Hans-Jochen Vogel:Gekommen, um zu bleiben

Für sein Studium kommt Hans-Jochen Vogel nach München - und bleibt: Als Oberbürgermeister prägt er München, als Sozialdemokrat die Republik. Jetzt wird er 90 Jahre alt. Ein Leben in Bildern.

Von Melanie Staudinger

17 Bilder

Regensburger Brückenpreis für Vogel-Brüder

Quelle: dpa

1 / 17

Ungleiche Brüder (1926)

Hans-Jochen Vogel (links im Bild) wird am 3. Februar 1926 in Göttingen geboren. Sein Vater Hermann Vogel ist Diplom-Landwirt und später Professor für Tierzucht und Milchwirtschaft in Gießen, seine Mutter Caroline Vogel Hausfrau. Hans-Jochen Vogel hat einen sechs Jahre jüngeren Bruder, Bernhard (rechts im Bild), der später in der CDU Karriere machen wird. 1943 macht Vogel sein Abitur am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium in Gießen und beginnt anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften in München.

-

Quelle: Alessandra Schellnegger

2 / 17

Frontsoldat im Zweiten Weltkrieg (1943)

Hans-Jochen Vogel unterbricht sein Jura-Studium. Im Juli 1943 wird der damals 17-Jährige in die Wehrmacht eingezogen. Als Soldat kämpft er im Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Italien, gerät bei Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft - Erlebnisse, die Vogel prägen. "Ich denke nicht, dass ich mich ohne meine Erfahrungen als Frontsoldat politisch so engagiert hätte", sagt er 2011 imSZ-Interview.

Hans-Jochen Vogel: Seine Frau Liselotte lässt ihn für das Interview gut ausschauen.

SPD-Wahlplakat während des Bundestagswahlkampfes 1976

Quelle: AP

3 / 17

Vogel wird Sozialdemokrat (1950)

1946 setzt Hans-Jochen Vogel sein Jura-Studium in Marburg fort und schließt es mit der Note "sehr gut" ab. 1949 heiratet er seine Frau Ilse. Mit ihr hat er drei Kinder, 1971 lässt sich das Paar scheiden. Vogel wird die Trennung später auch auf seine zeitraubende politische Karriere zurückführen. Und die beginnt 1950: Der 24-Jährige verehrt Kurt Schuhmacher und tritt in die SPD ein.

Dieter Hanitsch Ausstellung "Gut getroffen" im Münchner Stadtmuseum, 2013

Quelle: Florian Peljak

4 / 17

Turbulente Jahre als Jurist (1952)

Noch denkt Hans-Jochen Vogel nicht an ein Leben als Vollzeitpolitiker. 1952 wird er Assessor im Bayerischen Justizministerium, zwei Jahre später Amtsgerichtsrat in Traunstein. 1955 wechselt er in die Bayerische Staatskanzlei unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD). Doch auch dort wird er nur drei Jahre bleiben. 1958 wird Vogel Stadtrat und Leiter des Rechtsreferats in München.

Ausstellung "Gut getroffen" im Münchner Stadtmuseum 2013: Marionette von Hans-Jochen Vogel bei der Vernissage der Ausstellung "Gut getroffen" mit Werken von Karikaturist Dieter Hanitzsch.

-

Quelle: Alessandra Schellnegger

5 / 17

Jüngster Oberbürgermeister einer europäischen Millionenstadt (1960)

Mit nur 34 Jahren wird Hans-Jochen Vogel Oberbürgermeister von München. Er ist der jüngste Rathauschef einer europäischen Millionenstadt und wird 1966 im Amt bestätigt. Vogel läutet 1960 mit dem Stadtentwicklungsplan eine neue Ära der Stadtpolitik und Bürgerbeteiligung ein. Er lässt S- und U-Bahnen bauen, eröffnete die Fußgängerzone in der Innenstadt. 1970 schreibt der Spiegel über seine Amtszeit: Seit den Wittelsbacher Königen hat keiner die Stadt so verändert wie Vogel.

