Handwerkstradition:Mit scharfer Klinge

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Begehrte Waffen: die Schwerter der Münchner Klingenschmiede Diefstetter. (Foto: Walter Haberland, Bayerisches Nationalmuseum)

Im 16. Jahrhundert hatten Schwerter aus München einen ausgezeichneten Ruf

München als Waffenschmiede - das ist keineswegs ein Phänomen jüngeren Datums: Bereits im 16. Jahrhundert genossen zwei Münchner Waffenproduzenten einen ausgezeichneten Ruf: die Klingenschmiede Diefstetter in der Au sowie die Klingenschmiede Ständler. In beiden Fällen handelt es sich um Familien, die, wie seinerzeit üblich, über Generationen hinweg dasselbe Handwerk betrieben und auch in anderen Städten Ableger hatten.

Was die Diefstetters betrifft, so treten sie, wie Hans Stöcklein in der 1920 erschienenen Zeitschrift für Historische Waffenkunde schreibt, in München im 15. Jahrhundert in Erscheinung. Als Gründer der Münchner Dynastie gilt Caspar Diefstetter, der 1483 als "Klingenschmied zu Wageck" in der Au in einem kirchlichen Stiftungsbrief erwähnt wird. Wageck war der Name eines Anwesens, das am Auer Mühlbach lag. 1497 übernahm der zu diesem Zeitpunkt wohl noch unmündige Sohn Melchior die Klingenschmiede, deren wichtigstes Werkzeug der mit Wasserkraft getriebene schwere Hammer war. In der Kammerinventarliste des bayerischen Herzogs Wilhelm V. findet sich ein Eintrag, der wohl auf Melchior Diefstetter verweist: "Demnach ließ der Herzog ungefasste, aber jedenfalls besonders schön und sauber gearbeitete Klingen des Meisters Melchior verwahren, um sie gelegentlich durch einen Messerschmied oder Goldschmied in einen dazu passenden künstlerischen Griff fassen zu lassen." Klingenschmiede durften seinerzeit nur die langen Klingen fabrizieren, die Griffe anzufertigen, war Sache des Messerschmieds. Melchior Diefstetters Sohn Ulrich (um 1536-1589) führte den Betrieb seines Vaters offenbar erfolgreich fort, unter anderem hatte er beste Handelsbeziehungen in die Schweiz, wo er Zeughäuser und Kriegsleute belieferte.

Die Familie Ständler stammte vermutlich aus Passau. Der Klingenschmied Christoph Ständler wird erstmals 1555 im Münchner Kammerbuch aufgeführt, in dem die städtischen Zinsabgaben verzeichnet sind. Auch Ständlers Schwerter standen in gutem Ruf, unter anderem belieferte er die bayerischen Herzöge. Die Waffenschmiede lag zunächst am Bach an der Unteren Bleiche, nicht weit entfernt von der heutigen Ludwigsbrücke. Weil die Werkstatt Mitte des 17. Jahrhunderts dem Ausbau der Befestigungsanlagen im Weg stand, war Paul Ständler, der Enkel des Gründers, gezwungen, mit seinem Betrieb an die Obere Lände ziehen.

Die großen Zweihandschwerter, welche die Ständlers und Diefstetters schmiedeten, waren in erster Linie Paradewaffen. Für den Kampf waren die unhandlichen Schwerter nur mäßig geeignet. Waffenexperte Stöcklein schreibt, dass sie beispielsweise Wächtern dienten, "die damit an den Stadttoren und Türmen standen und mit ihren mächtigen Zweihändern wohl den beabsichtigten martialischen Eindruck hervorriefen".

Heute sind die Klingen dieser beiden Münchner Waffenschmieden in vielen Museen zu sehen. Im Waffensaal des Bayerischen Nationalmuseums ist ein kunstvoll gearbeitetes Jagdschwert von Melchior Diefstetter ausgestellt, andere Werke der Münchner Klingenschmiede befinden sich im dortigen Depot.

© SZ vom 02.09.2015 / wg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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