Hamburger Fischmarkt in München:"Man bekommt dort alles von Aal bis Z"

Hamburger Fischmarkt in München: Der Hamburger Fischmarkt gastiert auf dem Wittelsbacherplatz - nur die Marktschreier fehlen.

Der Hamburger Fischmarkt gastiert auf dem Wittelsbacherplatz - nur die Marktschreier fehlen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Beim Hamburger Fischmarkt auf dem Wittelsbacherplatz werden die Begriffe "Hamburg" und "Fischmarkt" großzügig ausgelegt. Aber eine Besonderheit fehlt.

Von Wolfgang Görl

Es ist zweifelhaft, ob Kurfürst Maximilian I., der im Dreißigjährigen Krieg als Führer der Katholischen Liga gegen den protestantischen Norden kämpfte, das Treiben zu Füßen seines Reiterstandbilds auf dem Wittelsbacherplatz dulden, geschweige denn gutheißen würde. Es gibt dort, zumindest was die Händler betrifft, eindeutig eine Dominanz der Norddeutschen, die naturgemäß auch im Warenangebot zur Geltung kommt.

Schon an der Brienner Straße kann man förmlich riechen, auf welches Nahrungsmittel die Stände und Garküchen auf dem Marktareal in erster Linie setzen: Fisch, Fisch und nochmals Fisch. In Anbetracht dessen hätte es den Wegweiser, der die Leute zum Ort des Geschehens führt, gar nicht bedurft. Einmal die Nase in den Wind halten, den Duft von Matjes und Scholle Finkenwerder Art einschnaufen - und schon ist klar: Der Hamburger Fischmarkt ist wieder da. Man hört geradezu die Elbe rauschen.

Es ist das 21. Mal, dass der Wandermarkt, der sich als Botschafter der Freien und Hansestadt Hamburg versteht, in München gastiert. Und offenkundig haben Labskaus und Handbrot an der Isar mittlerweile so viele Freunde gefunden, dass schon bei der mittäglichen Eröffnung am Vatertag fast alle Sitzplätze belegt sind. Noch ist nicht genug Alkohol geflossen, damit die Premierengäste die hanseatischen Gassenhauer, welche die Sängerin Uta Carina anstimmt, auch mitsingen, etwa die schöne Zeile: "In Hamburg, da bin ich zu Haus." Andererseits wäre dies bei der überwältigenden Mehrheit der Besucher auch gelogen.

Eröffnet hat den Fischmarkt übrigens der CSU-Stadtrat Otto Seidl, was die Wichtigkeit der Hamburger Sause insofern bestätigt, als Seidl ja den bedeutenden Posten des Wiesn-Stadtrats bekleidet. Andererseits ist der Markt auch wieder nicht so wichtig, denn sonst hätte ja Oberbürgermeister Dieter Reiter das erste Bier gezapft, so wie bei dem fast so bedeutsamen Oktoberfest. Seidl seinerseits sah sich gezwungen, ein als Kompliment gedachtes Diktum seines Vorredners Klaus Moritz, des Vizepräsidenten der Hamburger Schausteller, ebenso behutsam wie unerbittlich zu korrigieren.

Moritz hatte mit nordmännischer Kühnheit - oder war es Leichtsinn? - gesagt, München habe das Zeug dazu, "fast so schön zu werden wie Hamburg". Die fälligen Buhrufe, mindestens drei an der Zahl, kamen prompt, und Seidl beantwortete die Provokation mit der universell gültigen Feststellung: "München ist die schönste Stadt der Welt." Beifall und Jubel an den Tischen, wo man den launigen Schlagabtausch mit einem Gläschen Küstennebel begoss.

Es gibt mehr als Fisch auf dem Fischmarkt

Beim Bummel über den Markt staunt der unvoreingenommene Besucher, wie großzügig hier die Begriffe "Hamburg" und "Fischmarkt" ausgelegt werden. Es gibt nämlich nicht nur Fisch, sondern auch Körbe, Strümpfe und platzsparende Kleiderbügel, und die Marktstände kommen nicht nur aus Hamburg, sondern auch aus Italien, Berlin oder dem Schwabenland. Letzterem entstammt der Steckerlfisch-Spezialist Dirk Högerle, der im Schweiße seines Angesichts Makrelen röstet. Wie der Schwabe quasi zum Ehrenhamburger avancierte, will er im Detail aber nicht verraten: "Das hat sich so ergeben."

Angesichts dessen könnte man auf die Idee kommen, der Hamburger Fischmarkt sei genauso authentisch wie das Kaltenberger Ritterturnier, bei dem ja auch keine echten Ritter um den Sieg kämpfen. Doch den Verdacht, hier handle es sich um eine Gauklertruppe, die auf Fischköppe macht, entkräftet Klaus Moritz umgehend: Nee, da kämen schon die meisten aus Hamburg und Umgebung, und was Kleiderbügel und Italiener anbelangt, sei es auf dem originalen Hamburger Fischmarkt auch nicht anders: "Da geht es international zu, und man bekommt dort alles von Aal bis Z."

Die Marktschreier sind Opfer des Lärmschutzes

Überhaupt ist Moritz ein rollmopsfideler, freundlicher Zeitgenosse, dessen Fischstand, der alles führt, was nicht dem Netz entfliehen konnte, über jeden Zweifel erhaben ist. Seit 1894 handelt seine Familie mit Fisch, und selbstverständlich ist Moritz jeden Sonntag dabei, wenn im richtigen Hamburg Fischmarkt ist. Gewiss ist es diese alte Handelstradition, die dem Mann eine lässige Weltläufigkeit verschafft, die fast an jene der Münchner heranreicht.

Hamburger Fischmarkt in München: Bei Dirk Högerle gibt es die in Hamburg eher wenig verbreiteten Steckerlfische. Aber Högerle kommt halt aus Baden-Württemberg.

Bei Dirk Högerle gibt es die in Hamburg eher wenig verbreiteten Steckerlfische. Aber Högerle kommt halt aus Baden-Württemberg.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dennoch kann man dem netten Herrn Moritz eine Frage nicht ersparen: Wo sind eigentlich die Marktschreier geblieben, die den Hamburger Fischmarkt, als er noch auf dem Jakobsplatz gastierte, auch zu einem theatralischen Ereignis machten? Warum beispielsweise ist der unvergleichliche Aale-Dieter nicht dabei, der so lustige Sprüche drauf hatte, dass man ihm immer einen Aal abkaufte, obwohl einem davor grauste? Tja, bedauerlich, sagt Moritz. Aale-Dieter und seine Marktschreierkollegen sind dem Lärmschutz zu Opfer gefallen. Am Wittelsbacherplatz möchte man Ruhe. Nicht, dass der fromme Kurfürst erwacht.

Hamburger Fischmarkt, bis 5. Juni am Wittelsbacherplatz: Montag bis Samstag von 10 bis 22 Uhr, sonntags und feiertags von elf Uhr an.

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