung Westen aus. So oder so müsste die Regierung von Oberbayern dem Vorhaben zustimmen, wenn in das Gebiet eingegriffen wird. Wegen der Qualität des Gebietes ist der Bau nur zulässig, wenn nachweislich keine Alternative möglich ist.

Verkehrskonzept

SZ-Grafik: Eiden, Mainka; Quelle: Referat für Stadtplanung und Bauordnung München

Wie stark der Tunnel das Schutzgebiet zerstören würde, hängt davon ab, wie er gebaut und wie er letztlich gestaltet wird. Dass der Tunnelanschluss das Schutzgebiet beeinträchtigen würde, ist seit 2012 festgestellt. Damals wurde untersucht, wie eine lange Tunnelversion ab Höhe der Dülferstraße aussieht. Mittlerweile wird eine lange Variante bevorzugt, bei der der Tunnel auf Höhe der Rathenaustraße im Harthof beginnt. In welcher Bauweise der Tunnel entsteht, ist noch offen. Die Grünen gehen aber davon aus, dass die Bauweise aus der Studie von 2012 Anwendung findet, derzufolge die Straße und das Grüngelände aufgerissen und danach neu abgedeckt werden. Dafür spreche auch, dass diese Bauweise billiger sei als per Tunnelvortriebsmaschine im Untergrund.

Besonderes Augenmerk bei der Prüfung wird man auf die Stelle legen, wo der Tunnel auf die U-Bahnstation Dülferstraße trifft. Würde der Tunnel auf Höhe des Sperrengeschosses realisiert, würde er zweispurig, so Stadtrat Bickelbacher; in diesem Fall wären Anschlüsse an das bestehende Verkehrsnetz denkbar. Eine zweite Möglichkeit wäre, den Tunnel vierspurig zu bauen und unter der U-Bahn-Station zu führen; in dieser Variante könnte der Tunnel nicht an das Netz angeschlossen werden, etwa an die Neuherbergstraße.

Aus Sicht der Grünen würde der Tunnel zu keiner Entlastung führen, sondern mehr Verkehr anziehen. Der Bund Naturschutz fürchtet einen "Dammbruch": Nach einem Anschluss durch das Hartelholz könnten weitere Fälle folgen, bei denen in ein FFH-Gebiet eingegriffen wird. Als Alternative plädieren Grüne und BN für eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Grünen fordern etwa, den Bahn-Nordring für den Personennahverkehr zu öffnen, oder eine Trambahn- statt der U-Bahnlinie 26 einzurichten, die mehr Aussicht auf eine rasche Realisierung habe. Die Koalition im Stadtrat aus CSU und SPD hält derzeit am Tunnel fest. "Es ist eine Frage der Abwägung", sagt Heide Rieke (SPD). Sie spricht sich für den Tunnel aus, wenn er in der Machbarkeitsstudie als notwendig zur Entlastung angesehen wird. Der Tunnel würde den Verkehr auf der Straße nicht verringern, sagt Rieke, aber bewirken, dass er sich trotz FIZ nicht vermehrt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: