Hans R. Beierlein wird 80:Rechte hat er

Ob Fußball, Schlager, Hymne oder Volkstum: Hans R. Beierlein macht alles zu Gold - sogar die DDR musste dem Konservativen alljährlich viel Geld überweisen.

Franz Kotteder

Dass er nicht selbst draufgekommen ist! Das wurmt ihn sichtlich, auch noch nach drei Jahren. Ein Journalist der britischen Financial Times war es, der die Definition fand. ",Volksmusik' ist", entschied er nach längerem Nachdenken, "wahrscheinlich ganz einfach ,Musik für das Volk'." Genau so, sagt Hans R. Beierlein, müsse man das sehen, und dass er selbst nicht gleich auf diese einfache Formel gekommen sei, ärgere ihn.

Hans R. Beierlein wird 80: Hat zu Recht den Ruf, ein eifriger Liebhaber schöner Frauen, guter Weine und gehobener Küche zu sein: Hans R. Beierlein.

Hat zu Recht den Ruf, ein eifriger Liebhaber schöner Frauen, guter Weine und gehobener Küche zu sein: Hans R. Beierlein.

(Foto: Foto: Rumpf)

Man mag sich jetzt wundern, warum derartige Definitionsfragen doch so wichtig zu sein scheinen für einen Mann, dem ja nun fast alles geglückt ist, was er in den vergangenen 60 Jahren geschäftlich angepackt hat. Der sich jetzt, kurz vor seinem 80. Geburtstag an diesem Sonntag, entspannt zurücklehnen könnte, die Millionen auf seinen Konten zählen oder auch die Preise und Auszeichnungen, die sich über die Jahrzehnte hinweg so angesammelt haben. Letzteres ist derzeit schwierig; die einschlägigen Pokale und Trophäen stehen gerade als Leihgabe im Haus der Deutschen Geschichte in Bonn. Dort läuft die Ausstellung "Melodien für Millionen" über den deutschen Schlager. Und käme Hans R. Beierlein in solch einer Schau nicht vor, wäre diese natürlich mehr als unvollständig.

Hometrainer neben dem Schreibtisch

Wenn man das nicht eh schon wüsste, würde es einem spätestens dann klar werden, sobald man von der freundlichen Dame am Empfang hinaufgeleitet wird zu seinem Büro im dritten Stock seines Musikverlags Montana an der Königinstraße beim Englischen Garten. Die Wände sind bis ganz hinauf tapeziert mit Goldenen Schallplatten. Oben kommt einem ein leger gekleideter, älterer Herr entgegen, der aber gut und gerne 15 Jahre jünger aussieht, als er ist, wohl auch wegen der vollen, wenngleich schlohweißen Haare.

Da ist man erst mal überrascht; das Show- und Musikbusiness gilt ja gemeinhin nicht als Jungbrunnen. Und Hans R. Beierlein hat zu Recht den Ruf, ein eifriger Liebhaber schöner Frauen, guter Weine und gehobener Küche zu sein sowie überdies keinerlei Ehrgeiz in Sachen sportlicher Betätigung zu entwickeln. Dann ist man erleichtert, weil im Büro mit den teuren Stilmöbeln wenigstens ein Hometrainer neben dem Schreibtisch steht, aber Beierlein zerstreut auch diesen Erklärungsversuch schnell: "Den hab' ich bloß zwei-, dreimal benutzt, der steht hier nur so rum."

Es muss also wohl etwas anderes sein, was ihn fit hält. Und je länger man sich mit ihm unterhält, desto mehr reift die Erkenntnis: Es ist wohl vor allem der Spaß an der Arbeit. Den spürt man sofort, wenn er etwa davon erzählt, wie er den damals weithin unbekannten und erfolglosen Udo Jürgens als Manager unter seine Fittiche nahm und ihn gegen alle Widerstände - bisweilen auch gegen die des Künstlers - zu einem der erfolgreichsten Schlagersänger im deutschsprachigen Raum machte.

Rechte an der "Internationalen"

Oder wie er, der bekennende Konservative, Anfang der siebziger Jahre wissen wollte, wer eigentlich die Rechte an der "Internationalen" für Deutschland hatte und verblüfft feststellte: niemand. Also kaufte er sie und gleich auch noch die Rechte für den Rest der Welt. So kam es, dass die DDR ihm alljährlich bis zu 100.000 Mark überweisen musste, weil "die Linke keine Ahnung von den Rechten" hatte, wie er damals für die Bild-Zeitung kalauerte. Das hat ihm einen Heidenspaß gemacht; ums Geld ging's ihm zwar auch, aber man hat den Eindruck: nicht in erster Linie. "Wenn es nur ums Geld geht", sagt er, "kann ich ja gleich Leo Kirch werden. Ich möcht' ja auch ein bisschen was bewegen, da bin ich immer noch Journalist."

So hatte damals, 1948, in Nürnberg alles angefangen. Hans R. Beierlein war noch "der schlechteste Schüler Mitteleuropas", wie er in dem Porträtfilm "Der Mann, der sich selbst erfand" von Annette Hopfenmüller sagt (der Film läuft an diesem Sonntag um 14.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen). Dreimal durchgefallen, lauter Fünfer im Zeugnis bis auf zwei Einser in Geschichte und Deutsch - das war eigentlich kein guter Start, in welches Berufsleben auch immer. Der junge Beierlein aber besann sich darauf, dass er in Deutsch ganz gut war, und beschloss, Journalist zu werden. Er schmuggelte sich in die erste Nürnberger Misswahl und konnte gleich von einer handfesten Schlägerei zwischen den erstplatzierten Mädchen berichten. Kurz darauf war er Redaktionsleiter der Nürnberger Abendzeitung.

