Handel mit Kopien:Die gefälschten Bilder des Herrn S.

"Meine Bilder sind Originale": Ein Kunstsammler handelt mit Kopien von Gauguin, Picasso und anderen Malergrößen - und beharrt unbeirrbar auf deren Echtheit. Nun wurde der Mann wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe verurteilt.

Heiner Effern

Wenn die Weltsicht des Fritz S. mit der Wirklichkeit übereinstimmt, dann wimmelte es in seinem Haus geradezu vor Picassos, Dalis, Gauguins oder Schieles. "Ich liebe die Kunst, ich bin ein Sammler", sagt der 64 Jahre alte Mann aus der Nähe von Rosenheim über sich.

Handel mit Kopien: Streitsache: Selbstportrait von Gauguin, hier ein Original.

Streitsache: Selbstportrait von Gauguin, hier ein Original.

In den 1980er und 90er Jahren habe er Hunderte von Bildern erworben, und, wie er betont, mit ihnen Gutachten, Zertifikate und Urkunden. Damit "Geld reinkommt", habe er einige Werke verkaufen wollen. Spätestens hier musste Fritz S. jedoch feststellen, dass ein großer Teil der Kunstwelt und vor allem auch die Justiz eine andere Sicht auf die Welt haben wie er.

Das Amtsgericht Rosenheim verurteilte Fritz S. bereits am 17. Juni 2010 wegen versuchten Betrugs und Urkundenfälschung zu drei Jahren Haft. In den Augen die Staatsanwaltschaft ist das viel zu wenig, das Gericht hatte dem Mann ja eine hohe kriminelle Energie beim Verkauf wertloser Fälschungen und völlige Uneinsichtigkeit attestiert. Viel zu viel ist es für den Sammler Fritz S., der sich für unschuldig hält und seine Bilder für echt. So unversöhnlich treffen sich die Parteien am ersten Tag der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Traunstein.

Dort ging es vor allem um den Sachstand, der Vorsitzende Richter fasste das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim zusammen: Fritz S. soll zwischen 2003 und 2008 Kunstwerke im Wert von mehr als 55 Millionen Euro auf dem Kunstmarkt angeboten haben. Darunter allein ein Selbstportrait von Gauguin für 20 Millionen Euro. Er verhandelte mit Privatleuten, aber auch Berliner Galeristen und einem berühmten Auktionshaus. Er konnte keines seiner Kunstwerke verkaufen, versuchte es aber immer wieder.

Wie im Sommer 2008: Fritz S. engagierte einen Vermittler und schaltete eine Anzeige in einer großen Tageszeitung für ein ganzes Paket an Bildern, darunter Tuschezeichnungen von Dali und Picasso. Als sich ein Interessent meldete, traf man sich zu Verhandlungen in einem Ingolstädter Hotel. Fritz S. reiste in seinem Kleinwagen an, hatte seine angeblichen Originale im Kofferraum. Die Parteien einigten sich auf einen Preis von 2,41 Millionen Euro. Dieser Abschluss bedeutete das Ende der Verkaufsversuche: Der Abnehmer entpuppte sich als verdeckter Ermittler.

Kunstwerke, Gutachten, Expertisen - alles unecht

Die Bilder seien, so sieht es das Amtsgericht, allenfalls ein paar hundert Euro wert gewesen. Wie auch die vielen anderen, die im Anwesen von Fritz S. beschlagnahmt wurden. Die aufgefundenen Gutachten und Expertisen hält das Gericht für genauso unecht wie die Kunstwerke. Die bleiben vorerst konfisziert, weil Fritz S. noch immer betont, es handle sich um Originale. Und weil ihm auch eine Hausdurchsuchung im Jahr 2005 nicht daran gehindert hatte, seine Verkaufsabsichten weiter zu verfolgen.

Anfangs hofft Fritz S., dass wenigstens dieser Richter in Traunstein seine Weltsicht teilen könnte. Doch nach dem ersten Verhandlungstag muss er das Gegenteil befürchten. Er sitzt auf der Anklagebank, die weißen Haare zurückgekämmt, den Ellenbogen auf der Lehne des Nachbarstuhls abgestützt, und blickt unter seinen kräftigen schwarzen Augenbrauen hervor etwas ungläubig auf Volker Ziegler. Eindringlich und ungewöhnlich deutlich appelliert der Richter an den 64-Jährigen, seine Lage zu überdenken.

Ein Geständnis kommt nicht in Frage

Er halte nach Studium der Akten das Urteil für korrekt und die Strafe für milde. Nicht dass sich der Angeklagte eines Tages nach dem auf 16 Tage angesetzten Prozess zu sich sagen müsse: "Da hatte ich eine Chance in meinem Leben, die hätte ich nicht auslassen sollen." Gemeint ist die Chance, ein Geständnis abzulegen, den Prozess abzukürzen und dafür eine geringere Strafe zu erhalten. S. solle sich das bis zum nächsten Verhandlungstag am Montag überlegen.

Nicht nötig, sagt der Sammler nach der Verhandlung. "Das kommt definitiv nicht in Frage." Er könne alle Vorwürfe widerlegen. Er sei kein Kunsthändler, sondern eben ein Sammler mit Geldproblemen. Längst ist seine Immobilienfirma pleite, er selbst als Privatmann auch, und die wertlosen Bilder gehörten wie sein Haus der Tochter. Was ihm geblieben ist, das ist der tatsächliche oder vorgeschobene Glaube an seine Kunstwerke. "Meine Bilder sind Originale", sagt S. "Ich kann das beweisen."

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