Harry G:München ist wie ein Dorf - nur eben mit Porsche

Harry G: Als Harry G kennt man ihn vor allem mit Hut: Markus Stoll.

Als Harry G kennt man ihn vor allem mit Hut: Markus Stoll.

(Foto: Robert Haas)

Als Harry G wurde Markus Stoll durch Youtube-Videos zum Oktoberfest bekannt. Im Interview spricht er über Isarpreißn, den Wiesn-Exzess und warum es gar so hart ist, in München zu leben.

Interview von Elisa Britzelmeier und Martin Moser

Einer wie Markus Stoll hat zur Wiesn natürlich immer etwas zu sagen. Schließlich wurde der frühere Investmentfonds-Mitarbeiter durch seine kurzen Videos über das Oktoberfest bekannt, in denen er als Harry G vor sich hin grantelt. Stoll dann aber in der stressigen Wiesnzeit zu treffen, ist gar nicht so leicht. In einem Haidhauser Café bestellt der 37-Jährige - T-Shirt, Jeans, kein Hut - erst einmal koffeinfreien Kaffee. Und redet nicht nur über die Wiesn, sondern auch über München, die Stimmung in der Stadt und ihre ganz normalen Einwohner.

SZ.de: Herr Stoll, wir wollten Sie bewusst nicht auf dem Oktoberfest treffen. Gehen Sie denn überhaupt gern?

Markus Stoll: Ich gehe mit Genuss! Aber nicht unerkannt. In der Stadt wird man nur beäugt, auf der Wiesn dagegen ist die Hemmschwelle niedriger und viele wollen Selfies mit mir. Ich bin ja auch sowas wie Mister Wiesn. Aber eigentlich ist es egal, ob man die Umarmungen und Bierdünste des Menschen neben sich als Privatmensch aushält oder eben als Harry G.

Sie tauchen inzwischen auf den Promi-Bildern von der Wiesn auf. Wie ist das, wenn man sich in einer Reihe mit Giulia Siegel und Verena Kerth wiederfindet?

Zum Teil komisch, aber auch cool. Schlimm wäre es, wenn ich in einem Topf wäre mit Luder 1 und Luder 2. Aber die Leute wissen ja, was ich mache, und dass das davon weit entfernt ist.

Ihr liebstes Opfer ist ja der Isarpreiß, diese spezielle Ausformung des reichen Zugereisten. Wie unterscheidet sich denn die heutige Schickeria von der in Kir-Royal-Zeiten?

Ich glaube, dass nichts anders ist. In den Zeiten von Kir Royal war es einfach noch etwas Neues, dicke Autos zu fahren. Damals wäre ich auch gerne als Schickeria-Typ dabei gewesen: in Szene-Pizzerien zu gehen oder ins P1, in den Siebzigern und Achtzigern. Inzwischen sind diese Muster einfach auserzählt. Ein rosa Polohemd hebt dich heute nicht mehr von anderen ab, im Gegenteil, du schaust aus wie ein überbelichtetes Schweinchen.

Wie muss man denn sein, um sich in München noch abheben zu können?

Die Stinknormalität ist das richtig Spannende zur Zeit. Es hebt dich nicht mehr ab, wenn du bis zum Hals tätowiert bist, einen langen Bart trägst und in einem Burgerladen oder Food Truck arbeitest.

Das sieht man auch auf der Wiesn.

Logisch. Als Münchner mit Jeans und Janker auf die Wiesn zu gehen, war früher völlig normal. Jetzt wird es wieder als absolutes Novum wahrgenommen. Selbst ich muss gestehen: Ich bin noch nicht so weit. Aber in den nächsten fünf Jahren wird das kommen. Weil es einfach reicht mit dem Lederhosenwahnsinn. Hirschleder, 800 Jahre alt, am besten noch von den Germanen vererbt - die Nummer ist durch. Und es ist ja immer aufgesetzt. Es ist die Story, die man mit so einer Lederhose mitkauft, ein Etikett, das man sich aufklebt. Genauso, wie wenn man Tibetschals und Pumphosen trägt.

Aber das gibt es nun ja wirklich nicht nur in München. Die Acai-Quinoa-Jünger findet man ja genauso in Berlin-Mitte.

Absolut, da kommen sie ja her! Die Extremauswüchse der Trends gibt es natürlich in jeder Großstadt.