Der Pate der volkstümlichen Musik

So schnell konnte das damals gehen, und Beierlein machte weiter. Schrieb als Filmkritiker für die AZ, den Spiegel, den Stern und eine Reihe weiterer Blätter, und irgendwann kam er auf die Idee, seine Kenntnisse und Verbindungen auch anderweitig zu nutzen. Mal drehte er zusammen mit Josef von Ferenczy einen erfolgreichen Dokumentarfilm über die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse, der sogar den Bundesfilmpreis bekam, dann erwarb er die Rechte an allerlei deutschen Schlagern, um sie an den Filmproduzenten Artur Brauner für die damals sehr beliebten Musikfilme mit gutem Gewinn weiterzuverkaufen. Weil er Frankreich liebte und das französische Chanson, holte er zum Beispiel Gilbert Bécaud, Adamo und Juliette Greco nach Deutschland und machte sie hier bekannt. Bald schon ging fast nichts mehr in der deutschen Schlagerbranche ohne Beierlein.

Die Öffentlich-Rechtlichen waren perplex

Und bisweilen auch in Branchen nicht, in denen es die Insider am allerwenigsten erwartet hätten. So war Beierlein der Erste, der auf die Idee kam, dem Deutschen Fußballbund die Fernseh-Übertragungsrechte abzukaufen. Die Öffentlich-Rechtlichen waren perplex, was sich der Udo-Jürgens-Manager da herausnahm, aber das Privatfernsehen stand kurz vor dem Start, und so mussten sie mit Beierlein tatsächlich verhandeln. Freilich: Ein paar Jahre später wäre mehr herauszuholen gewesen, weil da die Privaten schon eine ernstzunehmende Konkurrenz waren, aber für Beierlein war es auch so eine Genugtuung: "Die Tatsache, dass ein Mensch, dem man keine sportlichen Qualitäten nachsagen konnte, in der Lage war, die Medienlandschaft in Deutschland auf den Kopf zu stellen, war für mich ein Vergnügen."

Solche Husarenstücke gibt es mehrere in Beierleins Karriere, und das überraschende Einmischen in Bereiche, in denen er vermeintlich nichts zu suchen hat, meint er wohl auch, wenn er sagt, er denke heute noch journalistisch. Was in seinem Fall bedeutet: ein Gespür zu haben für das, was die breite Masse interessiert, und mit Dingen umzugehen, ohne ein wirklicher Insider sein zu müssen. Tatsächlich ist eine zu profunde Sachkenntnis oft ja eher hinderlich, will man eine Sache einem sehr breiten Publikum nahebringen. Leicht kommt es da mal vor, dass man aus lauter Liebe zur Sache manches, was den Erfolg garantieren würde, gar nicht mehr zulassen kann. Banale, aber eingängige Melodien etwa. Oder Texte, bei denen es einem zwar die Zehennägel aufbiegt, die aber jeder mitsingen kann.

Womit wir wieder bei jener Form von Volksmusik - pardon: Musik für das Volk - sind, die Beierlein seit Anfang der neunziger Jahre ganz maßgeblich mitbestimmt. Zahlreiche Fernsehsendungen hat er dazu auf den Weg gebracht, etwa den "Grand Prix der Volksmusik", und viele Musiker hat er exklusiv unter Vertrag. Man nennt ihn den "Paten der volkstümlichen Musik", und es ist beinahe rührend zu beobachten, wie viele Journalisten schon versucht haben, ihm irgendeine abschätzige Äußerung über jene Musik, die er so glänzend verkauft, abzuluchsen. Das Äußerste aber ist der Satz: "Ich bin nicht groß geworden mit dem Edelweiß vom Wendelstein, aber ich weiß, dass sehr viele Menschen diese Musik lieben." Und während es ihm Ästheten übelnehmen, dass in den Liedern seiner Schützlinge wie Stefanie Hertel oder Florian Silbereisen praktisch nie ein verminderter Dominantseptakkord verkommt, sondern immer nur die zwei bis drei einfachsten Harmonien, bleibt er Populist. Unterhaltung ist schließlich keine Erziehungsanstalt, und immerhin geben zwölf Millionen Deutsche als ihre liebste Musikrichtung "Volksmusik" an - wohlgemerkt: nicht jene "aus dem Volk", sondern die "für das Volk".

Da kann man sich nun als Musikmanager reiferen Alters beruhigt zurücklehnen. Aber eines treibt Beierlein ausgerechnet kurz vor dem Achtzigsten dann doch noch um: Die Liebhaber der Volksmusik finden sich meist in älteren Jahrgängen. Und da hat er schon wieder eine Marktlücke entdeckt: Im Mai will er in Bozen den ersten "Grand Prix der Kinder" starten, mit Liedern von und für die jüngste Hörerschaft. Ob es ihm die Eltern, Kindergärtnerinnen und Pädagogen danken werden, bleibt abzuwarten.

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