Hartz IV in München:Lohn muss immer häufiger aufgestockt werden

Unemployment In Germany

EU-Bürger können überall in der Union Jobs suchen. Doch in der Praxis gibt es Hürden. Über deren Rechtmäßigkeit muss das EuGH befinden.

(Foto: Hassenstein/getty)
  • Viele Arbeitslose bekommen in München einen Job, dennoch hat sich die Zahl der Erwerbslosen kaum verändert.
  • München steht im Vergleich der Großtädte gut da.
  • Budgets werden für 2015 gesenkt.

Von Sven Loerzer

In zehn Jahren Hartz IV ist es in München zwar gelungen, vielen Arbeitslosen Jobs zu vermitteln - aber die Zahl der Haushalte, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, ist trotzdem fast unverändert zwischen 40 000 und 42 000 geblieben. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in der Grundsicherung ist sogar von 19 500 auf 21 400 gestiegen.

München schneidet im Großstadtvergleich gut ab: Mit 6,5 Prozent Leistungsempfängern hat die bayerische Landeshauptstadt eine geringere Quote als Stuttgart (8,0 Prozent), Nürnberg (11,9 Prozent), Frankfurt (12,3 Prozent), Hamburg (12,8 Prozent) oder Köln (13,4 Prozent). München könnte aber noch besser dastehen, wenn der Bund die Arbeitsförderung nicht drastisch reduziert hätte.

Viele neue Antragsteller

Dafür, dass die Zahl der Hartz-IV-Haushalte keinen deutlichen Rückgang erkennen lässt, sieht Jobcenter-Geschäftsführerin Martina Musati vor allem zwei Ursachen. Zum einen sind da zwei Gruppen von Leistungsbeziehern, die stark wachsen: So ist die Zahl der Selbständigen im Hartz-IV-Bezug von 815 (2007) auf nun 1440 gestiegen. Gewachsen ist auch die Zahl derer, die Hartz IV ergänzend zu einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit erhalten, um 3000 auf fast 15 000. Knapp die Hälfte der sogenannten Aufstocker ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt, rund 4500 arbeiten sogar Vollzeit.

Die zweite Ursache macht Musati in der "ungebremst hohen Anzahl an Antragstellern" aus. So seien in den letzten acht Jahren im Schnitt pro Jahr fast 27 000 Berechtigte in das Hartz-IV-System gekommen, nur wenig mehr haben es pro Jahr verlassen. Um einen signifikanten Rückgang bei Hartz-IV-Haushalten zu erreichen, "muss der Zustrom in die Grundsicherung reduziert sowie die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt weiter verbessert werden", erklärt die Jobcenter-Chefin.

Zu Langzeitarbeitslosigkeit und einem längeren Verbleib im Hartz-IV-Bezug führen vor allem ein fehlender Berufsabschluss, Alter, gesundheitliche Einschränkungen und Behinderung sowie mangelnde Deutschkenntnisse. Fast zwei Drittel der Arbeitslosen in der Grundsicherung haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, knapp ein Drittel ist mehr als 50 Jahre alt, rund 46 Prozent sind Ausländer.

Mehrheit der Empfänger kehrt in das System zurück

Angesichts solcher Problemlagen trifft es das Jobcenter besonders hart, dass der Bund für 2015 erneut das Eingliederungsbudget senkt. Im Jahr 2010 gab es noch 43,5 Millionen Euro für Förderangebote, danach sank die Zuteilung immer weiter, und heuer waren es nur noch 26,5 Millionen Euro - ein Rückgang um fast 39 Prozent, obwohl die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten um nur knapp fünf Prozent niedriger liegt. Für 2015 muss das Jobcenter ein weiteres Minus um 3,3 Millionen Euro hinnehmen - eine Entwicklung die Martina Musati kritisch bewertet. Mit einem höheren Budget könnte mehr Menschen nachhaltig geholfen werden, betont sie: "Die Investitionen in die Förderung Langzeitarbeitsloser rechnen sich."

Insgesamt jedoch ist Musati davon überzeugt, dass die Zusammenführung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe vor zehn Jahren der richtige Schritt war: "Verdeckte Arbeitslosigkeit und damit das Ausmaß an Hilfebedarf wurde offengelegt." Die größten Erfolge sieht Musati in der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sowie der Arbeitslosigkeit von Alleinerziehenden und Jugendlichen.

Josef Schmid (CSU), der als Bürgermeister auch das Referat für Arbeit und Wirtschaft leitet, sieht "nicht nur in München" ein großes Problem: "Die überwiegende Mehrzahl der Antragsteller, nämlich zirka zwei Drittel, kehrt immer wieder in das Hartz-IV-System zurück." Es gebe einen "viel zu hohen Bestand an Langzeitarbeitslosen und Personen mit verschiedenen Problemlagen, für die es nicht ausreichend Angebote gibt". Der Bund stelle für die Förderung immer weniger Geld zur Verfügung. "Selbst zur Finanzierung für das jetzt angekündigte neue Bundesprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit wurden die Mittel den Jobcentern vorher abgezogen."

An der Situation hat sich wenig geändert

Dass trotz der annähernd gleich gebliebenen Zahl der Hartz-IV-Haushalte der Bund das Eingliederungsbudget für München fast halbiert habe, zeige den geringen Stellenwert, den die Bundesregierung der Arbeitsförderung beimesse, ärgert sich Karin Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Zehn Jahre Hartz IV seien kein Grund zum Feiern, zumal das Gesamtarbeitsvolumen nicht gestiegen, sondern nur anders verteilt worden sei: "Es wurde aufgespalten in viele Teilzeitstellen und prekäre Arbeitsverhältnisse."

Vor allem im unteren Einkommenssektor seien die Reallöhne teilweise stark gesunken. Zudem sei auch der Hartz-IV-Regelsatz mit 391 Euro (von Januar an 399 Euro) zu gering bemessen, seine Kaufkraft sinke mit Preiserhöhungen bei Strom und MVV weiter. Nach Berechnungen des Wohlfahrtsverbandes sei eine Erhöhung des Regelsatzes um 24 Prozent auf 485 Euro notwendig, um das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern.

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