Ist der Münchner nicht sowieso immer eher zu spät dran, was Trends angeht?

Er ist ein bisschen spät dran, aber wenn er den Trend geschluckt hat, dann geht der Münchner in die Vollen.

Was kommt als nächstes? Der Plastikmasskrug?

Sie sind ja auch von außerhalb nach München gekommen. Wie war der erste Eindruck?

Das war 2005. Der Ersteindruck ist vermutlich für jeden gleich: Hier ist unglaublich viel Geld. München ist eine sehr gut angezogene, zurechtgemachte Stadt, das muss man ihr lassen. Irgendwann merkt man aber, dass es nichts anderes ist als ein Dorf. Nur eben mit Porsche. Mit Anwälten über 40, die durch die Maximilianstraße fahren, oben umdrehen, sichergehen, dass jeder den Auspuff gehört hat. Wenn man so einen Typen fragt, was er da eigentlich tut - dann hat der keine Antwort. Das ist wie in Landshut am Dorfplatz, nur für Erwachsene und für Reiche.

Im Comedy-Programm heißt es bei Ihnen aber: "Das Leben in München ist hart."

Das sage ich ja bewusst, um München ein bisschen abschreckend wirken zu lassen, und weil's halt einfach lustig ist - das Leben ist natürlich alles andere als hart. Aber der Leistungsdruck prägt einen hier einfach ganz anders als in einem anderen Land oder in einer anderen Stadt. Hier in München scheinen diese aufstrebenden Leute viel mehr ein vermeintliches soziales Leitbild zu sein. Der gutverdienende Typ ist der Munich Dream für die Leute, die herziehen. Auch der Hipster würde sich in München für das teure Auto entscheiden, wenn's ernst wird.

Prägen Sie das nicht mit, dieses Schickeria-München-Bild, indem Sie sich darüber lustig machen?

Naja, aber zu einem Zeitpunkt, an dem der Zug längst abgefahren ist. Du wirst einem jungen Düsseldorfer, der hier her zieht und bei McKinsey zu arbeiten anfängt, nicht mehr austreiben, dass er mit dreißig Jahren Porsche Cabriolet fahren will. Wenn ich den typischen Münchner als Collage beschreiben müsste, dann nicht mit Wollmütze und langem Bart - obwohl es den ja auch zuhauf gibt - aber den typischen Münchner würde ich immer noch zusammenbauen mit hintergeschleckten Haaren, Ray-Ban-Brille, Reitersteppjacke, Budapester, und im Hintergrund steht dann ein Porsche oder eine Mercedes G-Klasse. Das ist er, der Münchner.

Und trotzdem gibt es in so einer sonst so ordentlichen Stadt das chaotische Oktoberfest. Wie wichtig ist die Wiesn, diese 16 Tage Exzess, für das Zusammenleben in München?

Man sollte den Exzess vielleicht nicht zu sehr hochloben, aber es ist schon wichtig. Mir gefällt dieses Bild vom Büromenschen mit Aktentasche in der Hand, aber Lederhose an. Der fährt erst ins Büro und danach auf die Wiesn. Für die soziale Klemmschraube, die in München herrscht, ist es durchaus entscheidend, dass man zwei Wochen lang feiert.

Hat sich diese Partylaune nach dem Amoklauf am OEZ und den verschärften Sicherheitsmaßnahmen auf der Wiesn verändert?

Natürlich redet man davon, mit dem Zaun um das Festgelände hat es ein bisschen etwas von einem Zoo, von den bayerischen Affen im Gehege. Aber: Es ist einfach nur ein Zaun. Meiner Meinung nach ist es viel wert, dass jemand an den Eingängen in die Taschen schaut. Ich kann mit dem Zaun leben. Mei, wenn ich mit dem Masskrug auf der Bierbank rumspring', dann ist der Zaun eh nicht sichtbar. Es ist nicht so, dass der wie ein Damoklesschwert über meinem Wiesnbesuch hängt. Spannend wird, was die nächste Sicherheitmaßnahme wird. Ein Plastikmasskrug?

Keine guten Aussichten.

Ich glaub, wir sind näher dran als man denkt. Ja mein Gott. Ich will keinen Plastikkrug, aber wenn sie ihn einführen, kommen vielleicht pro Zelt zehn Besucher weniger. We will learn how to handle the Plastikmasskrug. Definitely.

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