Hans-Jochen Vogel während der Ansprache zur Grundsteinlegung der Olympiabauten, 1969

Quelle: DPA

6 / 17

Vogel holt die Olympischen Spiele nach München (August 1972)

Maßgeblich holt Hans-Jochen Vogel die Olympischen Sommerspiele 1972 nach München. 70 Tage haben er und seine Mitstreiter Zeit, um eine Bewerbung zu formulieren. Beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) punktet München mit den kurzen Wegen und großen Freiflächen am Oberwiesenfeld nahe der Innenstadt. Als im Stadion das Olympische Feuer entzündet wird, hat Georg Kronawitter (SPD) Vogel als Rathauschef abgelöst.

Abschied von OB Hans-Jochen Vogel

Quelle: DPA

7 / 17

Ab nach Bonn (1972)

Hans-Jochen Vogel entscheidet sich nach 4444 Tagen im Amt gegen eine erneute Kandidatur als Münchner Oberbürgermeister und zieht stattdessen im September 1972 an der Spitze der bayerischen SPD-Landesliste in den Bundestag ein. Kanzler Willy Brandt (SPD) ernennt ihn zum Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

Franz Josef Strauß, Willi Rothe, Hans-Jochen Vogel vor einer Sitzung zum Rundfunkgesetz, 1973

Quelle: DPA

8 / 17

Bayerns oberster Sozialdemokrat (1972)

Von 1972 bis 1977 übernimmt Hans-Jochen Vogel den Vorsitz der bayerischen SPD. Zur Landtagswahl 1974 tritt er als Spitzenkandidat an. "Wer die Politik von Strauß für falsch und gefährlich hält, der muss sehen, dass man das Problem Strauß nur in Bayern entscheidend angehen kann", sagt er über den damaligen wirtschafts- und finanzpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Franz Josef Strauß. Der harte Wahlkampf bringt Vogel jedoch nicht viel: Er muss sich Ministerpräsident Alfons Goppel geschlagen geben.

Im Bild: Franz Josef Strauß, der bayerische DGB-Vorsitzende Willi Rothe und Hans-Jochen Vogel im Jahr 1973 vor einer Sitzung zum Rundfunkgesetz

Oktoberfest-Attentat 1980

Quelle: Frank Leonhardt/dpa

9 / 17

Bundesjustizminister zu Zeiten des RAF-Terrors (Mai 1974)

Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) beruft den Juristen im Mai 1974 als Justizminister in sein Kabinett. Diesen Posten behält er bis Januar 1981. Vogel erlebt den Terror der Roten Armee Fraktion (RAF). Auch das Oktoberfest-Attentat ereignet sich in seiner Amtszeit. Damals warnt der Sozialdemokrat: "Es gibt im politischen Bereich eine gefährliche Neigung, den Rechtsextremismus zu bagatellisieren."

HANS-JOCHEN VOGEL IN BERLIN

Quelle: DPA/DPAWEB

10 / 17

Hilferuf aus Berlin (Januar 1981)

Der Berliner Senat wird zum Jahreswechsel 1980/81 von einer Affäre um den FDP-nahen Bauunternehmer Dietrich Garski erschüttert. Hans-Jochen Vogel soll die Lage beruhigen und wird am 23. Januar 1981 zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Damit schafft er etwas, was kein deutscher Politiker vor ihm erreicht hat: Vogel ist Rathauschef in gleich zwei deutschen Millionenstädten gewesen, in München und in Berlin. Doch seine Regierungszeit währt nicht lange: Bei den vorgezogenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus verliert Vogel gegen den CDU-Spitzenkandidaten Richard von Weizsäcker.

Bundestagswahl historisch

Quelle: dpa

11 / 17

Keine Chance gegen Kohl (1983)

1983 will Hans-Jochen Vogel es noch einmal wissen: Er wird Kanzlerkandidat der SPD, kann sich aber gegen Herausforderer Helmut Kohl (CDU) nicht durchsetzen.

