Handwerk:Wieso in München so viele Azubis fehlen

Bäcker Azubi

Gerade kleinere Handwerksbetriebe leiden darunter, keine geeigneten Auszubildenden zu finden.

(Foto: Niels P. Jørgensen; Bearbeitung: SZ)
  • Vor allem die kleineren Handwerksbetriebe haben Schwierigkeiten, geeignete Auszubildende zu finden.
  • Immer mehr Jugendliche wollen studieren, andere erfüllen die Anforderungen für die Ausbildung nicht.
  • Mit verschiedenen Kampagnen wollen Kammern und Innungen für Lehr-Berufe werben.

Von Ruth Eisenreich

Da war zum Beispiel der junge Mann, der am zweiten Praktikumstag nicht mehr auftauchte und nie wieder von sich hören ließ. Oder jener, dem Reinhard Lachner trotz mieser Hauptschulnoten eine Chance geben wollte und der unentschuldigt nicht zum Vorstellungsgespräch kam. Er bat um einen neuen Termin, sagte ab, bat um einen dritten, da reichte es Lachner: "Unzuverlässige Leute können wir nicht brauchen."

Lachner ist Chef einer kleinen Baufirma im Münchner Nordwesten und Obermeister der Bauinnung München. Er erzählt diese Geschichten, um zu illustrieren, welche Probleme seine Branche bei der Lehrlingssuche hat. Erstens gebe es zu wenige Bewerber, sagt Lachner - und zweitens noch weniger geeignete.

Viele wollen studieren, andere erfüllen die Anforderungen nicht

Seit Jahren sinkt der Bundesagentur für Arbeit zufolge deutschlandweit die Zahl der Ausbildungssuchenden, während die Zahl der offenen Stellen steigt. In München ist dieser Trend leicht rückläufig, die Lage aber besonders krass: Hier gibt es mehr Stellen als Suchende, fast eineinhalb Stellen pro Bewerber waren es zuletzt. Die Zahlen geben allerdings nur einen groben Überblick, denn viele Stellen werden direkt besetzt, ohne den Umweg über die Arbeitsagentur.

Hört man sich bei ausbildenden Betrieben und den Kammern um, kristallisieren sich drei Gründe für das Problem heraus: Geburtenschwache Jahrgänge plus Trend zum Studium plus schlechtes Image vieler Ausbildungsberufe ergibt Lehrlingsmangel. "Früher hat man fast automatisch Bewerbungen bekommen und konnte sich jemanden aussuchen", sagt Thomas Kürn, Leiter des Bereichs Berufsbildung bei der Industrie- und Handelskammer: "Jetzt muss man aktiv über alle Kanäle suchen."

Wer in München mit der U-Bahn fährt, kennt etwa den im Wasser planschenden Jugendlichen mit Schwimmbrille, der von den kleinen Plakaten in vielen Waggons lacht. Er wirbt um künftige Fachangestellte für die Bäderbetriebe der Stadtwerke. Die SWM bilden in 14 Berufen aus, für die 140 Plätze pro Jahr gebe es etwa 2700 Bewerbungen, sagt der Ausbildungsleiter Harald Zillner. Der Bäder-Fachangestellte aber hat die schlechteste Quote: 8,5 Bewerber kämen hier auf jede Stelle. Bei den Kaufleuten seien es 42, beim Kfz-Mechatroniker sogar 52.

Metzger und Bäcker sind besonders unbeliebt

Harald Gerster ist bei der Handwerkskammer für die berufliche Bildung zuständig. Entscheidend für die Beliebtheit einer Branche, sagt er, sei das Bild, das Jugendliche von ihr im Kopf haben. "Das ist beim Metzger sehr blutig, am Bau staubig und dreckig, und ein Bäcker muss früh aufstehen." Bei jenen Berufen, die für viele Jugendliche interessant seien, seien wiederum kleine Handwerksbetriebe gegenüber der Industrie im Nachteil. "Wer Kfz-Mechaniker lernen will, denkt erst mal an die großen, bekannten Unternehmen", sagt Gerster. "Dabei wäre die Ausbildung in der kleinen Werkstatt ums Eck vielleicht sogar besser, mit einem netten Team und einem Meister, der sich kümmert."

Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, könnte der heutige Lehrlingsmangel für manche Firmen eine echte Bedrohung werden, befürchten die Kammern. "Das Handwerk wirbt Fachkräfte in der Regel nicht ab, sondern bildet sie aus", sagt Gerster. "Wenn ich jahrelang keine Lehrlinge bekomme, während Leute in den Ruhestand gehen, kann ich im Extremfall Aufträge nicht mehr annehmen." Dann werde etwa "der Leberkäs nicht mehr vom Metzger ums Eck kommen, sondern vom Supermarkt, der ihn vielleicht in Polen produzieren lässt".

Man muss sich interessieren - für den Job und die Menschen

Auszubildende zur Fachangestellten für Bäderbetriebe

Auch bei den Bäderbetrieben ist der Andrang geringer als anderswo.

(Foto: SWM/Simon Muhm; Bearbeitung: SZ)

Viele Betriebe setzen bei der Suche nach Lehrlingen vor allem auf Ausbildungsmessen. Auch einwöchige Praktika sind beliebt. Bauinnungs-Chef Reinhard Lachner bekommt bald einen somalischen Flüchtling als Praktikanten; wenn der sich gut macht, will er ihm eine Lehrstelle anbieten. In manchen Branchen gibt es zudem einjährige Praktika, die schwer vermittelbaren Bewerbern den Weg in einen Betrieb ebnen sollen. Und dann, erzählt Harald Gerster von der Handwerkskammer, seien da noch jene Firmen, die Lehrlinge mit "Kopfprämien" lockten: Mit mehr Gehalt, mit Smartphones oder dem Führerschein. "Wir finden das eigentlich nicht so gut, die Leute sollen die Ausbildung um der Ausbildung willen machen."

Was müsste sich ändern, damit sich Firmen leichter tun bei der Lehrlingssuche? Auf so eine Frage haben Standesvertreter normalerweise Wunschlisten an die Politik parat. Aber beim Thema Lehrlingsmangel gibt es für sie Lob statt Tadel. In den letzten Jahren wurde der Wechsel zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung erleichtert, wer einen Meistertitel hat, kann direkt an die Uni gehen.

Eltern drängen den Nachwuchs oft zum Abitur

Bei vielen Jugendlichen und Eltern sei diese Verbesserung aber noch nicht angekommen, heißt es. Die Ausbildung habe weiterhin ein schlechtes Image, vor allem Eltern würden Jugendliche oft zum Abitur drängen. Hier setzt die Kampagne "Elternstolz" von Wirtschaftsministerium und Kammern an. Plakate zeigen glückliche Eltern-Kind-Paare, bei denen das Kind beruflich Mutter oder Vater nachfolgt.

Simone Burger vom Deutschen Gewerkschaftsbund bezweifelt, dass es mit solchen Kampagnen getan ist. Betriebe, die keine Lehrlinge finden, sollten eher beim Gehalt und bei den Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Firma ansetzen, sagt sie. Und bei der Unterstützung für die Auszubildenden: Wer für Jugendliche attraktiv sein wolle, müsse "sich die Zeit nehmen, Wissen zu vermitteln". Denn in den vergangenen Jahren sei nicht das Niveau der Bewerbungen gesunken, sondern die Ansprüche der Betriebe seien gestiegen.

Die Anforderungen sind gestiegen

"Jugendliche sind heute nicht doofer als früher", sagt Burger. "Aber wer heute Friseur werden will, muss wegen der ganzen Färbemittel Chemie lernen, und zwar nicht wenig." Burger erzählt von einer Umfrage unter Münchner Berufsschülern: Die Berufe, in denen die Lehrlinge am unzufriedensten sind, seien oft jene, die besonders schwer Nachwuchs finden.

So ähnlich sieht das Karl-Heinz Hoffmann, Chef der Bäckerinnung und damit Vertreter einer jener Branchen, die besonders schwer zu kämpfen haben. Für seine Firma habe er schon Auszubildende für die nächsten zwei Jahre vorgemerkt, sagt Hoffmann. Man müsse eben was tun dafür: "Sich mit den Menschen befassen, ihnen vermitteln, dass der Beruf Spaß macht. Gute Betriebe, die gut ausbilden, haben kein Problem, Nachwuchs zu kriegen."

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