Buchvorstellung 'Auf der Höhe der Zeit' - Vogel

Quelle: dpa

12 / 17

Bundespolitik im Blick (1987)

Nach der Wahlniederlage 1983 widmet sich Hans-Jochen Vogel ganz der Bundespolitik. 1987 wird er Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und als Nachfolger von Willy Brandt Parteichef der Sozialdemokraten. 1991 stellt Vogel beide Ämter zur Verfügung und läutet damit seinen schrittweisen Rückzug aus der Politik ein. Er wolle die jüngere Generation der SPD-Politiker in die Führungspflicht nehmen, sagt Vogel. Sein Bundestagsmandat behält er bis 1994.

Im Bild: Hans-Jochen Vogel 2007 bei der Vorstellung des Buches "Auf der Höhe der Zeit" im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

HANS-JOCHEN VOGEL - "GEGEN VERGESSEN - FR DEMOKRATIE"

Quelle: DPA

13 / 17

Engagement gegen das Vergessen (1993)

1993 erlebt Deutschland eine Welle rechtsextremer Gewalt. Hans-Jochen Vogel und etwa 20 Mitstreiter gründen den Verein "Gegen das Vergessen - Für Demokratie". Die Initiative setzt sich gegen Antisemitismus und gesellschaftlichen Extremismus ein. Vogel bleibt bis 2000 Vorsitzender.

Hans-Jochen Vogel in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, 2007

Quelle: STA

14 / 17

Wendepunkt im Geschichtsbewusstsein (1997)

Hans-Jochen Vogel ist Soldat im Zweiten Weltkrieg gewesen. "Der Gedanke, man könne dem eigenen Staat sogar im Krieg Widerstand entgegensetzen oder müsse es sogar, war außerhalb unserer Vorstellung, leider", sagt er 2005 im Interview mit der FAZ. Für Vogel sind die entscheidenden Wendepunkte in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit die Rede von Richard von Weizsäcker im Mai 1985, in der der damalige Bundespräsident das Kriegsende erstmals als Befreiung Deutschlands bezeichnet, und die Wehrmachtsausstellung, die Vogel im September 1997 in Marburg eröffnet.

Im Bild: Hans-Jochen Vogel 2007 bei der Ausstellung "Wie war das damals?" in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

Kundgebung gegen Antisemitismus in München, 2014

Quelle: Florian Peljak

15 / 17

Hohe Auszeichnung (2001)

Das Engagement von Hans-Jochen Vogel um das Gedenken an die Opfer von Holocaust und Zweitem Weltkrieg wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland gewürdigt. Vogel erhält 2001 die höchste Auszeichnung der Organisation, den Leo-Baeck-Preis. In seiner Rede bekennt er sich offen dazu, dass er als Jugendlicher Scharführer und Kulturfunktionär in der Hitler-Jugend gewesen sei und bedauert dies.

Im Bild: Kundgebung gegen Antisemitismus auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen" protestieren im Sommer 2014 mehrere Hundert Münchner gegen den aufkeimenden Judenhass im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahen Osten. In der ersten Reihe sitzt Hans-Jochen Vogel (2.v.l.) unter den Zuhörern.

-

Quelle: Alessandra Schellnegger

16 / 17

In Würde altern (2006)

Hans-Jochen Vogel und seine Frau Liselotte, die er 1972 geheiratet hat, machen kein Geheimnis daraus: Anfang 2006 ziehen sie von ihrer Privatwohnung in München in ein Wohnstift. Sie werben für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Liselotte Vogel schreibt sogar ein Buch darüber mit dem Titel "Ich lebe weiter selbstbestimmt. Für einen mutigen Umgang im eigenen Alter".

German Social Democrats Celebrate 150th Anniversary

Quelle: Bundesregierung-Pool via Getty

17 / 17

Senior in der Bundesversammlung (2012)

Ganz hat sich Hans-Jochen Vogel nicht aus der Politik verabschiedet. In der Bundesversammlung im März 2012 ist er mit 86 Jahren der Senior unter den Wahlleuten der SPD. Vogel outet sich als Anhänger des neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck. "Ich finde es gut, dass Gauck Dinge gut findet", sagt er.

Im Bild: Hans-Jochen Vogel zusammen mit Joachim Gauck und Helmut Schmidt am 23. Mai 2013 bei einer Festveranstaltung "150 Jahre Sozialdemokratische Partei Deutschland" in Leipzig.

© SZ.de/kbl
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: